[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.Geschichte des dritten Bischof Alberts, dreyzehntes Jahr, 1210Letten auf dem Wege, die nach Ungannien marschirten. Was nun von denvorigen nicht volständig geschehen war, das brachten diese erst zu seiner Richtigkeit. Denn alle Männer, so sie erwischten, machten sie nieder, schonten auch der Rei- chen und Landesältesten nicht, sondern verdamten sie alle mit der Schärfe des Schwerdts. Auch Rußin nebst andern ließ, um seine Freunde zu rächen, alle, so er veste bekam, theils lebendig braten, theils sonst eines grausamen Todes hin- richten. Doch auch diese wandten sich kaum zu ihren Schlössern, da schon wieder andre Letten, als der vierte Trup von Beverin, sich mit wenigen aufmachten durch den Busch in die Provinz Saccala rückten, welche Aliste hieß, und weil sie alle zu Hause fanden, sie vom grösten bis auf den kleinsten erschlugen, (und also) viele aus ihnen umbrachten, Weiber, Pferde und Vieh entführten, und sich in den ganzen Raub theilten. Darüber erschracken die von Alistegunde. Die an- dern von Saccala sandten Boten nach Riga, stelten ihre Knaben zu Geisseln, und nahmen nicht allein den Frieden an, sondern versprachen auch das Sacrament der heiligen Taufe zu empfangen. Auch Dietrich des Bischofs Bruder mit den Leuten des Bischofs, und Berthold von Wenden samleten eine Armee, und zogen im Winter nach Ungannien, fanden das ganze Land von den Letten ver- heeret, das Schloß Tarbat *) verlassen, und von den Letten ehmals aufge- brant, und paßirten den Fluß, der die Mutter der Gewässer o) heist; gingen auch ein in die Dörfer, fanden aber da wenige vor sich, zogen also nach dem Busche, wo die Heiden in einem dichten Walde eine Art vom Gehege gemacht, und grosse Bäume rundherum gefället hatten, damit sie beym Anmarsch einer Armee, sich und ihre Güter daselbst in Sicherheit bringen möchten. Wie nun das Heer der Christen im Anzuge war, rückten sie verwegen aus, wehrten sich sehr lange, weil ihnen schwer beyzukommen war, konten aber der Menge nicht widerstehen, wandten uns also den Rücken zu, und jagten nach dem dicken Busche. Etliche aber setzten den Flüchtlingen nach, erlangten einige, hieben sie nieder, schlepten Weiber und Kinder gefangen mit sich, trieben viel Pferde und Vieh davon, und entführten viele Güter. Denn aus der ganzen Provinz waren Leute dahin geflüch- tet, und hatten ihr ganzes Vermögen bey sich. Nachdem sie die ganze Beute un- ter sich vertheilet, kehrten sie mit den Gefangnen wieder nach Liefland. Nach volbrachtem heiligen Weihnachtsfeste, da der Winter am härtesten war, und sich die tiefen Wege und Auen zugeleget hatten, schickten die Bischöfe an alle Schlösser in Liefland, und an alle Provinzen der Letten, daß sie mit den Deutschen zu Felde gehen solten, liessen auch ihre Soldaten mit den Pilgern und Ordens- brüdern marschiren, und bestelten sie bey dem Schlosse Beverin zur Musterung. Der Bischof über Esthland, Dietrich, ging auch mit, und nachdem sie das Fest der Erscheinung Christi dem grossen GOtt zu Ehren gefeiert hatten, nah- men sie ihren Weg nach Ungannien. Es waren ungefähr an Reuterey und Fußvolk vier tausend Deutsche, von Liven und Letten ebenfals so viel. Sie rückten in die Provinz Tarbat, setzten über den Mutterbach, und gelangten an das Gehege, so vorher die Christen zerstöret hatten; da aber die Pilger ausruheten, machten sich die Liven und Letten, und die sonst die schnelsten waren, von der Armee weg nach Wagien, plünderten die ganze Provinz und versamleten sich nachher bey der Burg Somelinde **). Des andern Tages kamen sie zu ihren Leuten *) Die bey Kelchen p. 68 angenommene Meynung von dem Namen der Stadt Dörpt, als hiesse sie Dar bet, dort weiter, wird hier deutlich umgestossen, weil die Sachsen sich hier nicht gezanket, wo die Stadt anzulegen sey, sondern schon ein Schloß Tarbat vor sich gefunden; welchen Namen es Zweifels ohne von den Heiden erhalten, wie denn selbst die kleine Provinz den Namen Tarbat führte. **) Somelinde heist eigentlich das Schloß der Finnen, und ist das jetzige Somel. So wird noch heuti-
ges Tages Wyburg in Carelen genant. Daß die Finnen und Esthen ihrem Ursprung und der Sprache nach nicht viel unterschieden, ist ausgemacht, obgleich die erstern weit etwas älteres und de- nen Morgenländischen Sprachen ähnlichers in ihrer Mundart haben, und ausser andern Aehnlich- keiten alle conjugationes von Kal bis Hithpael mit geringer Veränderung des Stamworts durch- führen können. Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, dreyzehntes Jahr, 1210Letten auf dem Wege, die nach Ungannien marſchirten. Was nun von denvorigen nicht volſtaͤndig geſchehen war, das brachten dieſe erſt zu ſeiner Richtigkeit. Denn alle Maͤnner, ſo ſie erwiſchten, machten ſie nieder, ſchonten auch der Rei- chen und Landesaͤlteſten nicht, ſondern verdamten ſie alle mit der Schaͤrfe des Schwerdts. Auch Rußin nebſt andern ließ, um ſeine Freunde zu raͤchen, alle, ſo er veſte bekam, theils lebendig braten, theils ſonſt eines grauſamen Todes hin- richten. Doch auch dieſe wandten ſich kaum zu ihren Schloͤſſern, da ſchon wieder andre Letten, als der vierte Trup von Beverin, ſich mit wenigen aufmachten durch den Buſch in die Provinz Saccala ruͤckten, welche Aliſte hieß, und weil ſie alle zu Hauſe fanden, ſie vom groͤſten bis auf den kleinſten erſchlugen, (und alſo) viele aus ihnen umbrachten, Weiber, Pferde und Vieh entfuͤhrten, und ſich in den ganzen Raub theilten. Daruͤber erſchracken die von Aliſtegunde. Die an- dern von Saccala ſandten Boten nach Riga, ſtelten ihre Knaben zu Geiſſeln, und nahmen nicht allein den Frieden an, ſondern verſprachen auch das Sacrament der heiligen Taufe zu empfangen. Auch Dietrich des Biſchofs Bruder mit den Leuten des Biſchofs, und Berthold von Wenden ſamleten eine Armee, und zogen im Winter nach Ungannien, fanden das ganze Land von den Letten ver- heeret, das Schloß Tarbat *) verlaſſen, und von den Letten ehmals aufge- brant, und paßirten den Fluß, der die Mutter der Gewaͤſſer o) heiſt; gingen auch ein in die Doͤrfer, fanden aber da wenige vor ſich, zogen alſo nach dem Buſche, wo die Heiden in einem dichten Walde eine Art vom Gehege gemacht, und groſſe Baͤume rundherum gefaͤllet hatten, damit ſie beym Anmarſch einer Armee, ſich und ihre Guͤter daſelbſt in Sicherheit bringen moͤchten. Wie nun das Heer der Chriſten im Anzuge war, ruͤckten ſie verwegen aus, wehrten ſich ſehr lange, weil ihnen ſchwer beyzukommen war, konten aber der Menge nicht widerſtehen, wandten uns alſo den Ruͤcken zu, und jagten nach dem dicken Buſche. Etliche aber ſetzten den Fluͤchtlingen nach, erlangten einige, hieben ſie nieder, ſchlepten Weiber und Kinder gefangen mit ſich, trieben viel Pferde und Vieh davon, und entfuͤhrten viele Guͤter. Denn aus der ganzen Provinz waren Leute dahin gefluͤch- tet, und hatten ihr ganzes Vermoͤgen bey ſich. Nachdem ſie die ganze Beute un- ter ſich vertheilet, kehrten ſie mit den Gefangnen wieder nach Liefland. Nach volbrachtem heiligen Weihnachtsfeſte, da der Winter am haͤrteſten war, und ſich die tiefen Wege und Auen zugeleget hatten, ſchickten die Biſchoͤfe an alle Schloͤſſer in Liefland, und an alle Provinzen der Letten, daß ſie mit den Deutſchen zu Felde gehen ſolten, lieſſen auch ihre Soldaten mit den Pilgern und Ordens- bruͤdern marſchiren, und beſtelten ſie bey dem Schloſſe Beverin zur Muſterung. Der Biſchof uͤber Eſthland, Dietrich, ging auch mit, und nachdem ſie das Feſt der Erſcheinung Chriſti dem groſſen GOtt zu Ehren gefeiert hatten, nah- men ſie ihren Weg nach Ungannien. Es waren ungefaͤhr an Reuterey und Fußvolk vier tauſend Deutſche, von Liven und Letten ebenfals ſo viel. Sie ruͤckten in die Provinz Tarbat, ſetzten uͤber den Mutterbach, und gelangten an das Gehege, ſo vorher die Chriſten zerſtoͤret hatten; da aber die Pilger ausruheten, machten ſich die Liven und Letten, und die ſonſt die ſchnelſten waren, von der Armee weg nach Wagien, pluͤnderten die ganze Provinz und verſamleten ſich nachher bey der Burg Somelinde **). Des andern Tages kamen ſie zu ihren Leuten *) Die bey Kelchen p. 68 angenommene Meynung von dem Namen der Stadt Doͤrpt, als hieſſe ſie Dar bet, dort weiter, wird hier deutlich umgeſtoſſen, weil die Sachſen ſich hier nicht gezanket, wo die Stadt anzulegen ſey, ſondern ſchon ein Schloß Tarbat vor ſich gefunden; welchen Namen es Zweifels ohne von den Heiden erhalten, wie denn ſelbſt die kleine Provinz den Namen Tarbat fuͤhrte. **) Somelinde heiſt eigentlich das Schloß der Finnen, und iſt das jetzige Somel. So wird noch heuti-
ges Tages Wyburg in Carelen genant. Daß die Finnen und Eſthen ihrem Urſprung und der Sprache nach nicht viel unterſchieden, iſt ausgemacht, obgleich die erſtern weit etwas aͤlteres und de- nen Morgenlaͤndiſchen Sprachen aͤhnlichers in ihrer Mundart haben, und auſſer andern Aehnlich- keiten alle conjugationes von Kal bis Hithpael mit geringer Veraͤnderung des Stamworts durch- fuͤhren koͤnnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0126" n="94"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, dreyzehntes Jahr,</hi></fw><lb/><note place="left">1210</note><hi rendition="#fr">Letten</hi> auf dem Wege, die nach <hi rendition="#fr">Ungannien</hi> marſchirten. 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Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, dreyzehntes Jahr,
Letten auf dem Wege, die nach Ungannien marſchirten. Was nun von den
vorigen nicht volſtaͤndig geſchehen war, das brachten dieſe erſt zu ſeiner Richtigkeit.
Denn alle Maͤnner, ſo ſie erwiſchten, machten ſie nieder, ſchonten auch der Rei-
chen und Landesaͤlteſten nicht, ſondern verdamten ſie alle mit der Schaͤrfe des
Schwerdts. Auch Rußin nebſt andern ließ, um ſeine Freunde zu raͤchen, alle,
ſo er veſte bekam, theils lebendig braten, theils ſonſt eines grauſamen Todes hin-
richten. Doch auch dieſe wandten ſich kaum zu ihren Schloͤſſern, da ſchon wieder
andre Letten, als der vierte Trup von Beverin, ſich mit wenigen aufmachten
durch den Buſch in die Provinz Saccala ruͤckten, welche Aliſte hieß, und
weil ſie alle zu Hauſe fanden, ſie vom groͤſten bis auf den kleinſten erſchlugen, (und
alſo) viele aus ihnen umbrachten, Weiber, Pferde und Vieh entfuͤhrten, und ſich
in den ganzen Raub theilten. Daruͤber erſchracken die von Aliſtegunde. Die an-
dern von Saccala ſandten Boten nach Riga, ſtelten ihre Knaben zu Geiſſeln,
und nahmen nicht allein den Frieden an, ſondern verſprachen auch das Sacrament
der heiligen Taufe zu empfangen. Auch Dietrich des Biſchofs Bruder mit den
Leuten des Biſchofs, und Berthold von Wenden ſamleten eine Armee, und
zogen im Winter nach Ungannien, fanden das ganze Land von den Letten ver-
heeret, das Schloß Tarbat *) verlaſſen, und von den Letten ehmals aufge-
brant, und paßirten den Fluß, der die Mutter der Gewaͤſſer
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heiſt; gingen auch
ein in die Doͤrfer, fanden aber da wenige vor ſich, zogen alſo nach dem Buſche,
wo die Heiden in einem dichten Walde eine Art vom Gehege gemacht, und groſſe
Baͤume rundherum gefaͤllet hatten, damit ſie beym Anmarſch einer Armee, ſich
und ihre Guͤter daſelbſt in Sicherheit bringen moͤchten. Wie nun das Heer der
Chriſten im Anzuge war, ruͤckten ſie verwegen aus, wehrten ſich ſehr lange,
weil ihnen ſchwer beyzukommen war, konten aber der Menge nicht widerſtehen,
wandten uns alſo den Ruͤcken zu, und jagten nach dem dicken Buſche. Etliche
aber ſetzten den Fluͤchtlingen nach, erlangten einige, hieben ſie nieder, ſchlepten
Weiber und Kinder gefangen mit ſich, trieben viel Pferde und Vieh davon, und
entfuͤhrten viele Guͤter. Denn aus der ganzen Provinz waren Leute dahin gefluͤch-
tet, und hatten ihr ganzes Vermoͤgen bey ſich. Nachdem ſie die ganze Beute un-
ter ſich vertheilet, kehrten ſie mit den Gefangnen wieder nach Liefland. Nach
volbrachtem heiligen Weihnachtsfeſte, da der Winter am haͤrteſten war, und ſich
die tiefen Wege und Auen zugeleget hatten, ſchickten die Biſchoͤfe an alle Schloͤſſer
in Liefland, und an alle Provinzen der Letten, daß ſie mit den Deutſchen
zu Felde gehen ſolten, lieſſen auch ihre Soldaten mit den Pilgern und Ordens-
bruͤdern marſchiren, und beſtelten ſie bey dem Schloſſe Beverin zur Muſterung.
Der Biſchof uͤber Eſthland, Dietrich, ging auch mit, und nachdem ſie das
Feſt der Erſcheinung Chriſti dem groſſen GOtt zu Ehren gefeiert hatten, nah-
men ſie ihren Weg nach Ungannien. Es waren ungefaͤhr an Reuterey und
Fußvolk vier tauſend Deutſche, von Liven und Letten ebenfals ſo viel. Sie
ruͤckten in die Provinz Tarbat, ſetzten uͤber den Mutterbach, und gelangten an
das Gehege, ſo vorher die Chriſten zerſtoͤret hatten; da aber die Pilger ausruheten,
machten ſich die Liven und Letten, und die ſonſt die ſchnelſten waren, von der
Armee weg nach Wagien, pluͤnderten die ganze Provinz und verſamleten ſich
nachher bey der Burg Somelinde **). Des andern Tages kamen ſie zu ihren
Leuten
1210
*) Die bey Kelchen p. 68 angenommene Meynung von dem Namen der Stadt Doͤrpt, als hieſſe ſie
Dar bet, dort weiter, wird hier deutlich umgeſtoſſen, weil die Sachſen ſich hier nicht gezanket, wo
die Stadt anzulegen ſey, ſondern ſchon ein Schloß Tarbat vor ſich gefunden; welchen Namen es
Zweifels ohne von den Heiden erhalten, wie denn ſelbſt die kleine Provinz den Namen Tarbat
fuͤhrte.
**) Somelinde heiſt eigentlich das Schloß der Finnen, und iſt das jetzige Somel. So wird noch heuti-
ges Tages Wyburg in Carelen genant. Daß die Finnen und Eſthen ihrem Urſprung und der
Sprache nach nicht viel unterſchieden, iſt ausgemacht, obgleich die erſtern weit etwas aͤlteres und de-
nen Morgenlaͤndiſchen Sprachen aͤhnlichers in ihrer Mundart haben, und auſſer andern Aehnlich-
keiten alle conjugationes von Kal bis Hithpael mit geringer Veraͤnderung des Stamworts durch-
fuͤhren koͤnnen.
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