[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.Geschichte des dritten Bischof Alberts, zwölftes Jahr, 1209plötzlich auf sich zu marschiren. Alsdenn hielt der Bruder der Ritterschaft Ar-nold geschwind die Fahne in die Höhe und sprach: Lasset uns zusammen treten, ihr deutschen Brüder, und sehen ob wir fechten können. Last uns nicht vor ihnen laufen, damit wir nicht unserm Volk einen Schandflecken anhängen. Und sie gingen auf sie los, machten welche nieder, schlugen sich mit ihnen herum; Ber- told des Caupo Sohn, wie auch sein Schwiegersohn Wane, ein tapferer beherzter und tugendsamer Mann, nebst einigen andern Brüdern, blieben, und die Bedienten des Bischofs Wichmann und Alder wurden schwer verwundet. Als die Liven aber, so hinterher gingen, das weitläuftige Heer von allen Seiten des Waldes anziehen sahen, wandten sie sich gleich nach der Flucht um, und die Deutschen blieben alleine. Die Deutschen wurden dieses inne, und da sie ihre wenige Anzahl in Erwegung zogen, weil sie nicht stärker, als etwan zwanzig Mann waren; so stellten sie sich dichte in einen Haufen, und gingen geradesweges, unter stetem Scharmutziren mit den Feinden nach der Goiwa zurück. Ru- dolph von Jericho ward mit einer Lanze verwundet und sank zur Erde; Wicbold, ein Friese, half ihm wieder aufs Pferd. Dieser Friese verließ sich auf sein schnelles Pferd, jagte bald weg, bald wieder auf die Feinde zu, hielt sie in den engen Wegen auf, und erlösete viele. Die Esthen aber waren hinter der Deutschen und Livischen Reuterey so wol, als den Lettischen Fußgängern her, die zur rechten und linken flohen, nahmen ihrer fast hundert gefangen, mach- ten einige nieder, andere schlepten sie wieder an die Ymer und thaten ihnen einen grausamen Märtyrertod an. Denn es waren ihrer etwan vierzehn von unsern Deutschen, davon sie einige lebendig brateten, andern die Kleider abzogen, mit ihren Schwerdtern Kreuzen k) auf den Rücken schnitten, und tödteten, und sie, wie wir hoffen, in die Geselschaft der Märtyrer in Himmel schickten. Darauf kehrten die Esthen wieder in ihr Land, und da sie den Christen bald auf dem Nacken seyn wolten, so sandten sie durch alle Provinzen Esthlands, verschworen und verbun- den sich, daß sie gegen den christlichen Namen ein Herz und eine Seele seyn wol- ten. Caupo also und seine Liven und Letten kamen aus der Schlacht, beklag- ten ihre Getödteten, und traurten, daß die nur erst neulich Getauften von den Heiden hingerichtet worden. Die ganze Kirche hatte Beyleid mit ihnen, die da- mals war, wie ein Bogen, der stets gespannet wird und nie springet als die Arche Noah, die zwar durch hohe Wellen empor gehoben, aber nicht zerscheitert ward, als das Schiflein Petri *), daran zwar die Fluthen schlagen, das aber nicht sank; als das Weib, welches der Drache verfolgete, aber nicht bezwungen. Denn auf diese Beangstigung folgte ein Trost; nach der Traurigkeit schenkte der dreyeinige grosse GOtt, grosse Freude. Denn es ward der Ritter Ordensbruder Arnold mit seinen Kameraden an den König von Plosceke nach Rußland gesandt, ob er vielleicht Frieden eingehen und den Rigischen Kaufleuten einen Weg nach sei- nem Lande öfnen wolte. Der König nahm ihn mit geneigtem Gemüthe auf, freu- ete sich mit über die Ruhe des Friedens, wiewol nur verstelt, und schickte mit ih- nen einen klugen und sehr reichen Mann von Smolensko, Ludolfen, daß der nach Riga gehen und ausmachen solle, was zur Gerechtigkeit und zum Frieden diene. Wie diese in Riga ankamen und des Königs Willen anbrachten; so gefiel den Rigi- schen das Friedensformular, und ward zwischen dem König und Rigischen ein ewi- ger Friede getroffen, doch also, daß die Liven dem König den schuldigen Tribut jähr- lich zahlen, oder der Bischof denselben an ihrer statt entrichten solte. Und es freue- ten sich alle, daß sie desto sicherer mit den Esthen und andern benachbarten und an- gränzenden Völkern kriegen könten. Wie auch nachher geschahe. k) Es scheinet, sie haben mit dieser Grausamkeit auf eine spöttische Art machen wollen, daß diese Deutschen das Kreuz, welches sie auf ihren Kleidern angenähet getragen, auch auf der Haut trügen. §. 9. Das *) Meine Abschrift list nauicula Petri, da in der Gruberschen Ausgabe Petri fehlet.
Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwoͤlftes Jahr, 1209ploͤtzlich auf ſich zu marſchiren. Alsdenn hielt der Bruder der Ritterſchaft Ar-nold geſchwind die Fahne in die Hoͤhe und ſprach: Laſſet uns zuſammen treten, ihr deutſchen Bruͤder, und ſehen ob wir fechten koͤnnen. Laſt uns nicht vor ihnen laufen, damit wir nicht unſerm Volk einen Schandflecken anhaͤngen. Und ſie gingen auf ſie los, machten welche nieder, ſchlugen ſich mit ihnen herum; Ber- told des Caupo Sohn, wie auch ſein Schwiegerſohn Wane, ein tapferer beherzter und tugendſamer Mann, nebſt einigen andern Bruͤdern, blieben, und die Bedienten des Biſchofs Wichmann und Alder wurden ſchwer verwundet. Als die Liven aber, ſo hinterher gingen, das weitlaͤuftige Heer von allen Seiten des Waldes anziehen ſahen, wandten ſie ſich gleich nach der Flucht um, und die Deutſchen blieben alleine. Die Deutſchen wurden dieſes inne, und da ſie ihre wenige Anzahl in Erwegung zogen, weil ſie nicht ſtaͤrker, als etwan zwanzig Mann waren; ſo ſtellten ſie ſich dichte in einen Haufen, und gingen geradesweges, unter ſtetem Scharmutziren mit den Feinden nach der Goiwa zuruͤck. Ru- dolph von Jericho ward mit einer Lanze verwundet und ſank zur Erde; Wicbold, ein Frieſe, half ihm wieder aufs Pferd. Dieſer Frieſe verließ ſich auf ſein ſchnelles Pferd, jagte bald weg, bald wieder auf die Feinde zu, hielt ſie in den engen Wegen auf, und erloͤſete viele. Die Eſthen aber waren hinter der Deutſchen und Liviſchen Reuterey ſo wol, als den Lettiſchen Fußgaͤngern her, die zur rechten und linken flohen, nahmen ihrer faſt hundert gefangen, mach- ten einige nieder, andere ſchlepten ſie wieder an die Ymer und thaten ihnen einen grauſamen Maͤrtyrertod an. Denn es waren ihrer etwan vierzehn von unſern Deutſchen, davon ſie einige lebendig brateten, andern die Kleider abzogen, mit ihren Schwerdtern Kreuzen k) auf den Ruͤcken ſchnitten, und toͤdteten, und ſie, wie wir hoffen, in die Geſelſchaft der Maͤrtyrer in Himmel ſchickten. Darauf kehrten die Eſthen wieder in ihr Land, und da ſie den Chriſten bald auf dem Nacken ſeyn wolten, ſo ſandten ſie durch alle Provinzen Eſthlands, verſchworen und verbun- den ſich, daß ſie gegen den chriſtlichen Namen ein Herz und eine Seele ſeyn wol- ten. Caupo alſo und ſeine Liven und Letten kamen aus der Schlacht, beklag- ten ihre Getoͤdteten, und traurten, daß die nur erſt neulich Getauften von den Heiden hingerichtet worden. Die ganze Kirche hatte Beyleid mit ihnen, die da- mals war, wie ein Bogen, der ſtets geſpannet wird und nie ſpringet als die Arche Noah, die zwar durch hohe Wellen empor gehoben, aber nicht zerſcheitert ward, als das Schiflein Petri *), daran zwar die Fluthen ſchlagen, das aber nicht ſank; als das Weib, welches der Drache verfolgete, aber nicht bezwungen. Denn auf dieſe Beangſtigung folgte ein Troſt; nach der Traurigkeit ſchenkte der dreyeinige groſſe GOtt, groſſe Freude. Denn es ward der Ritter Ordensbruder Arnold mit ſeinen Kameraden an den Koͤnig von Ploſceke nach Rußland geſandt, ob er vielleicht Frieden eingehen und den Rigiſchen Kaufleuten einen Weg nach ſei- nem Lande oͤfnen wolte. Der Koͤnig nahm ihn mit geneigtem Gemuͤthe auf, freu- ete ſich mit uͤber die Ruhe des Friedens, wiewol nur verſtelt, und ſchickte mit ih- nen einen klugen und ſehr reichen Mann von Smolensko, Ludolfen, daß der nach Riga gehen und ausmachen ſolle, was zur Gerechtigkeit und zum Frieden diene. Wie dieſe in Riga ankamen und des Koͤnigs Willen anbrachten; ſo gefiel den Rigi- ſchen das Friedensformular, und ward zwiſchen dem Koͤnig und Rigiſchen ein ewi- ger Friede getroffen, doch alſo, daß die Liven dem Koͤnig den ſchuldigen Tribut jaͤhr- lich zahlen, oder der Biſchof denſelben an ihrer ſtatt entrichten ſolte. Und es freue- ten ſich alle, daß ſie deſto ſicherer mit den Eſthen und andern benachbarten und an- graͤnzenden Voͤlkern kriegen koͤnten. Wie auch nachher geſchahe. k) Es ſcheinet, ſie haben mit dieſer Grauſamkeit auf eine ſpoͤttiſche Art machen wollen, daß dieſe Deutſchen das Kreuz, welches ſie auf ihren Kleidern angenaͤhet getragen, auch auf der Haut truͤgen. §. 9. Das *) Meine Abſchrift liſt nauicula Petri, da in der Gruberſchen Ausgabe Petri fehlet.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0114" n="82"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwoͤlftes Jahr,</hi></fw><lb/><note place="left">1209</note>ploͤtzlich auf ſich zu marſchiren. Alsdenn hielt der Bruder der Ritterſchaft <hi rendition="#fr">Ar-<lb/> nold</hi> geſchwind die Fahne in die Hoͤhe und ſprach: Laſſet uns zuſammen treten, ihr<lb/><hi rendition="#fr">deutſchen</hi> Bruͤder, und ſehen ob wir fechten koͤnnen. Laſt uns nicht vor ihnen<lb/> laufen, damit wir nicht unſerm Volk einen Schandflecken anhaͤngen. Und ſie<lb/> gingen auf ſie los, machten welche nieder, ſchlugen ſich mit ihnen herum; <hi rendition="#fr">Ber-<lb/> told</hi> des <hi rendition="#fr">Caupo</hi> Sohn, wie auch ſein Schwiegerſohn <hi rendition="#fr">Wane,</hi> ein tapferer<lb/> beherzter und tugendſamer Mann, nebſt einigen andern Bruͤdern, blieben, und die<lb/> Bedienten des Biſchofs <hi rendition="#fr">Wichmann</hi> und <hi rendition="#fr">Alder</hi> wurden ſchwer verwundet. Als<lb/> die <hi rendition="#fr">Liven</hi> aber, ſo hinterher gingen, das weitlaͤuftige Heer von allen Seiten des<lb/> Waldes anziehen ſahen, wandten ſie ſich gleich nach der Flucht um, und die<lb/><hi rendition="#fr">Deutſchen</hi> blieben alleine. Die <hi rendition="#fr">Deutſchen</hi> wurden dieſes inne, und da ſie<lb/> ihre wenige Anzahl in Erwegung zogen, weil ſie nicht ſtaͤrker, als etwan zwanzig<lb/> Mann waren; ſo ſtellten ſie ſich dichte in einen Haufen, und gingen geradesweges,<lb/> unter ſtetem Scharmutziren mit den Feinden nach der <hi rendition="#fr">Goiwa</hi> zuruͤck. <hi rendition="#fr">Ru-<lb/> dolph</hi> von <hi rendition="#fr">Jericho</hi> ward mit einer Lanze verwundet und ſank zur Erde;<lb/><hi rendition="#fr">Wicbold,</hi> ein <hi rendition="#fr">Frieſe,</hi> half ihm wieder aufs Pferd. Dieſer <hi rendition="#fr">Frieſe</hi> verließ ſich auf<lb/> ſein ſchnelles Pferd, jagte bald weg, bald wieder auf die Feinde zu, hielt ſie in<lb/> den engen Wegen auf, und erloͤſete viele. Die <hi rendition="#fr">Eſthen</hi> aber waren hinter der<lb/><hi rendition="#fr">Deutſchen</hi> und <hi rendition="#fr">Liviſchen</hi> Reuterey ſo wol, als den <hi rendition="#fr">Lettiſchen</hi> Fußgaͤngern<lb/> her, die zur rechten und linken flohen, nahmen ihrer faſt hundert gefangen, mach-<lb/> ten einige nieder, andere ſchlepten ſie wieder an die <hi rendition="#fr">Ymer</hi> und thaten ihnen einen<lb/> grauſamen Maͤrtyrertod an. Denn es waren ihrer etwan vierzehn von unſern<lb/><hi rendition="#fr">Deutſchen,</hi> davon ſie einige lebendig brateten, andern die Kleider abzogen, mit<lb/> ihren Schwerdtern Kreuzen <note place="end" n="k)"/> auf den Ruͤcken ſchnitten, und toͤdteten, und ſie, wie<lb/> wir hoffen, in die Geſelſchaft der Maͤrtyrer in Himmel ſchickten. Darauf kehrten<lb/> die <hi rendition="#fr">Eſthen</hi> wieder in ihr Land, und da ſie den <hi rendition="#fr">Chriſten</hi> bald auf dem Nacken ſeyn<lb/> wolten, ſo ſandten ſie durch alle Provinzen <hi rendition="#fr">Eſthlands,</hi> verſchworen und verbun-<lb/> den ſich, daß ſie gegen den chriſtlichen Namen ein Herz und eine Seele ſeyn wol-<lb/> ten. <hi rendition="#fr">Caupo</hi> alſo und ſeine <hi rendition="#fr">Liven</hi> und <hi rendition="#fr">Letten</hi> kamen aus der Schlacht, beklag-<lb/> ten ihre Getoͤdteten, und traurten, daß die nur erſt neulich Getauften von den<lb/><hi rendition="#fr">Heiden</hi> hingerichtet worden. Die ganze Kirche hatte Beyleid mit ihnen, die da-<lb/> mals war, wie ein Bogen, der ſtets geſpannet wird und nie ſpringet als die Arche<lb/> Noah, die zwar durch hohe Wellen empor gehoben, aber nicht zerſcheitert ward,<lb/> als das Schiflein Petri <note place="foot" n="*)">Meine Abſchrift liſt <hi rendition="#aq">nauicula <hi rendition="#i">Petri</hi>,</hi> da in der <hi rendition="#fr">Gruberſchen</hi> Ausgabe <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Petri</hi></hi> fehlet.</note>, daran zwar die Fluthen ſchlagen, das aber nicht ſank;<lb/> als das Weib, welches der Drache verfolgete, aber nicht bezwungen. Denn auf<lb/> dieſe Beangſtigung folgte ein Troſt; nach der Traurigkeit ſchenkte der dreyeinige<lb/> groſſe GOtt, groſſe Freude. Denn es ward der Ritter Ordensbruder <hi rendition="#fr">Arnold</hi><lb/> mit ſeinen Kameraden an den Koͤnig von <hi rendition="#fr">Ploſceke</hi> nach <hi rendition="#fr">Rußland</hi> geſandt, ob<lb/> er vielleicht Frieden eingehen und den <hi rendition="#fr">Rigiſchen</hi> Kaufleuten einen Weg nach ſei-<lb/> nem Lande oͤfnen wolte. Der Koͤnig nahm ihn mit geneigtem Gemuͤthe auf, freu-<lb/> ete ſich mit uͤber die Ruhe des Friedens, wiewol nur verſtelt, und ſchickte mit ih-<lb/> nen einen klugen und ſehr reichen Mann von <hi rendition="#fr">Smolensko, Ludolfen,</hi> daß der<lb/> nach <hi rendition="#fr">Riga</hi> gehen und ausmachen ſolle, was zur Gerechtigkeit und zum Frieden diene.<lb/> Wie dieſe in <hi rendition="#fr">Riga</hi> ankamen und des Koͤnigs Willen anbrachten; ſo gefiel den <hi rendition="#fr">Rigi-<lb/> ſchen</hi> das Friedensformular, und ward zwiſchen dem Koͤnig und <hi rendition="#fr">Rigiſchen</hi> ein ewi-<lb/> ger Friede getroffen, doch alſo, daß die <hi rendition="#fr">Liven</hi> dem Koͤnig den ſchuldigen Tribut jaͤhr-<lb/> lich zahlen, oder der Biſchof denſelben an ihrer ſtatt entrichten ſolte. Und es freue-<lb/> ten ſich alle, daß ſie deſto ſicherer mit den <hi rendition="#fr">Eſthen</hi> und andern benachbarten und an-<lb/> graͤnzenden Voͤlkern kriegen koͤnten. Wie auch nachher geſchahe.</p><lb/> <note place="end" n="k)">Es ſcheinet, ſie haben mit dieſer Grauſamkeit auf eine ſpoͤttiſche Art machen wollen, daß<lb/> dieſe <hi rendition="#fr">Deutſchen</hi> das Kreuz, welches ſie auf ihren Kleidern angenaͤhet getragen, auch<lb/> auf der Haut truͤgen.</note> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">§. 9. Das</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0114]
Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwoͤlftes Jahr,
ploͤtzlich auf ſich zu marſchiren. Alsdenn hielt der Bruder der Ritterſchaft Ar-
nold geſchwind die Fahne in die Hoͤhe und ſprach: Laſſet uns zuſammen treten, ihr
deutſchen Bruͤder, und ſehen ob wir fechten koͤnnen. Laſt uns nicht vor ihnen
laufen, damit wir nicht unſerm Volk einen Schandflecken anhaͤngen. Und ſie
gingen auf ſie los, machten welche nieder, ſchlugen ſich mit ihnen herum; Ber-
told des Caupo Sohn, wie auch ſein Schwiegerſohn Wane, ein tapferer
beherzter und tugendſamer Mann, nebſt einigen andern Bruͤdern, blieben, und die
Bedienten des Biſchofs Wichmann und Alder wurden ſchwer verwundet. Als
die Liven aber, ſo hinterher gingen, das weitlaͤuftige Heer von allen Seiten des
Waldes anziehen ſahen, wandten ſie ſich gleich nach der Flucht um, und die
Deutſchen blieben alleine. Die Deutſchen wurden dieſes inne, und da ſie
ihre wenige Anzahl in Erwegung zogen, weil ſie nicht ſtaͤrker, als etwan zwanzig
Mann waren; ſo ſtellten ſie ſich dichte in einen Haufen, und gingen geradesweges,
unter ſtetem Scharmutziren mit den Feinden nach der Goiwa zuruͤck. Ru-
dolph von Jericho ward mit einer Lanze verwundet und ſank zur Erde;
Wicbold, ein Frieſe, half ihm wieder aufs Pferd. Dieſer Frieſe verließ ſich auf
ſein ſchnelles Pferd, jagte bald weg, bald wieder auf die Feinde zu, hielt ſie in
den engen Wegen auf, und erloͤſete viele. Die Eſthen aber waren hinter der
Deutſchen und Liviſchen Reuterey ſo wol, als den Lettiſchen Fußgaͤngern
her, die zur rechten und linken flohen, nahmen ihrer faſt hundert gefangen, mach-
ten einige nieder, andere ſchlepten ſie wieder an die Ymer und thaten ihnen einen
grauſamen Maͤrtyrertod an. Denn es waren ihrer etwan vierzehn von unſern
Deutſchen, davon ſie einige lebendig brateten, andern die Kleider abzogen, mit
ihren Schwerdtern Kreuzen
k⁾
auf den Ruͤcken ſchnitten, und toͤdteten, und ſie, wie
wir hoffen, in die Geſelſchaft der Maͤrtyrer in Himmel ſchickten. Darauf kehrten
die Eſthen wieder in ihr Land, und da ſie den Chriſten bald auf dem Nacken ſeyn
wolten, ſo ſandten ſie durch alle Provinzen Eſthlands, verſchworen und verbun-
den ſich, daß ſie gegen den chriſtlichen Namen ein Herz und eine Seele ſeyn wol-
ten. Caupo alſo und ſeine Liven und Letten kamen aus der Schlacht, beklag-
ten ihre Getoͤdteten, und traurten, daß die nur erſt neulich Getauften von den
Heiden hingerichtet worden. Die ganze Kirche hatte Beyleid mit ihnen, die da-
mals war, wie ein Bogen, der ſtets geſpannet wird und nie ſpringet als die Arche
Noah, die zwar durch hohe Wellen empor gehoben, aber nicht zerſcheitert ward,
als das Schiflein Petri *), daran zwar die Fluthen ſchlagen, das aber nicht ſank;
als das Weib, welches der Drache verfolgete, aber nicht bezwungen. Denn auf
dieſe Beangſtigung folgte ein Troſt; nach der Traurigkeit ſchenkte der dreyeinige
groſſe GOtt, groſſe Freude. Denn es ward der Ritter Ordensbruder Arnold
mit ſeinen Kameraden an den Koͤnig von Ploſceke nach Rußland geſandt, ob
er vielleicht Frieden eingehen und den Rigiſchen Kaufleuten einen Weg nach ſei-
nem Lande oͤfnen wolte. Der Koͤnig nahm ihn mit geneigtem Gemuͤthe auf, freu-
ete ſich mit uͤber die Ruhe des Friedens, wiewol nur verſtelt, und ſchickte mit ih-
nen einen klugen und ſehr reichen Mann von Smolensko, Ludolfen, daß der
nach Riga gehen und ausmachen ſolle, was zur Gerechtigkeit und zum Frieden diene.
Wie dieſe in Riga ankamen und des Koͤnigs Willen anbrachten; ſo gefiel den Rigi-
ſchen das Friedensformular, und ward zwiſchen dem Koͤnig und Rigiſchen ein ewi-
ger Friede getroffen, doch alſo, daß die Liven dem Koͤnig den ſchuldigen Tribut jaͤhr-
lich zahlen, oder der Biſchof denſelben an ihrer ſtatt entrichten ſolte. Und es freue-
ten ſich alle, daß ſie deſto ſicherer mit den Eſthen und andern benachbarten und an-
graͤnzenden Voͤlkern kriegen koͤnten. Wie auch nachher geſchahe.
1209
k⁾ Es ſcheinet, ſie haben mit dieſer Grauſamkeit auf eine ſpoͤttiſche Art machen wollen, daß
dieſe Deutſchen das Kreuz, welches ſie auf ihren Kleidern angenaͤhet getragen, auch
auf der Haut truͤgen.
§. 9. Das
*) Meine Abſchrift liſt nauicula Petri, da in der Gruberſchen Ausgabe Petri fehlet.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |