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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1207 bis 1208.
Hinrichtung ihrer Vornehmsten vor den Letthen schon anfingen grosse Furcht zu1207
haben; und weil die Sache noch nicht ausgemacht war; machten sie eine Art eines
Waffenstilstandes auf ein einzig Jahr.

d) Das Schloß Wenden, war das vornehmste von dem Theil Lettiens, so die Brü-
der der Ritterschaft Christi zu ihrem Antheil bekommen hatten. Darüber war, wie
wir sehen, einer gleichsam als Commendator gesetzet, der unter dem Ordensmeister,
welcher zu Riga sich beym Bischof aufzuhalten pflegte, das Schloß vertheidigte, über
die dasigen Ordensbrüder die Aufsicht hatte, und sie im Kriege anführte.
e) Die Letten scheinen unter den Liven eben so angesehen worden zu seyn, als bey den
Malabaren die Poreier unter den Suttirern.
f) Die erste Erwehnung des ersten Ordensmeisters der Brüder von der Ritterschaft Christi
hat uns angetrieben, seine Herkunft auszuforschen. Wir haben aber nichts ausgerich-
tet, denn ausser einem gewissen Vinold, kürzer Vinno, Bürgermeister zu Hamburg,
der als Zeuge in einer Urkunde von Anno 1190 vorkomt, haben wir nichts angetroffen,
was diesem Namen gleich laute. Die Neuern, welche die Gebräuche älterer Zeit
nach der Manier der ihrigen beurtheilen, führen hier einen Edelmann auf den Schau-
platz', und nennen ihn Vinand von Rorbach, mit welcher Zuverläßigkeit, ist noch
nicht bekant. Joh. Messenius Scond. tom. 10. p. 6. macht nicht ohne Wahrschein-
lichkeit die ersten Schwerdtbrüder zu Rathsherrensöhnen aus Bremen und Lübek, (ich
thue auch Hamburg hinzu,) dergleichen der Ordensmeister Vinno seyn können, da
eben nicht gelesen wird, daß man bey Aufnehmung dieser Ritter nach ihren adlichen
Ahnen gefraget.
g) Nach der Heiden Weise, die auch in Deutschland im Schwange gegangen, aber von
Karl dem Grossen ernstlich untersaget, und von den zum Christenthum gebrachten Hei-
den
muste verschworen werden. Der erste an die Sachsen ergangene Befehl befindet
sich bey Baluz. Capitular. tom. 1. p. 253: Wer einen verstorbenen Menschenleib nach
Art der Heiden durch Feuer verzehren, und seine Gebeine zu Asche brennen wird, dem
sol es das Leben kosten. Der andere folgte p. 254: Wir befehlen, daß die Leiber der
christlichen Sachsen auf die Kirchhöfe, und nicht zu den Gräbern der Heiden getragen
werden. An dieses Gesetze dachte Adolph, Graf von Schaumburg, und befahl
bey Einweihung der ersten Kirche zu Oldenburg in Wagrien, Anno 1156 den her-
umliegenden Slaven, daß sie nicht allein die Festtage zur Kirche kämen, das Wort
GOttes zu hören, sondern auch ihre Todten auf den Kirchhof zu begraben brächten.
Helmold libr. 1. c. 83. n. 18. Daher nach Verbindung der Deutschen und Lieflän-
dischen
Ritter die Neubekehrten dem 1249 nach Preussen abgeschickten päbstlichen Ge-
sandten unter andern versprachen, daß sie und ihre Erben in Verbrennung der Todten
und in allen andern Stücken, die Gebräuche der Heiden nicht weiter beobachten, son-
dern ihre Todten, christlichem Gebrauch nach, auf die Gottesäcker begraben wolten.
Den ganzen Vergleich hat Hartknoch in des Duisburgensis Chronicon Prussicum
beygebracht.
Nota. Jn dieses Jahr setzet der Herr Pastor Kelch die Erbauung des Doms zur alten
Pernau. Wir sprechen dieser Stadt nicht gerne die Ehre des Alterthums ab; so viel
ist aber aus diesem Werke erweißlich, daß, obgleich die Rigischen die Provinz Sa-
letsa
und Sogentagana sehr ofte durchzogen, dennoch nirgends eine Spur vorkomt,
wo nur einer Kirchenverfassung, geschweige einer Stiftskirche Erwehnung geschicht.


Des
S 2

von 1207 bis 1208.
Hinrichtung ihrer Vornehmſten vor den Letthen ſchon anfingen groſſe Furcht zu1207
haben; und weil die Sache noch nicht ausgemacht war; machten ſie eine Art eines
Waffenſtilſtandes auf ein einzig Jahr.

d) Das Schloß Wenden, war das vornehmſte von dem Theil Lettiens, ſo die Bruͤ-
der der Ritterſchaft Chriſti zu ihrem Antheil bekommen hatten. Daruͤber war, wie
wir ſehen, einer gleichſam als Commendator geſetzet, der unter dem Ordensmeiſter,
welcher zu Riga ſich beym Biſchof aufzuhalten pflegte, das Schloß vertheidigte, uͤber
die daſigen Ordensbruͤder die Aufſicht hatte, und ſie im Kriege anfuͤhrte.
e) Die Letten ſcheinen unter den Liven eben ſo angeſehen worden zu ſeyn, als bey den
Malabaren die Poreier unter den Suttirern.
f) Die erſte Erwehnung des erſten Ordensmeiſters der Bruͤder von der Ritterſchaft Chriſti
hat uns angetrieben, ſeine Herkunft auszuforſchen. Wir haben aber nichts ausgerich-
tet, denn auſſer einem gewiſſen Vinold, kuͤrzer Vinno, Buͤrgermeiſter zu Hamburg,
der als Zeuge in einer Urkunde von Anno 1190 vorkomt, haben wir nichts angetroffen,
was dieſem Namen gleich laute. Die Neuern, welche die Gebraͤuche aͤlterer Zeit
nach der Manier der ihrigen beurtheilen, fuͤhren hier einen Edelmann auf den Schau-
platz’, und nennen ihn Vinand von Rorbach, mit welcher Zuverlaͤßigkeit, iſt noch
nicht bekant. Joh. Meſſenius Scond. tom. 10. p. 6. macht nicht ohne Wahrſchein-
lichkeit die erſten Schwerdtbruͤder zu Rathsherrenſoͤhnen aus Bremen und Luͤbek, (ich
thue auch Hamburg hinzu,) dergleichen der Ordensmeiſter Vinno ſeyn koͤnnen, da
eben nicht geleſen wird, daß man bey Aufnehmung dieſer Ritter nach ihren adlichen
Ahnen gefraget.
g) Nach der Heiden Weiſe, die auch in Deutſchland im Schwange gegangen, aber von
Karl dem Groſſen ernſtlich unterſaget, und von den zum Chriſtenthum gebrachten Hei-
den
muſte verſchworen werden. Der erſte an die Sachſen ergangene Befehl befindet
ſich bey Baluz. Capitular. tom. 1. p. 253: Wer einen verſtorbenen Menſchenleib nach
Art der Heiden durch Feuer verzehren, und ſeine Gebeine zu Aſche brennen wird, dem
ſol es das Leben koſten. Der andere folgte p. 254: Wir befehlen, daß die Leiber der
chriſtlichen Sachſen auf die Kirchhoͤfe, und nicht zu den Graͤbern der Heiden getragen
werden. An dieſes Geſetze dachte Adolph, Graf von Schaumburg, und befahl
bey Einweihung der erſten Kirche zu Oldenburg in Wagrien, Anno 1156 den her-
umliegenden Slaven, daß ſie nicht allein die Feſttage zur Kirche kaͤmen, das Wort
GOttes zu hoͤren, ſondern auch ihre Todten auf den Kirchhof zu begraben braͤchten.
Helmold libr. 1. c. 83. n. 18. Daher nach Verbindung der Deutſchen und Lieflaͤn-
diſchen
Ritter die Neubekehrten dem 1249 nach Preuſſen abgeſchickten paͤbſtlichen Ge-
ſandten unter andern verſprachen, daß ſie und ihre Erben in Verbrennung der Todten
und in allen andern Stuͤcken, die Gebraͤuche der Heiden nicht weiter beobachten, ſon-
dern ihre Todten, chriſtlichem Gebrauch nach, auf die Gottesaͤcker begraben wolten.
Den ganzen Vergleich hat Hartknoch in des Duisburgenſis Chronicon Pruſſicum
beygebracht.
Nota. Jn dieſes Jahr ſetzet der Herr Paſtor Kelch die Erbauung des Doms zur alten
Pernau. Wir ſprechen dieſer Stadt nicht gerne die Ehre des Alterthums ab; ſo viel
iſt aber aus dieſem Werke erweißlich, daß, obgleich die Rigiſchen die Provinz Sa-
letſa
und Sogentagana ſehr ofte durchzogen, dennoch nirgends eine Spur vorkomt,
wo nur einer Kirchenverfaſſung, geſchweige einer Stiftskirche Erwehnung geſchicht.


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[71/0103] von 1207 bis 1208. Hinrichtung ihrer Vornehmſten vor den Letthen ſchon anfingen groſſe Furcht zu haben; und weil die Sache noch nicht ausgemacht war; machten ſie eine Art eines Waffenſtilſtandes auf ein einzig Jahr. 1207 d⁾ Das Schloß Wenden, war das vornehmſte von dem Theil Lettiens, ſo die Bruͤ- der der Ritterſchaft Chriſti zu ihrem Antheil bekommen hatten. Daruͤber war, wie wir ſehen, einer gleichſam als Commendator geſetzet, der unter dem Ordensmeiſter, welcher zu Riga ſich beym Biſchof aufzuhalten pflegte, das Schloß vertheidigte, uͤber die daſigen Ordensbruͤder die Aufſicht hatte, und ſie im Kriege anfuͤhrte. e⁾ Die Letten ſcheinen unter den Liven eben ſo angeſehen worden zu ſeyn, als bey den Malabaren die Poreier unter den Suttirern. f⁾ Die erſte Erwehnung des erſten Ordensmeiſters der Bruͤder von der Ritterſchaft Chriſti hat uns angetrieben, ſeine Herkunft auszuforſchen. Wir haben aber nichts ausgerich- tet, denn auſſer einem gewiſſen Vinold, kuͤrzer Vinno, Buͤrgermeiſter zu Hamburg, der als Zeuge in einer Urkunde von Anno 1190 vorkomt, haben wir nichts angetroffen, was dieſem Namen gleich laute. Die Neuern, welche die Gebraͤuche aͤlterer Zeit nach der Manier der ihrigen beurtheilen, fuͤhren hier einen Edelmann auf den Schau- platz’, und nennen ihn Vinand von Rorbach, mit welcher Zuverlaͤßigkeit, iſt noch nicht bekant. Joh. Meſſenius Scond. tom. 10. p. 6. macht nicht ohne Wahrſchein- lichkeit die erſten Schwerdtbruͤder zu Rathsherrenſoͤhnen aus Bremen und Luͤbek, (ich thue auch Hamburg hinzu,) dergleichen der Ordensmeiſter Vinno ſeyn koͤnnen, da eben nicht geleſen wird, daß man bey Aufnehmung dieſer Ritter nach ihren adlichen Ahnen gefraget. g⁾ Nach der Heiden Weiſe, die auch in Deutſchland im Schwange gegangen, aber von Karl dem Groſſen ernſtlich unterſaget, und von den zum Chriſtenthum gebrachten Hei- den muſte verſchworen werden. Der erſte an die Sachſen ergangene Befehl befindet ſich bey Baluz. Capitular. tom. 1. p. 253: Wer einen verſtorbenen Menſchenleib nach Art der Heiden durch Feuer verzehren, und ſeine Gebeine zu Aſche brennen wird, dem ſol es das Leben koſten. Der andere folgte p. 254: Wir befehlen, daß die Leiber der chriſtlichen Sachſen auf die Kirchhoͤfe, und nicht zu den Graͤbern der Heiden getragen werden. An dieſes Geſetze dachte Adolph, Graf von Schaumburg, und befahl bey Einweihung der erſten Kirche zu Oldenburg in Wagrien, Anno 1156 den her- umliegenden Slaven, daß ſie nicht allein die Feſttage zur Kirche kaͤmen, das Wort GOttes zu hoͤren, ſondern auch ihre Todten auf den Kirchhof zu begraben braͤchten. Helmold libr. 1. c. 83. n. 18. Daher nach Verbindung der Deutſchen und Lieflaͤn- diſchen Ritter die Neubekehrten dem 1249 nach Preuſſen abgeſchickten paͤbſtlichen Ge- ſandten unter andern verſprachen, daß ſie und ihre Erben in Verbrennung der Todten und in allen andern Stuͤcken, die Gebraͤuche der Heiden nicht weiter beobachten, ſon- dern ihre Todten, chriſtlichem Gebrauch nach, auf die Gottesaͤcker begraben wolten. Den ganzen Vergleich hat Hartknoch in des Duisburgenſis Chronicon Pruſſicum beygebracht. Nota. Jn dieſes Jahr ſetzet der Herr Paſtor Kelch die Erbauung des Doms zur alten Pernau. Wir ſprechen dieſer Stadt nicht gerne die Ehre des Alterthums ab; ſo viel iſt aber aus dieſem Werke erweißlich, daß, obgleich die Rigiſchen die Provinz Sa- letſa und Sogentagana ſehr ofte durchzogen, dennoch nirgends eine Spur vorkomt, wo nur einer Kirchenverfaſſung, geſchweige einer Stiftskirche Erwehnung geſchicht. Des S 2

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/103>, abgerufen am 24.11.2024.