Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.
"Al-Hafi denkt; Al-Hafi fühlt wie ich!" -- So lieblich klang des Voglers Pfeife, bis Der Gimpel in dem Netze war. -- Jch Geck! Jch eines Gecken Geck! Nathan. Gemach, mein Derwisch, Gemach! Derwisch. Ey was! -- Es wär' nicht Geckerey, Bey Hunderttausenden die Menschen drücken, Ausmärgeln, plündern, martern, würgen; und Ein Menschenfreund an Einzeln scheinen wollen? Es wär' nicht Geckerey, des Höchsten Milde, Die sonder Auswahl über Bös' und Gute Und Flur und Wüsteney, in Sonnenschein Und Regen sich verbreitet, -- nachzuäffen, Und nicht des Höchsten immer volle Hand Zu haben? Was? es wär' nicht Geckerey ... Nathan. Genug! hör auf! Derwisch.
Laßt meiner Geckerey Mich doch nur auch erwähnen! -- Was? es wäre Nicht Geckerey, an solchen Geckereyen Die gute Seite dennoch auszuspüren, Um Antheil, dieser guten Seite wegen, An dieser Geckerey zu nehmen? Heh? Das nicht? Nathan.
„Al-Hafi denkt; Al-Hafi fuͤhlt wie ich!“ — So lieblich klang des Voglers Pfeife, bis Der Gimpel in dem Netze war. — Jch Geck! Jch eines Gecken Geck! Nathan. Gemach, mein Derwiſch, Gemach! Derwiſch. Ey was! — Es waͤr’ nicht Geckerey, Bey Hunderttauſenden die Menſchen druͤcken, Ausmaͤrgeln, pluͤndern, martern, wuͤrgen; und Ein Menſchenfreund an Einzeln ſcheinen wollen? Es waͤr’ nicht Geckerey, des Hoͤchſten Milde, Die ſonder Auswahl uͤber Boͤſ’ und Gute Und Flur und Wuͤſteney, in Sonnenſchein Und Regen ſich verbreitet, — nachzuaͤffen, Und nicht des Hoͤchſten immer volle Hand Zu haben? Was? es waͤr’ nicht Geckerey ... Nathan. Genug! hoͤr auf! Derwiſch.
Laßt meiner Geckerey Mich doch nur auch erwaͤhnen! — Was? es waͤre Nicht Geckerey, an ſolchen Geckereyen Die gute Seite dennoch auszuſpuͤren, Um Antheil, dieſer guten Seite wegen, An dieſer Geckerey zu nehmen? Heh? Das nicht? Nathan.
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„Al-Hafi denkt; Al-Hafi fuͤhlt wie ich!“ —
So lieblich klang des Voglers Pfeife, bis
Der Gimpel in dem Netze war. — Jch Geck!
Jch eines Gecken Geck!
Nathan.
Gemach, mein Derwiſch,
Gemach!
Derwiſch.
Ey was! — Es waͤr’ nicht Geckerey,
Bey Hunderttauſenden die Menſchen druͤcken,
Ausmaͤrgeln, pluͤndern, martern, wuͤrgen; und
Ein Menſchenfreund an Einzeln ſcheinen wollen?
Es waͤr’ nicht Geckerey, des Hoͤchſten Milde,
Die ſonder Auswahl uͤber Boͤſ’ und Gute
Und Flur und Wuͤſteney, in Sonnenſchein
Und Regen ſich verbreitet, — nachzuaͤffen,
Und nicht des Hoͤchſten immer volle Hand
Zu haben? Was? es waͤr’ nicht Geckerey ...
Nathan.
Genug! hoͤr auf!
Derwiſch.
Laßt meiner Geckerey
Mich doch nur auch erwaͤhnen! — Was? es waͤre
Nicht Geckerey, an ſolchen Geckereyen
Die gute Seite dennoch auszuſpuͤren,
Um Antheil, dieſer guten Seite wegen,
An dieſer Geckerey zu nehmen? Heh?
Das nicht?
Nathan.
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Zitationshilfe: | Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/38>, abgerufen am 22.07.2024. |