Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.
Jch gern noch länger ausgehalten; gern! Es brachte mich doch immer auf Gedanken, Die gut und nützlich. Und wem schmeichelts doch Jm Grunde nicht, sich gar so werth und theuer, Von wems auch sey, gehalten fühlen, daß Er den Gedanken nicht ertragen kann, Er müß' einmal auf ewig uns entbehren! Sittah. Sehr wahr! Recha. Allein -- allein -- das geht zu weit! Dem kann ich nichts entgegensetzen; nicht Geduld, nicht Ueberlegung; nichts! Sittah. Was? wem? Recha. Was sie mir eben itzt entdeckt will haben. Sittah. Entdeckt? und eben itzt? Recha. Nur eben itzt! Wir nahten, auf dem Weg' hierher, uns einem Verfallnen Christentempel. Plötzlich stand Sie still; schien mit sich selbst zu kämpfen; blickte Mit nassen Augen bald gen Himmel, bald Auf mich. Komm, sprach sie endlich, laß uns hier Durch diesen Tempel in die Richte gehn! Sie
Jch gern noch laͤnger ausgehalten; gern! Es brachte mich doch immer auf Gedanken, Die gut und nuͤtzlich. Und wem ſchmeichelts doch Jm Grunde nicht, ſich gar ſo werth und theuer, Von wems auch ſey, gehalten fuͤhlen, daß Er den Gedanken nicht ertragen kann, Er muͤß’ einmal auf ewig uns entbehren! Sittah. Sehr wahr! Recha. Allein — allein — das geht zu weit! Dem kann ich nichts entgegenſetzen; nicht Geduld, nicht Ueberlegung; nichts! Sittah. Was? wem? Recha. Was ſie mir eben itzt entdeckt will haben. Sittah. Entdeckt? und eben itzt? Recha. Nur eben itzt! Wir nahten, auf dem Weg’ hierher, uns einem Verfallnen Chriſtentempel. Ploͤtzlich ſtand Sie ſtill; ſchien mit ſich ſelbſt zu kaͤmpfen; blickte Mit naſſen Augen bald gen Himmel, bald Auf mich. Komm, ſprach ſie endlich, laß uns hier Durch dieſen Tempel in die Richte gehn! Sie
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Es brachte mich doch immer auf Gedanken,
Die gut und nuͤtzlich. Und wem ſchmeichelts doch
Jm Grunde nicht, ſich gar ſo werth und theuer,
Von wems auch ſey, gehalten fuͤhlen, daß
Er den Gedanken nicht ertragen kann,
Er muͤß’ einmal auf ewig uns entbehren!
Sittah.
Sehr wahr!
Recha.
Allein — allein — das geht zu weit!
Dem kann ich nichts entgegenſetzen; nicht
Geduld, nicht Ueberlegung; nichts!
Sittah.
Was? wem?
Recha.
Was ſie mir eben itzt entdeckt will haben.
Sittah.
Entdeckt? und eben itzt?
Recha.
Nur eben itzt!
Wir nahten, auf dem Weg’ hierher, uns einem
Verfallnen Chriſtentempel. Ploͤtzlich ſtand
Sie ſtill; ſchien mit ſich ſelbſt zu kaͤmpfen; blickte
Mit naſſen Augen bald gen Himmel, bald
Auf mich. Komm, ſprach ſie endlich, laß uns hier
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