Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.
Allein befand, und sein ergiessend Herz Die andern zwey nicht theilten, -- würdiger Des Ringes; den er denn auch einem jeden Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen. Das ging nun so, so lang es ging. -- Allein Es kam zum Sterben, und der gute Vater Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwey Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort Verlassen, so zu kräuken. -- Was zu thun? -- Er sendet in geheim zu einem Künstler, Bey dem er, nach dem Muster seines Ringes, Zwey andere bestellt, und weder Kosten Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich, Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt, Kann selbst der Vater seinen Musterring Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft Er seine Söhne, jeden ins besondre; Giebt jedem ins besondre seinen Seegen, -- Und seinen Ring, -- und stirbt. -- Du hörst doch, Sultan? Saladin. (der sich betroffen von ihm gewandt.) Jch hör, ich höre! -- Komm mit deinem Mährchen Nur bald zu Ende. -- Wirds? Nathan. Jch bin zu Ende. Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. -- Kaum war der Vater todt, so kömmt ein jeder Mit
Allein befand, und ſein ergieſſend Herz Die andern zwey nicht theilten, — wuͤrdiger Des Ringes; den er denn auch einem jeden Die fromme Schwachheit hatte, zu verſprechen. Das ging nun ſo, ſo lang es ging. — Allein Es kam zum Sterben, und der gute Vater Koͤmmt in Verlegenheit. Es ſchmerzt ihn, zwey Von ſeinen Soͤhnen, die ſich auf ſein Wort Verlaſſen, ſo zu kraͤuken. — Was zu thun? — Er ſendet in geheim zu einem Kuͤnſtler, Bey dem er, nach dem Muſter ſeines Ringes, Zwey andere beſtellt, und weder Koſten Noch Muͤhe ſparen heißt, ſie jenem gleich, Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt Dem Kuͤnſtler. Da er ihm die Ringe bringt, Kann ſelbſt der Vater ſeinen Muſterring Nicht unterſcheiden. Froh und freudig ruft Er ſeine Soͤhne, jeden ins beſondre; Giebt jedem ins beſondre ſeinen Seegen, — Und ſeinen Ring, — und ſtirbt. — Du hoͤrſt doch, Sultan? Saladin. (der ſich betroffen von ihm gewandt.) Jch hoͤr, ich hoͤre! — Komm mit deinem Maͤhrchen Nur bald zu Ende. — Wirds? Nathan. Jch bin zu Ende. Denn was noch folgt, verſteht ſich ja von ſelbſt. — Kaum war der Vater todt, ſo koͤmmt ein jeder Mit
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#NAT"> <p><pb facs="#f0130" n="122"/> Allein befand, und ſein ergieſſend Herz<lb/> Die andern zwey nicht theilten, — wuͤrdiger<lb/> Des Ringes; den er denn auch einem jeden<lb/> Die fromme Schwachheit hatte, zu verſprechen.<lb/> Das ging nun ſo, ſo lang es ging. — Allein<lb/> Es kam zum Sterben, und der gute Vater<lb/> Koͤmmt in Verlegenheit. Es ſchmerzt ihn, zwey<lb/> Von ſeinen Soͤhnen, die ſich auf ſein Wort<lb/> Verlaſſen, ſo zu kraͤuken. — Was zu thun? —<lb/> Er ſendet in geheim zu einem Kuͤnſtler,<lb/> Bey dem er, nach dem Muſter ſeines Ringes,<lb/> Zwey andere beſtellt, und weder Koſten<lb/> Noch Muͤhe ſparen heißt, ſie jenem gleich,<lb/> Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt<lb/> Dem Kuͤnſtler. Da er ihm die Ringe bringt,<lb/> Kann ſelbſt der Vater ſeinen Muſterring<lb/> Nicht unterſcheiden. Froh und freudig ruft<lb/> Er ſeine Soͤhne, jeden ins beſondre;<lb/> Giebt jedem ins beſondre ſeinen Seegen, —<lb/> Und ſeinen Ring, — und ſtirbt. — Du hoͤrſt doch, Sultan?</p> </sp><lb/> <sp who="#SAL"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Saladin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <stage>(der ſich betroffen von ihm gewandt.)</stage><lb/> <p>Jch hoͤr, ich hoͤre! — Komm mit deinem Maͤhrchen<lb/> Nur bald zu Ende. — Wirds?</p> </sp><lb/> <sp who="#NAT"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Nathan.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Jch bin zu Ende.</hi><lb/> Denn was noch folgt, verſteht ſich ja von ſelbſt. —<lb/> Kaum war der Vater todt, ſo koͤmmt ein jeder<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Mit</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0130]
Allein befand, und ſein ergieſſend Herz
Die andern zwey nicht theilten, — wuͤrdiger
Des Ringes; den er denn auch einem jeden
Die fromme Schwachheit hatte, zu verſprechen.
Das ging nun ſo, ſo lang es ging. — Allein
Es kam zum Sterben, und der gute Vater
Koͤmmt in Verlegenheit. Es ſchmerzt ihn, zwey
Von ſeinen Soͤhnen, die ſich auf ſein Wort
Verlaſſen, ſo zu kraͤuken. — Was zu thun? —
Er ſendet in geheim zu einem Kuͤnſtler,
Bey dem er, nach dem Muſter ſeines Ringes,
Zwey andere beſtellt, und weder Koſten
Noch Muͤhe ſparen heißt, ſie jenem gleich,
Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt
Dem Kuͤnſtler. Da er ihm die Ringe bringt,
Kann ſelbſt der Vater ſeinen Muſterring
Nicht unterſcheiden. Froh und freudig ruft
Er ſeine Soͤhne, jeden ins beſondre;
Giebt jedem ins beſondre ſeinen Seegen, —
Und ſeinen Ring, — und ſtirbt. — Du hoͤrſt doch, Sultan?
Saladin.
(der ſich betroffen von ihm gewandt.)
Jch hoͤr, ich hoͤre! — Komm mit deinem Maͤhrchen
Nur bald zu Ende. — Wirds?
Nathan.
Jch bin zu Ende.
Denn was noch folgt, verſteht ſich ja von ſelbſt. —
Kaum war der Vater todt, ſo koͤmmt ein jeder
Mit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |