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Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.

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Ein Bild der Deinen, das in deiner Seele
Noch nicht verloschen, sollte mehr vermögen,
Als die ich sehn, und greifen kann, und hören,
Die Meinen?
Daja.
Sperre dich, so viel du willst!
Des Himmels Wege sind des Himmels Wege.
Und wenn es nun dein Retter selber wäre,
Durch den sein Gott, für den er kämpft, dich in
Das Land, dich zu dem Volke führen wollte,
Für welche du geboren wurdest?
Recha.
Daja!
Was sprichst du da nun wieder, liebe Daja!
Du hast doch wahrlich deine sonderbaren
Begriffe! "Sein, sein Gott! für den er kämpft!"
Wem eignet Gott? was ist das für ein Gott,
Der einem Menschen eignet? der für sich
Muß kämpfen lassen? -- und wie weiß
Man denn, für welchen Erdklos man geboren,
Wenn mans für den nicht ist, auf welchem man
Geboren? -- Wenn mein Vater dich so hörte! --
Was that er dir, mir immer nur mein Glück
So weit von ihm als möglich vorzuspiegeln?
Was that er dir, den Saamen der Vernunft,
Den er so rein in meine Seele streute,
Mit deines Landes Unkraut oder Blumen
So gern zu mischen? -- Liebe, liebe Daja,
Er
G 2
Ein Bild der Deinen, das in deiner Seele
Noch nicht verloſchen, ſollte mehr vermoͤgen,
Als die ich ſehn, und greifen kann, und hoͤren,
Die Meinen?
Daja.
Sperre dich, ſo viel du willſt!
Des Himmels Wege ſind des Himmels Wege.
Und wenn es nun dein Retter ſelber waͤre,
Durch den ſein Gott, fuͤr den er kaͤmpft, dich in
Das Land, dich zu dem Volke fuͤhren wollte,
Fuͤr welche du geboren wurdeſt?
Recha.
Daja!
Was ſprichſt du da nun wieder, liebe Daja!
Du haſt doch wahrlich deine ſonderbaren
Begriffe! „Sein, ſein Gott! fuͤr den er kaͤmpft!“
Wem eignet Gott? was iſt das fuͤr ein Gott,
Der einem Menſchen eignet? der fuͤr ſich
Muß kaͤmpfen laſſen? — und wie weiß
Man denn, fuͤr welchen Erdklos man geboren,
Wenn mans fuͤr den nicht iſt, auf welchem man
Geboren? — Wenn mein Vater dich ſo hoͤrte! —
Was that er dir, mir immer nur mein Gluͤck
So weit von ihm als moͤglich vorzuſpiegeln?
Was that er dir, den Saamen der Vernunft,
Den er ſo rein in meine Seele ſtreute,
Mit deines Landes Unkraut oder Blumen
So gern zu miſchen? — Liebe, liebe Daja,
Er
G 2
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[99/0107] Ein Bild der Deinen, das in deiner Seele Noch nicht verloſchen, ſollte mehr vermoͤgen, Als die ich ſehn, und greifen kann, und hoͤren, Die Meinen? Daja. Sperre dich, ſo viel du willſt! Des Himmels Wege ſind des Himmels Wege. Und wenn es nun dein Retter ſelber waͤre, Durch den ſein Gott, fuͤr den er kaͤmpft, dich in Das Land, dich zu dem Volke fuͤhren wollte, Fuͤr welche du geboren wurdeſt? Recha. Daja! Was ſprichſt du da nun wieder, liebe Daja! Du haſt doch wahrlich deine ſonderbaren Begriffe! „Sein, ſein Gott! fuͤr den er kaͤmpft!“ Wem eignet Gott? was iſt das fuͤr ein Gott, Der einem Menſchen eignet? der fuͤr ſich Muß kaͤmpfen laſſen? — und wie weiß Man denn, fuͤr welchen Erdklos man geboren, Wenn mans fuͤr den nicht iſt, auf welchem man Geboren? — Wenn mein Vater dich ſo hoͤrte! — Was that er dir, mir immer nur mein Gluͤck So weit von ihm als moͤglich vorzuſpiegeln? Was that er dir, den Saamen der Vernunft, Den er ſo rein in meine Seele ſtreute, Mit deines Landes Unkraut oder Blumen So gern zu miſchen? — Liebe, liebe Daja, Er G 2

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/107>, abgerufen am 22.11.2024.