Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.oder das Soldatenglück. Das Fräulein. O, über die Vorbitterinn! Als ob der Knoten sich nicht von selbst bald lösen müßte. v. Tellheim. (nachdem er gelesen, mit der lebhaf- testen Rührung) Ha! er hat sich auch hier nicht verleugnet! -- O, mein Fräulein, welche Ge- rechtigkeit! -- Welche Gnade! -- Das ist mehr, als ich erwartet! -- Mehr, als ich verdiene! -- Mein Glück, meine Ehre, alles ist wiederher- gestellt! -- Jch träume doch nicht? (indem er wie- der in den Brief sieht, als um sich nochmals zu überzeugen) Nein, kein Blendwerk meiner Wünsche! -- Lesen Sie selbst, mein Fräulein; lesen Sie selbst. Das Fräulein. Jch bin nicht so unbescheiden, Herr Major. v. Tellheim. Unbescheiden? Der Brief ist an mich; an ihren Tellheim, Minna. Er ent- hält, -- was Jhnen Jhr Oheim nicht nehmen kann. Sie müssen ihn lesen; lesen Sie doch! Das Fräulein. Wenn Jhnen ein Gefalle damit geschieht, Herr Major -- (sie nimmt den Brief und lieset) "Mein lieber Major von Tellheim! "Jch thue Euch zu wissen, daß der "Handel, der mich um Eure Ehre besorgt "machte, L 5
oder das Soldatengluͤck. Das Fraͤulein. O, uͤber die Vorbitterinn! Als ob der Knoten ſich nicht von ſelbſt bald loͤſen muͤßte. v. Tellheim. (nachdem er geleſen, mit der lebhaf- teſten Ruͤhrung) Ha! er hat ſich auch hier nicht verleugnet! — O, mein Fraͤulein, welche Ge- rechtigkeit! — Welche Gnade! — Das iſt mehr, als ich erwartet! — Mehr, als ich verdiene! — Mein Gluͤck, meine Ehre, alles iſt wiederher- geſtellt! — Jch traͤume doch nicht? (indem er wie- der in den Brief ſieht, als um ſich nochmals zu uͤberzeugen) Nein, kein Blendwerk meiner Wuͤnſche! — Leſen Sie ſelbſt, mein Fraͤulein; leſen Sie ſelbſt. Das Fraͤulein. Jch bin nicht ſo unbeſcheiden, Herr Major. v. Tellheim. Unbeſcheiden? Der Brief iſt an mich; an ihren Tellheim, Minna. Er ent- haͤlt, — was Jhnen Jhr Oheim nicht nehmen kann. Sie muͤſſen ihn leſen; leſen Sie doch! Das Fraͤulein. Wenn Jhnen ein Gefalle damit geſchieht, Herr Major — (ſie nimmt den Brief und lieſet) „Mein lieber Major von Tellheim! „Jch thue Euch zu wiſſen, daß der „Handel, der mich um Eure Ehre beſorgt „machte, L 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FRA"> <pb facs="#f0173" n="169"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">oder das Soldatengluͤck.</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </sp><lb/> <sp who="#MIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Das Fraͤulein.</hi> </speaker> <p>O, uͤber die Vorbitterinn! Als<lb/> ob der Knoten ſich nicht von ſelbſt bald loͤſen muͤßte.</p> </sp><lb/> <sp who="#TEL"> <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker> <stage>(nachdem er geleſen, mit der lebhaf-<lb/> teſten Ruͤhrung)</stage> <p>Ha! er hat ſich auch hier nicht<lb/> verleugnet! — O, mein Fraͤulein, welche Ge-<lb/> rechtigkeit! — Welche Gnade! — Das iſt mehr,<lb/> als ich erwartet! — Mehr, als ich verdiene! —<lb/> Mein Gluͤck, meine Ehre, alles iſt wiederher-<lb/> geſtellt! — Jch traͤume doch nicht?</p> <stage>(indem er wie-<lb/> der in den Brief ſieht, als um ſich nochmals zu uͤberzeugen)</stage><lb/> <p>Nein, kein Blendwerk meiner Wuͤnſche! — Leſen<lb/> Sie ſelbſt, mein Fraͤulein; leſen Sie ſelbſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#MIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Das Fraͤulein.</hi> </speaker> <p>Jch bin nicht ſo unbeſcheiden,<lb/> Herr Major.</p> </sp><lb/> <sp who="#TEL"> <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker> <p>Unbeſcheiden? Der Brief iſt<lb/> an mich; an ihren Tellheim, Minna. Er ent-<lb/> haͤlt, — was Jhnen Jhr Oheim nicht nehmen<lb/> kann. Sie muͤſſen ihn leſen; leſen Sie doch!</p> </sp><lb/> <sp who="#MIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Das Fraͤulein.</hi> </speaker> <p>Wenn Jhnen ein Gefalle damit<lb/> geſchieht, Herr Major —</p> <stage>(ſie nimmt den Brief und lieſet)</stage><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">„Mein lieber Major von Tellheim!</hi> </hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">„Jch thue Euch zu wiſſen, daß der<lb/> „Handel, der mich um Eure Ehre beſorgt</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">L 5</fw> <fw place="bottom" type="catch">„machte,</fw><lb/> </p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0173]
oder das Soldatengluͤck.
Das Fraͤulein. O, uͤber die Vorbitterinn! Als
ob der Knoten ſich nicht von ſelbſt bald loͤſen muͤßte.
v. Tellheim. (nachdem er geleſen, mit der lebhaf-
teſten Ruͤhrung) Ha! er hat ſich auch hier nicht
verleugnet! — O, mein Fraͤulein, welche Ge-
rechtigkeit! — Welche Gnade! — Das iſt mehr,
als ich erwartet! — Mehr, als ich verdiene! —
Mein Gluͤck, meine Ehre, alles iſt wiederher-
geſtellt! — Jch traͤume doch nicht? (indem er wie-
der in den Brief ſieht, als um ſich nochmals zu uͤberzeugen)
Nein, kein Blendwerk meiner Wuͤnſche! — Leſen
Sie ſelbſt, mein Fraͤulein; leſen Sie ſelbſt.
Das Fraͤulein. Jch bin nicht ſo unbeſcheiden,
Herr Major.
v. Tellheim. Unbeſcheiden? Der Brief iſt
an mich; an ihren Tellheim, Minna. Er ent-
haͤlt, — was Jhnen Jhr Oheim nicht nehmen
kann. Sie muͤſſen ihn leſen; leſen Sie doch!
Das Fraͤulein. Wenn Jhnen ein Gefalle damit
geſchieht, Herr Major — (ſie nimmt den Brief und lieſet)
„Mein lieber Major von Tellheim!
„Jch thue Euch zu wiſſen, daß der
„Handel, der mich um Eure Ehre beſorgt
„machte,
L 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |