Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
Minna von Barnhelm,


war!
(das Fräulein schenkt indeß selbst ein) Wer wird
einem Bettler so viel geben? Und ihm noch dazu
die Erniedrigung, es erbettelt zu haben, zu erspa-
ren suchen? Den Mildthätigen, der den Bettler
aus Großmuth verkennen will, verkennt der
Bettler wieder. Nun mögen Sie es haben,
Fräulein, wenn er Jhre Gabe, ich weiß nicht
wofür, ansieht. --
(und reicht der Franciska eine Tasse)
Wollen Sie mir das Blut noch mehr in Wallung
bringen? Jch mag nicht trinken.
(das Fräulein setzt
sie wieder weg)
-- "Parbleu, Jhro Gnad, man kenn
sir hier nit auf den Verdienst"
(in dem Tone des
Franzosen)
Freylich nicht, wenn man die Spitz-
buben so ungehangen herumlauffen läßt.
Das Fräulein. (kalt und nachdenkend, indem sie
trinkt)
Mädchen, du verstehst dich so trefflich auf
die guten Menschen: aber, wenn willst du die
schlechten ertragen lernen? -- Und sie sind doch
auch Menschen. -- Und öfters bey weitem so
schlechte Menschen nicht, als sie scheinen. --
Man muß ihre gute Seite nur aufsuchen. -- Jch
bilde mir ein, dieser Franzose ist nichts als eitel.
Aus blosser Eitelkeit macht er sich zum falschen
Spie-
Minna von Barnhelm,


war!
(das Fraͤulein ſchenkt indeß ſelbſt ein) Wer wird
einem Bettler ſo viel geben? Und ihm noch dazu
die Erniedrigung, es erbettelt zu haben, zu erſpa-
ren ſuchen? Den Mildthaͤtigen, der den Bettler
aus Großmuth verkennen will, verkennt der
Bettler wieder. Nun moͤgen Sie es haben,
Fraͤulein, wenn er Jhre Gabe, ich weiß nicht
wofuͤr, anſieht. —
(und reicht der Franciska eine Taſſe)
Wollen Sie mir das Blut noch mehr in Wallung
bringen? Jch mag nicht trinken.
(das Fraͤulein ſetzt
ſie wieder weg)
— „Parbleu, Jhro Gnad, man kenn
ſir hier nit auf den Verdienſt„
(in dem Tone des
Franzoſen)
Freylich nicht, wenn man die Spitz-
buben ſo ungehangen herumlauffen laͤßt.
Das Fraͤulein. (kalt und nachdenkend, indem ſie
trinkt)
Maͤdchen, du verſtehſt dich ſo trefflich auf
die guten Menſchen: aber, wenn willſt du die
ſchlechten ertragen lernen? — Und ſie ſind doch
auch Menſchen. — Und oͤfters bey weitem ſo
ſchlechte Menſchen nicht, als ſie ſcheinen. —
Man muß ihre gute Seite nur aufſuchen. — Jch
bilde mir ein, dieſer Franzoſe iſt nichts als eitel.
Aus bloſſer Eitelkeit macht er ſich zum falſchen
Spie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#FRA">
            <p><pb facs="#f0132" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Minna von Barnhelm,</hi></fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
war!</p>
            <stage>(das Fra&#x0364;ulein &#x017F;chenkt indeß &#x017F;elb&#x017F;t ein)</stage>
            <p>Wer wird<lb/>
einem Bettler &#x017F;o viel geben? Und ihm noch dazu<lb/>
die Erniedrigung, es erbettelt zu haben, zu er&#x017F;pa-<lb/>
ren &#x017F;uchen? Den Mildtha&#x0364;tigen, der den Bettler<lb/>
aus Großmuth verkennen will, verkennt der<lb/>
Bettler wieder. Nun mo&#x0364;gen Sie es haben,<lb/>
Fra&#x0364;ulein, wenn er Jhre Gabe, ich weiß nicht<lb/>
wofu&#x0364;r, an&#x017F;ieht. &#x2014;</p>
            <stage>(und reicht der Franciska eine Ta&#x017F;&#x017F;e)</stage><lb/>
            <p>Wollen Sie mir das Blut noch mehr in Wallung<lb/>
bringen? Jch mag nicht trinken.</p>
            <stage>(das Fra&#x0364;ulein &#x017F;etzt<lb/>
&#x017F;ie wieder weg)</stage>
            <p>&#x2014; &#x201E;<hi rendition="#aq">Parbleu,</hi> Jhro Gnad, man kenn<lb/>
&#x017F;ir hier nit auf den Verdien&#x017F;t&#x201E;</p>
            <stage>(in dem Tone des<lb/>
Franzo&#x017F;en)</stage>
            <p>Freylich nicht, wenn man die Spitz-<lb/>
buben &#x017F;o ungehangen herumlauffen la&#x0364;ßt.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MIN">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Das Fra&#x0364;ulein.</hi> </speaker>
            <stage>(kalt und nachdenkend, indem &#x017F;ie<lb/>
trinkt)</stage>
            <p>Ma&#x0364;dchen, du ver&#x017F;teh&#x017F;t dich &#x017F;o trefflich auf<lb/>
die guten Men&#x017F;chen: aber, wenn will&#x017F;t du die<lb/>
&#x017F;chlechten ertragen lernen? &#x2014; Und &#x017F;ie &#x017F;ind doch<lb/>
auch Men&#x017F;chen. &#x2014; Und o&#x0364;fters bey weitem &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlechte Men&#x017F;chen nicht, als &#x017F;ie &#x017F;cheinen. &#x2014;<lb/>
Man muß ihre gute Seite nur auf&#x017F;uchen. &#x2014; Jch<lb/>
bilde mir ein, die&#x017F;er Franzo&#x017F;e i&#x017F;t nichts als eitel.<lb/>
Aus blo&#x017F;&#x017F;er Eitelkeit macht er &#x017F;ich zum fal&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Spie-</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0132] Minna von Barnhelm, war! (das Fraͤulein ſchenkt indeß ſelbſt ein) Wer wird einem Bettler ſo viel geben? Und ihm noch dazu die Erniedrigung, es erbettelt zu haben, zu erſpa- ren ſuchen? Den Mildthaͤtigen, der den Bettler aus Großmuth verkennen will, verkennt der Bettler wieder. Nun moͤgen Sie es haben, Fraͤulein, wenn er Jhre Gabe, ich weiß nicht wofuͤr, anſieht. — (und reicht der Franciska eine Taſſe) Wollen Sie mir das Blut noch mehr in Wallung bringen? Jch mag nicht trinken. (das Fraͤulein ſetzt ſie wieder weg) — „Parbleu, Jhro Gnad, man kenn ſir hier nit auf den Verdienſt„ (in dem Tone des Franzoſen) Freylich nicht, wenn man die Spitz- buben ſo ungehangen herumlauffen laͤßt. Das Fraͤulein. (kalt und nachdenkend, indem ſie trinkt) Maͤdchen, du verſtehſt dich ſo trefflich auf die guten Menſchen: aber, wenn willſt du die ſchlechten ertragen lernen? — Und ſie ſind doch auch Menſchen. — Und oͤfters bey weitem ſo ſchlechte Menſchen nicht, als ſie ſcheinen. — Man muß ihre gute Seite nur aufſuchen. — Jch bilde mir ein, dieſer Franzoſe iſt nichts als eitel. Aus bloſſer Eitelkeit macht er ſich zum falſchen Spie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/132
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/132>, abgerufen am 24.11.2024.