Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
XXVIII.
Die Furien.

Meine Furien, sagte Pluto zu dem Bothen der
Götter, werden alt und stumpf. Ich brauche
frische. Geh also, Merkur, und suche mir auf der
Oberwelt drey tüchtige Weibespersonen dazu aus.
Merkur ging. --

Kurz hierauf sagte Juno zu ihrer Dienerin:
Glaubtest du wohl, Iris, unter den Sterblichen
zwey oder drey vollkommen strenge, züchtige Mäd-
chen zu finden? Aber vollkommen strenge! Ver-
stehst du mich? Um Cytheren Hohn zu sprechen,
die sich das ganze weibliche Geschlecht unterworfen
zu haben, rühmet. Geh immer, und sieh, wo
du sie auftreibest. Iris ging. --

In welchem Winkel der Erde suchte nicht die
gute Iris! Und dennoch umsonst! Sie kam ganz
allein wieder, und Juno rief ihr entgegen: Ist es
möglich? O Keuschheit! O Tugend!

Göttin,
E 3
XXVIII.
Die Furien.

Meine Furien, ſagte Pluto zu dem Bothen der
Götter, werden alt und ſtumpf. Ich brauche
friſche. Geh alſo, Merkur, und ſuche mir auf der
Oberwelt drey tüchtige Weibesperſonen dazu aus.
Merkur ging. —

Kurz hierauf ſagte Juno zu ihrer Dienerin:
Glaubteſt du wohl, Iris, unter den Sterblichen
zwey oder drey vollkommen ſtrenge, züchtige Mäd-
chen zu finden? Aber vollkommen ſtrenge! Ver-
ſtehſt du mich? Um Cytheren Hohn zu ſprechen,
die ſich das ganze weibliche Geſchlecht unterworfen
zu haben, rühmet. Geh immer, und ſieh, wo
du ſie auftreibeſt. Iris ging. —

In welchem Winkel der Erde ſuchte nicht die
gute Iris! Und dennoch umſonſt! Sie kam ganz
allein wieder, und Juno rief ihr entgegen: Iſt es
möglich? O Keuſchheit! O Tugend!

Göttin,
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0089" n="69"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">XXVIII.</hi><lb/>
Die <hi rendition="#fr">Furien.</hi></hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">M</hi>eine Furien, &#x017F;agte Pluto zu dem Bothen der<lb/>
Götter, werden alt und &#x017F;tumpf. Ich brauche<lb/>
fri&#x017F;che. Geh al&#x017F;o, Merkur, und &#x017F;uche mir auf der<lb/>
Oberwelt drey tüchtige Weibesper&#x017F;onen dazu aus.<lb/>
Merkur ging. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Kurz hierauf &#x017F;agte Juno zu ihrer Dienerin:<lb/>
Glaubte&#x017F;t du wohl, Iris, unter den Sterblichen<lb/>
zwey oder drey vollkommen &#x017F;trenge, züchtige Mäd-<lb/>
chen zu finden? Aber vollkommen &#x017F;trenge! Ver-<lb/>
&#x017F;teh&#x017F;t du mich? Um Cytheren Hohn zu &#x017F;prechen,<lb/>
die &#x017F;ich das ganze weibliche Ge&#x017F;chlecht unterworfen<lb/>
zu haben, rühmet. Geh immer, und &#x017F;ieh, wo<lb/>
du &#x017F;ie auftreibe&#x017F;t. Iris ging. &#x2014;</p><lb/>
          <p>In welchem Winkel der Erde &#x017F;uchte nicht die<lb/>
gute Iris! Und dennoch um&#x017F;on&#x017F;t! Sie kam ganz<lb/>
allein wieder, und Juno rief ihr entgegen: I&#x017F;t es<lb/>
möglich? O Keu&#x017F;chheit! O Tugend!</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">E 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Göttin,</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0089] XXVIII. Die Furien. Meine Furien, ſagte Pluto zu dem Bothen der Götter, werden alt und ſtumpf. Ich brauche friſche. Geh alſo, Merkur, und ſuche mir auf der Oberwelt drey tüchtige Weibesperſonen dazu aus. Merkur ging. — Kurz hierauf ſagte Juno zu ihrer Dienerin: Glaubteſt du wohl, Iris, unter den Sterblichen zwey oder drey vollkommen ſtrenge, züchtige Mäd- chen zu finden? Aber vollkommen ſtrenge! Ver- ſtehſt du mich? Um Cytheren Hohn zu ſprechen, die ſich das ganze weibliche Geſchlecht unterworfen zu haben, rühmet. Geh immer, und ſieh, wo du ſie auftreibeſt. Iris ging. — In welchem Winkel der Erde ſuchte nicht die gute Iris! Und dennoch umſonſt! Sie kam ganz allein wieder, und Juno rief ihr entgegen: Iſt es möglich? O Keuſchheit! O Tugend! Göttin, E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/89
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/89>, abgerufen am 22.12.2024.