Vater der Thiere und Menschen, so sprach das Pferd und nahte sich dem Throne des Zevs, man will, ich sey eines der schönsten Geschöpfe, womit du die Welt gezieret, und meine Eigenliebe heißt mich es glauben. Aber sollte gleichwohl nicht noch verschiednes an mir zu bessern seyn? --
Und was meinst du denn, daß an dir zu bessern sey? Rede; ich nehme Lehre an: sprach der gute Gott, und lächelte.
Vielleicht, sprach das Pferd weiter, würde ich flüchtiger seyn, wenn meine Beine höher und schmächtiger wären; ein langer Schwanenhals würde mich nicht verstellen; eine breitre Brust wür- de meine Stärke vermehren; und da du mich doch einmal bestimmt hast, deinen Liebling, den Men- schen zu tragen, so könnte mir ja wohl der Sattel anerschaffen seyn, den mir der wohlthätige Reiter auflegt.
Gut
V. Zevs und das Pferd.
Vater der Thiere und Menſchen, ſo ſprach das Pferd und nahte ſich dem Throne des Zevs, man will, ich ſey eines der ſchönſten Geſchöpfe, womit du die Welt gezieret, und meine Eigenliebe heißt mich es glauben. Aber ſollte gleichwohl nicht noch verſchiednes an mir zu beſſern ſeyn? —
Und was meinſt du denn, daß an dir zu beſſern ſey? Rede; ich nehme Lehre an: ſprach der gute Gott, und lächelte.
Vielleicht, ſprach das Pferd weiter, würde ich flüchtiger ſeyn, wenn meine Beine höher und ſchmächtiger wären; ein langer Schwanenhals würde mich nicht verſtellen; eine breitre Bruſt wür- de meine Stärke vermehren; und da du mich doch einmal beſtimmt haſt, deinen Liebling, den Men- ſchen zu tragen, ſo könnte mir ja wohl der Sattel anerſchaffen ſeyn, den mir der wohlthätige Reiter auflegt.
Gut
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V.
Zevs und das Pferd.
Vater der Thiere und Menſchen, ſo ſprach das
Pferd und nahte ſich dem Throne des Zevs, man
will, ich ſey eines der ſchönſten Geſchöpfe, womit
du die Welt gezieret, und meine Eigenliebe heißt
mich es glauben. Aber ſollte gleichwohl nicht noch
verſchiednes an mir zu beſſern ſeyn? —
Und was meinſt du denn, daß an dir zu beſſern
ſey? Rede; ich nehme Lehre an: ſprach der gute
Gott, und lächelte.
Vielleicht, ſprach das Pferd weiter, würde ich
flüchtiger ſeyn, wenn meine Beine höher und
ſchmächtiger wären; ein langer Schwanenhals
würde mich nicht verſtellen; eine breitre Bruſt wür-
de meine Stärke vermehren; und da du mich doch
einmal beſtimmt haſt, deinen Liebling, den Men-
ſchen zu tragen, ſo könnte mir ja wohl der Sattel
anerſchaffen ſeyn, den mir der wohlthätige Reiter
auflegt.
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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/28>, abgerufen am 04.03.2025.
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