Ego primam tollo, nominor quia leo, Secundam, quia sum fortis, tribuetis mihi; Tum quia plus valeo, me sequetur tertia; Male afficietur, si quis quartam tetigerit. Wie vortreflich hingegen ist sie im Griechischen! Der Löwe macht so gleich drey Theile; denn von jeder Beute ward bey den Alten ein Theil für den König oder für die Schatzkammer des Staats, bey Seite ge- legt. Und dieses Theil, sagt der Löwe, gehöret mir, basileus gar eimi; das zweyte Theil gehört mir auch, os ex isou koinonon, nach dem Rechte der gleichen Theilung; und das dritte Theil kakon mega soi poiesei, ei me etheles phugein. Fab. 11. Lib. I. Venari asello comite cum vellet leo, Contexit illum frutice, & admonuit simul, Ut insueta voce terreret feras &c. -- -- -- -- Quae dum paventes exitus notos petunt, Leonis affliguntur horrendo impetu. Der Löwe verbirgt den Esel in das Gesträuche; der Esel schreyet; die Thiere erschrecken in ihren Lagern, und da sie durch die bekannten Ausgänge davon fliehen wollen, fallen sie dem Löwen in die Klauen. Wie ging das zu? Konnte jedes nur durch Einen Ausgang davon kommen? Warum mußte es gleich den wählen, an welchem der Löwe lauerte? Oder konnte der Löwe überall seyn? -- Wie vortreflich
fallen
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Ego primam tollo, nominor quia leo, Secundam, quia ſum fortis, tribuetis mihi; Tum quia plus valeo, me ſequetur tertia; Male afficietur, ſi quis quartam tetigerit. Wie vortreflich hingegen iſt ſie im Griechiſchen! Der Löwe macht ſo gleich drey Theile; denn von jeder Beute ward bey den Alten ein Theil für den König oder für die Schatzkammer des Staats, bey Seite ge- legt. Und dieſes Theil, ſagt der Löwe, gehöret mir, βασιλευς γαρ ἐιμι; das zweyte Theil gehört mir auch, ὡς ἐξ ἰσου κοινωνων, nach dem Rechte der gleichen Theilung; und das dritte Theil κακον μεγα σοι ποιησει, εἰ μη ἑϑελης φυγειν. Fab. 11. Lib. I. Venari aſello comite cum vellet leo, Contexit illum frutice, & admonuit ſimul, Ut inſueta voce terreret feras &c. — — — — Quæ dum paventes exitus notos petunt, Leonis affliguntur horrendo impetu. Der Löwe verbirgt den Eſel in das Geſträuche; der Eſel ſchreyet; die Thiere erſchrecken in ihren Lagern, und da ſie durch die bekannten Ausgänge davon fliehen wollen, fallen ſie dem Löwen in die Klauen. Wie ging das zu? Konnte jedes nur durch Einen Ausgang davon kommen? Warum mußte es gleich den wählen, an welchem der Löwe lauerte? Oder konnte der Löwe überall ſeyn? — Wie vortreflich
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Ego primam tollo, nominor quia leo,
Secundam, quia ſum fortis, tribuetis mihi;
Tum quia plus valeo, me ſequetur tertia;
Male afficietur, ſi quis quartam tetigerit.
Wie vortreflich hingegen iſt ſie im Griechiſchen! Der
Löwe macht ſo gleich drey Theile; denn von jeder
Beute ward bey den Alten ein Theil für den König
oder für die Schatzkammer des Staats, bey Seite ge-
legt. Und dieſes Theil, ſagt der Löwe, gehöret
mir, βασιλευς γαρ ἐιμι; das zweyte Theil gehört
mir auch, ὡς ἐξ ἰσου κοινωνων, nach dem Rechte der
gleichen Theilung; und das dritte Theil κακον μεγα
σοι ποιησει, εἰ μη ἑϑελης φυγειν.
Fab. 11. Lib. I.
Venari aſello comite cum vellet leo,
Contexit illum frutice, & admonuit ſimul,
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Quæ dum paventes exitus notos petunt,
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Der Löwe verbirgt den Eſel in das Geſträuche; der
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und da ſie durch die bekannten Ausgänge davon
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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/251>, abgerufen am 16.02.2025.
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