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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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aber einen rühmlichen Platz darinn vergönnte, frey-
lich würde auch Er nunmehr zu dem Aesopus, so
wie ihn la Fontaine verkleidet hat, sagen: Freund,
wir kennen einander nicht mehr! Geh auch du dei-
nen Gang! Aber, was geht es uns an, was so ein
alter Grillenfänger, wie Plato, sagen würde? --

Vollkommen richtig! Unterdessen, da ich so sehr
billig bin, hoffe ich, daß man es auch einigermaas-
sen gegen mich seyn wird. Ich habe die erhabene
Absicht, der Welt mit meinen Fabeln zu belustigen,
leider nicht gehabt; ich hatte mein Augenmerk nur
immer auf diese oder jene Sittenlehre, die ich, meistens
zu meiner eigenen Erbauung, gern in besondern Fällen
übersehen wollte; und zu diesem Gebrauche glaubte
ich meine Erdichtungen nicht kurz, nicht trocken ge-
nug aufschreiben zu können. Wenn ich aber itzt die
Welt gleich nicht belustige; so könnte sie doch mit
der Zeit vielleicht durch mich belustiget werden. Man
erzehlt ja die neuen Fabeln des Abstemius, eben
sowohl als die alten Fabeln des Aesopus in Versen;
wer weis was meinen Fabeln aufbehalten ist, und
ob man auch sie nicht einmal mit aller möglichen
Lustigkeit erzehlet, wenn sie sich anders durch ihren

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aber einen rühmlichen Platz darinn vergönnte, frey-
lich würde auch Er nunmehr zu dem Aeſopus, ſo
wie ihn la Fontaine verkleidet hat, ſagen: Freund,
wir kennen einander nicht mehr! Geh auch du dei-
nen Gang! Aber, was geht es uns an, was ſo ein
alter Grillenfänger, wie Plato, ſagen würde? —

Vollkommen richtig! Unterdeſſen, da ich ſo ſehr
billig bin, hoffe ich, daß man es auch einigermaaſ-
ſen gegen mich ſeyn wird. Ich habe die erhabene
Abſicht, der Welt mit meinen Fabeln zu beluſtigen,
leider nicht gehabt; ich hatte mein Augenmerk nur
immer auf dieſe oder jene Sittenlehre, die ich, meiſtens
zu meiner eigenen Erbauung, gern in beſondern Fällen
überſehen wollte; und zu dieſem Gebrauche glaubte
ich meine Erdichtungen nicht kurz, nicht trocken ge-
nug aufſchreiben zu können. Wenn ich aber itzt die
Welt gleich nicht beluſtige; ſo könnte ſie doch mit
der Zeit vielleicht durch mich beluſtiget werden. Man
erzehlt ja die neuen Fabeln des Abſtemius, eben
ſowohl als die alten Fabeln des Aeſopus in Verſen;
wer weis was meinen Fabeln aufbehalten iſt, und
ob man auch ſie nicht einmal mit aller möglichen
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[227/0247] aber einen rühmlichen Platz darinn vergönnte, frey- lich würde auch Er nunmehr zu dem Aeſopus, ſo wie ihn la Fontaine verkleidet hat, ſagen: Freund, wir kennen einander nicht mehr! Geh auch du dei- nen Gang! Aber, was geht es uns an, was ſo ein alter Grillenfänger, wie Plato, ſagen würde? — Vollkommen richtig! Unterdeſſen, da ich ſo ſehr billig bin, hoffe ich, daß man es auch einigermaaſ- ſen gegen mich ſeyn wird. Ich habe die erhabene Abſicht, der Welt mit meinen Fabeln zu beluſtigen, leider nicht gehabt; ich hatte mein Augenmerk nur immer auf dieſe oder jene Sittenlehre, die ich, meiſtens zu meiner eigenen Erbauung, gern in beſondern Fällen überſehen wollte; und zu dieſem Gebrauche glaubte ich meine Erdichtungen nicht kurz, nicht trocken ge- nug aufſchreiben zu können. Wenn ich aber itzt die Welt gleich nicht beluſtige; ſo könnte ſie doch mit der Zeit vielleicht durch mich beluſtiget werden. Man erzehlt ja die neuen Fabeln des Abſtemius, eben ſowohl als die alten Fabeln des Aeſopus in Verſen; wer weis was meinen Fabeln aufbehalten iſt, und ob man auch ſie nicht einmal mit aller möglichen Luſtigkeit erzehlet, wenn ſie ſich anders durch ihren innern P 2

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/247>, abgerufen am 24.11.2024.