daß die Handlung zu Ende sey. Allein was folgt hieraus? Dieses: wem der Sprachgebrauch so gar heilig ist, daß er ihn auf keine Weise zu verletzen wagt, der enthalte sich des Wortes Handlung, in- sofern es eine wesentliche Eigenschaft der Fabel ausdrücken soll, ganz und gar. --
Und, alles wohl überlegt, dem Rathe werde ich selbst folgen. Ich will nicht sagen, die moralische Lehre werde in der Fabel durch eine Handlung aus- gedrückt; sondern ich will lieber ein Wort von einem weitern Umfange suchen und sagen, der allgemeine Satz werde durch die Fabel auf einen einzeln Fall zurückgeführet. Dieser einzelne Fall wird allezeit das seyn, was ich oben unter dem Worte Handlung verstanden habe; das aber, was Batteux darunter verstehet, wird er nur dann und wann seyn. Er wird allezeit eine Folge von Veränderun- gen seyn, die durch die Absicht, die der Fabulist da- mit verbindet, zu einem Ganzen werden. Sind sie es auch ausser dieser Absicht; desto besser! Eine Folge von Veränderungen -- daß es aber Verän- derungen freyer, moralischer Wesen seyn müssen,
verstehet
daß die Handlung zu Ende ſey. Allein was folgt hieraus? Dieſes: wem der Sprachgebrauch ſo gar heilig iſt, daß er ihn auf keine Weiſe zu verletzen wagt, der enthalte ſich des Wortes Handlung, in- ſofern es eine weſentliche Eigenſchaft der Fabel ausdrücken ſoll, ganz und gar. —
Und, alles wohl überlegt, dem Rathe werde ich ſelbſt folgen. Ich will nicht ſagen, die moraliſche Lehre werde in der Fabel durch eine Handlung aus- gedrückt; ſondern ich will lieber ein Wort von einem weitern Umfange ſuchen und ſagen, der allgemeine Satz werde durch die Fabel auf einen einzeln Fall zurückgeführet. Dieſer einzelne Fall wird allezeit das ſeyn, was ich oben unter dem Worte Handlung verſtanden habe; das aber, was Batteux darunter verſtehet, wird er nur dann und wann ſeyn. Er wird allezeit eine Folge von Veränderun- gen ſeyn, die durch die Abſicht, die der Fabuliſt da- mit verbindet, zu einem Ganzen werden. Sind ſie es auch auſſer dieſer Abſicht; deſto beſſer! Eine Folge von Veränderungen — daß es aber Verän- derungen freyer, moraliſcher Weſen ſeyn müſſen,
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daß die Handlung zu Ende ſey. Allein was folgt
hieraus? Dieſes: wem der Sprachgebrauch ſo gar
heilig iſt, daß er ihn auf keine Weiſe zu verletzen
wagt, der enthalte ſich des Wortes Handlung, in-
ſofern es eine weſentliche Eigenſchaft der Fabel
ausdrücken ſoll, ganz und gar. —
Und, alles wohl überlegt, dem Rathe werde ich
ſelbſt folgen. Ich will nicht ſagen, die moraliſche
Lehre werde in der Fabel durch eine Handlung aus-
gedrückt; ſondern ich will lieber ein Wort von einem
weitern Umfange ſuchen und ſagen, der allgemeine
Satz werde durch die Fabel auf einen einzeln
Fall zurückgeführet. Dieſer einzelne Fall wird
allezeit das ſeyn, was ich oben unter dem Worte
Handlung verſtanden habe; das aber, was Batteux
darunter verſtehet, wird er nur dann und wann
ſeyn. Er wird allezeit eine Folge von Veränderun-
gen ſeyn, die durch die Abſicht, die der Fabuliſt da-
mit verbindet, zu einem Ganzen werden. Sind
ſie es auch auſſer dieſer Abſicht; deſto beſſer! Eine
Folge von Veränderungen — daß es aber Verän-
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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/177>, abgerufen am 16.02.2025.
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