Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.ten zu ihrem vornehmsten Endzwecke. Er kann sie "Der Wolf be- "schuldi-
ten zu ihrem vornehmſten Endzwecke. Er kann ſie „Der Wolf be- „ſchuldi-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0174" n="154"/> ten zu ihrem vornehmſten Endzwecke. Er kann ſie<lb/> aber nicht anders erregen, als durch nachgeahmte<lb/> Leidenſchaften; und nachahmen kann er die Leiden-<lb/> ſchaften nicht anders, als wenn er ihnen gewiſſe<lb/> Ziele ſetzet, welchen ſie ſich zu nähern, oder von<lb/> welchen ſie ſich zu entfernen ſtreben. Er muß alſo<lb/> in die Handlung ſelbſt Abſichten legen, und dieſe<lb/> Abſichten unter eine Hauptabſicht ſo zu bringen wiſ-<lb/> ſen, daß verſchiedene Leidenſchaften neben einander<lb/> beſtehen können. Der Fabuliſte hingegen hat mit<lb/> unſern Leidenſchaften nichts zu thun, ſondern allein<lb/> mit unſerer Erkenntniß. Er will uns von irgend einer<lb/> einzeln moraliſchen Wahrheit lebendig überzeugen.<lb/> Das iſt ſeine Abſicht, und dieſe ſucht er, nach Maaß-<lb/> gebung der Wahrheit, durch die ſinnliche Vorſtel-<lb/> lung einer Handlung bald mit, bald ohne Abſichten,<lb/> zu erhalten. So bald er ſie erhalten hat, iſt es ihm<lb/> gleich viel, ob die von ihm erdichtete Handlung ihre<lb/> innere Endſchaft erreicht hat, oder nicht. Er läßt<lb/> ſeine Perſonen oft mitten auf dem Wege ſtehen, und<lb/> denket in geringſten nicht daran, unſerer Neugierde<lb/> ihretwegen ein Genüge zu thun.</p> <cit> <quote>„Der Wolf be-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">„ſchuldi-</fw><lb/></quote> </cit> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [154/0174]
ten zu ihrem vornehmſten Endzwecke. Er kann ſie
aber nicht anders erregen, als durch nachgeahmte
Leidenſchaften; und nachahmen kann er die Leiden-
ſchaften nicht anders, als wenn er ihnen gewiſſe
Ziele ſetzet, welchen ſie ſich zu nähern, oder von
welchen ſie ſich zu entfernen ſtreben. Er muß alſo
in die Handlung ſelbſt Abſichten legen, und dieſe
Abſichten unter eine Hauptabſicht ſo zu bringen wiſ-
ſen, daß verſchiedene Leidenſchaften neben einander
beſtehen können. Der Fabuliſte hingegen hat mit
unſern Leidenſchaften nichts zu thun, ſondern allein
mit unſerer Erkenntniß. Er will uns von irgend einer
einzeln moraliſchen Wahrheit lebendig überzeugen.
Das iſt ſeine Abſicht, und dieſe ſucht er, nach Maaß-
gebung der Wahrheit, durch die ſinnliche Vorſtel-
lung einer Handlung bald mit, bald ohne Abſichten,
zu erhalten. So bald er ſie erhalten hat, iſt es ihm
gleich viel, ob die von ihm erdichtete Handlung ihre
innere Endſchaft erreicht hat, oder nicht. Er läßt
ſeine Perſonen oft mitten auf dem Wege ſtehen, und
denket in geringſten nicht daran, unſerer Neugierde
ihretwegen ein Genüge zu thun.
„Der Wolf be-
„ſchuldi-
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