wahrlich der Dichter die fictae causae des Wolfs sehr vergebens, sehr für die lange Weile erfunden; seine Fabel sagte mehr, als er damit hätte sagen wollen, und wäre, mit einem Worte, schlecht.
Ich will mich nicht in mehrere Exempel zerstreuen. Man untersuche es nur selbst, und man wird durch- gängig finden, daß es bloß von der Beschaffenheit des Lehrsatzes abhängt, ob die Fabel eine solche Handlung, wie sie Batteux ohne Ausnahme fodert, haben muß oder entbehren kann. Der Lehrsatz der itzt erwehnten Fabel des Phädrus, machte sie wie wir gesehen, nothwendig; aber thun es deswe- gen alle Lehrsätze? Sind alle Lehrsätze von dieser Art? Oder haben allein die, welche es sind, das Recht, in eine Fabel eingekleidet zu werden? Ist z. E. der Erfahrungssatz:
Laudatis utiliora quae contemseris Saepe inveniri
nicht werth, in einem einzeln Falle, welcher die Stelle einer Demonstration vertreten kann, er- kannt zu werden? Und wenn er es ist, was für ein Unternehmen, was für eine Absicht, was für eine
Wahl
wahrlich der Dichter die fictæ cauſæ des Wolfs ſehr vergebens, ſehr für die lange Weile erfunden; ſeine Fabel ſagte mehr, als er damit hätte ſagen wollen, und wäre, mit einem Worte, ſchlecht.
Ich will mich nicht in mehrere Exempel zerſtreuen. Man unterſuche es nur ſelbſt, und man wird durch- gängig finden, daß es bloß von der Beſchaffenheit des Lehrſatzes abhängt, ob die Fabel eine ſolche Handlung, wie ſie Batteux ohne Ausnahme fodert, haben muß oder entbehren kann. Der Lehrſatz der itzt erwehnten Fabel des Phädrus, machte ſie wie wir geſehen, nothwendig; aber thun es deswe- gen alle Lehrſätze? Sind alle Lehrſätze von dieſer Art? Oder haben allein die, welche es ſind, das Recht, in eine Fabel eingekleidet zu werden? Iſt z. E. der Erfahrungsſatz:
Laudatis utiliora quæ contemſeris Sæpe inveniri
nicht werth, in einem einzeln Falle, welcher die Stelle einer Demonſtration vertreten kann, er- kannt zu werden? Und wenn er es iſt, was für ein Unternehmen, was für eine Abſicht, was für eine
Wahl
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wahrlich der Dichter die fictæ cauſæ des Wolfs ſehr
vergebens, ſehr für die lange Weile erfunden; ſeine
Fabel ſagte mehr, als er damit hätte ſagen wollen,
und wäre, mit einem Worte, ſchlecht.
Ich will mich nicht in mehrere Exempel zerſtreuen.
Man unterſuche es nur ſelbſt, und man wird durch-
gängig finden, daß es bloß von der Beſchaffenheit
des Lehrſatzes abhängt, ob die Fabel eine ſolche
Handlung, wie ſie Batteux ohne Ausnahme fodert,
haben muß oder entbehren kann. Der Lehrſatz der
itzt erwehnten Fabel des Phädrus, machte ſie
wie wir geſehen, nothwendig; aber thun es deswe-
gen alle Lehrſätze? Sind alle Lehrſätze von dieſer
Art? Oder haben allein die, welche es ſind, das
Recht, in eine Fabel eingekleidet zu werden? Iſt z. E.
der Erfahrungsſatz:
Laudatis utiliora quæ contemſeris
Sæpe inveniri
nicht werth, in einem einzeln Falle, welcher die
Stelle einer Demonſtration vertreten kann, er-
kannt zu werden? Und wenn er es iſt, was für ein
Unternehmen, was für eine Abſicht, was für eine
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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/170>, abgerufen am 28.07.2024.
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