laris zum obersten Befehlshaber ihrer Kriegsvölker gemacht hatten, und ihm noch dazu eine Leibwache geben wollten.
"O ihr Himerenser, rief er, die ihr "so fest entschlossen seyd, euch an euren Feinden zu "rächen; nehmet euch wohl in Acht, oder es wird "euch wie diesem Pferde ergehen! Den Zaum habt "ihr euch bereits anlegen lassen, indem ihr den Pha- "laris zu eurem Heerführer mit unumschränkter "Gewalt, ernannt. Wollt ihr ihm nun gar eine "Leibwache geben, wollt ihr ihn aussitzen lassen, so "ist es vollends um eure Freyheit gethan."*
-- Alles wird hier allegorisch! Aber einzig und allein dadurch, daß das Pferd, hier nicht auf jeden Beleidigten, sondern auf die beleidigten Himerenser; der Hirsch nicht auf jeden Beleidiger, sondern auf die Feinde der Himerenser; der Mann nicht auf jeden listigen Unterdrücker, sondern auf den Phalaris; die An- legung des Zaums nicht auf jeden ersten Eingriff in die Rechte der Freyheit, sondern auf die Ernennung des Phalaris zum unumschränkten Heerführer; und das Aufsitzen endlich, nicht auf jeden letzten tödtlichen Stoß, welcher der Freyheit beygebracht
wird,
*Aristoteles Rhetor lib. II. cap. 20.
laris zum oberſten Befehlshaber ihrer Kriegsvölker gemacht hatten, und ihm noch dazu eine Leibwache geben wollten.
„O ihr Himerenſer, rief er, die ihr „ſo feſt entſchloſſen ſeyd, euch an euren Feinden zu „rächen; nehmet euch wohl in Acht, oder es wird „euch wie dieſem Pferde ergehen! Den Zaum habt „ihr euch bereits anlegen laſſen, indem ihr den Pha- „laris zu eurem Heerführer mit unumſchränkter „Gewalt, ernannt. Wollt ihr ihm nun gar eine „Leibwache geben, wollt ihr ihn auſſitzen laſſen, ſo „iſt es vollends um eure Freyheit gethan.“*
— Alles wird hier allegoriſch! Aber einzig und allein dadurch, daß das Pferd, hier nicht auf jeden Beleidigten, ſondern auf die beleidigten Himerenſer; der Hirſch nicht auf jeden Beleidiger, ſondern auf die Feinde der Himerenſer; der Mann nicht auf jeden liſtigen Unterdrücker, ſondern auf den Phalaris; die An- legung des Zaums nicht auf jeden erſten Eingriff in die Rechte der Freyheit, ſondern auf die Ernennung des Phalaris zum unumſchränkten Heerführer; und das Aufſitzen endlich, nicht auf jeden letzten tödtlichen Stoß, welcher der Freyheit beygebracht
wird,
*Ariſtoteles Rhetor lib. II. cap. 20.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0146"n="126"/><hirendition="#fr">laris</hi> zum oberſten Befehlshaber ihrer Kriegsvölker<lb/>
gemacht hatten, und ihm noch dazu eine Leibwache<lb/>
geben wollten.</p><cit><quote>„O ihr <hirendition="#fr">Himerenſer</hi>, rief er, die ihr<lb/>„ſo feſt entſchloſſen ſeyd, euch an euren Feinden zu<lb/>„rächen; nehmet euch wohl in Acht, oder es wird<lb/>„euch wie dieſem Pferde ergehen! Den Zaum habt<lb/>„ihr euch bereits anlegen laſſen, indem ihr den <hirendition="#fr">Pha-<lb/>„laris</hi> zu eurem Heerführer mit unumſchränkter<lb/>„Gewalt, ernannt. Wollt ihr ihm nun gar eine<lb/>„Leibwache geben, wollt ihr ihn auſſitzen laſſen, ſo<lb/>„iſt es vollends um eure Freyheit gethan.“<noteplace="foot"n="*"><hirendition="#aq">Ariſtoteles Rhetor lib. II. cap.</hi> 20.</note></quote><bibl/></cit><p>— Alles<lb/>
wird hier allegoriſch! Aber einzig und allein dadurch,<lb/>
daß das Pferd, hier nicht auf jeden Beleidigten,<lb/>ſondern auf die beleidigten <hirendition="#fr">Himerenſer</hi>; der Hirſch<lb/>
nicht auf jeden Beleidiger, ſondern auf die Feinde<lb/>
der <hirendition="#fr">Himerenſer</hi>; der Mann nicht auf jeden liſtigen<lb/>
Unterdrücker, ſondern auf den <hirendition="#fr">Phalaris</hi>; die An-<lb/>
legung des Zaums nicht auf jeden erſten Eingriff in<lb/>
die Rechte der Freyheit, ſondern auf die Ernennung<lb/>
des <hirendition="#fr">Phalaris</hi> zum unumſchränkten Heerführer;<lb/>
und das Aufſitzen endlich, nicht auf jeden letzten<lb/>
tödtlichen Stoß, welcher der Freyheit beygebracht<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wird,</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[126/0146]
laris zum oberſten Befehlshaber ihrer Kriegsvölker
gemacht hatten, und ihm noch dazu eine Leibwache
geben wollten.
„O ihr Himerenſer, rief er, die ihr
„ſo feſt entſchloſſen ſeyd, euch an euren Feinden zu
„rächen; nehmet euch wohl in Acht, oder es wird
„euch wie dieſem Pferde ergehen! Den Zaum habt
„ihr euch bereits anlegen laſſen, indem ihr den Pha-
„laris zu eurem Heerführer mit unumſchränkter
„Gewalt, ernannt. Wollt ihr ihm nun gar eine
„Leibwache geben, wollt ihr ihn auſſitzen laſſen, ſo
„iſt es vollends um eure Freyheit gethan.“ * — Alles
wird hier allegoriſch! Aber einzig und allein dadurch,
daß das Pferd, hier nicht auf jeden Beleidigten,
ſondern auf die beleidigten Himerenſer; der Hirſch
nicht auf jeden Beleidiger, ſondern auf die Feinde
der Himerenſer; der Mann nicht auf jeden liſtigen
Unterdrücker, ſondern auf den Phalaris; die An-
legung des Zaums nicht auf jeden erſten Eingriff in
die Rechte der Freyheit, ſondern auf die Ernennung
des Phalaris zum unumſchränkten Heerführer;
und das Aufſitzen endlich, nicht auf jeden letzten
tödtlichen Stoß, welcher der Freyheit beygebracht
wird,
* Ariſtoteles Rhetor lib. II. cap. 20.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/146>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.