Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
Suffenus schwitzt und lermt und schäumt:
Nichts kann den hohen Eifer zähmen;
Er stampft, er knirscht; warum? er reimt,
Und will itzt den Homer beschämen etc.


Allein gebt Acht, was kömmt heraus?
Hier ein Sonnet, dort eine Maus.

Diese Eintheilung also, von welcher die Lehr-
bucher der Dichtkunst ein tieses Stillschweigen beob-
achten, ohngeachtet ihres mannichfaltigen Nutzens
in der richtigern Bestimmung verschiedener Regeln:
diese Eintheilung, sage ich, vorausgesetzt; will ich
mich auf den Weg machen. Es ist kein unbetrete-
ner Weg. Ich sehe eine Menge Fußtapfen vor
mir, die ich zum Theil untersuchen muß, wenn ich
überall sichere Tritte zu thun gedenke. Und in die-
ser Absicht will ich sogleich die vornehmsten Erklärun-
gen prüfen, welche meine Vorgänger von der Fabel
gegeben haben.

De la Motte.

Dieser Mann, welcher nicht so wohl ein großes
poetisches Genie, als ein guter, aufgeklärter Kopf
war, der sich an mancherley wagen, und überall

erträg-
H 3
Suffenus ſchwitzt und lermt und ſchäumt:
Nichts kann den hohen Eifer zähmen;
Er ſtampft, er knirſcht; warum? er reimt,
Und will itzt den Homer beſchämen ꝛc.


Allein gebt Acht, was kömmt heraus?
Hier ein Sonnet, dort eine Maus.

Dieſe Eintheilung alſo, von welcher die Lehr-
bucher der Dichtkunſt ein tieſes Stillſchweigen beob-
achten, ohngeachtet ihres mannichfaltigen Nutzens
in der richtigern Beſtimmung verſchiedener Regeln:
dieſe Eintheilung, ſage ich, vorausgeſetzt; will ich
mich auf den Weg machen. Es iſt kein unbetrete-
ner Weg. Ich ſehe eine Menge Fußtapfen vor
mir, die ich zum Theil unterſuchen muß, wenn ich
überall ſichere Tritte zu thun gedenke. Und in die-
ſer Abſicht will ich ſogleich die vornehmſten Erklärun-
gen prüfen, welche meine Vorgänger von der Fabel
gegeben haben.

De la Motte.

Dieſer Mann, welcher nicht ſo wohl ein großes
poetiſches Genie, als ein guter, aufgeklärter Kopf
war, der ſich an mancherley wagen, und überall

erträg-
H 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <cit>
            <quote>
              <lg rendition="#et" type="poem">
                <pb facs="#f0137" n="117"/>
                <lg n="2">
                  <l>Suffenus &#x017F;chwitzt und lermt und &#x017F;chäumt:</l><lb/>
                  <l>Nichts kann den hohen Eifer zähmen;</l><lb/>
                  <l>Er &#x017F;tampft, er knir&#x017F;cht; warum? er reimt,</l><lb/>
                  <l>Und will itzt den Homer be&#x017F;chämen &#xA75B;c.</l><lb/>
                </lg>
                <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
                <lg n="3">
                  <l>Allein gebt Acht, was kömmt heraus?</l><lb/>
                  <l>Hier ein Sonnet, dort eine Maus.</l>
                </lg>
              </lg>
            </quote>
          </cit><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Eintheilung al&#x017F;o, von welcher die Lehr-<lb/>
bucher der Dichtkun&#x017F;t ein tie&#x017F;es Still&#x017F;chweigen beob-<lb/>
achten, ohngeachtet ihres mannichfaltigen Nutzens<lb/>
in der richtigern Be&#x017F;timmung ver&#x017F;chiedener Regeln:<lb/>
die&#x017F;e Eintheilung, &#x017F;age ich, vorausge&#x017F;etzt; will ich<lb/>
mich auf den Weg machen. Es i&#x017F;t kein unbetrete-<lb/>
ner Weg. Ich &#x017F;ehe eine Menge Fußtapfen vor<lb/>
mir, die ich zum Theil unter&#x017F;uchen muß, wenn ich<lb/>
überall &#x017F;ichere Tritte zu thun gedenke. Und in die-<lb/>
&#x017F;er Ab&#x017F;icht will ich &#x017F;ogleich die vornehm&#x017F;ten Erklärun-<lb/>
gen prüfen, welche meine Vorgänger von der Fabel<lb/>
gegeben haben.</p><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr">De la Motte.</hi> </head><lb/>
            <p>Die&#x017F;er Mann, welcher nicht &#x017F;o wohl ein großes<lb/>
poeti&#x017F;ches Genie, als ein guter, aufgeklärter Kopf<lb/>
war, der &#x017F;ich an mancherley wagen, und überall<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 3</fw><fw place="bottom" type="catch">erträg-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0137] Suffenus ſchwitzt und lermt und ſchäumt: Nichts kann den hohen Eifer zähmen; Er ſtampft, er knirſcht; warum? er reimt, Und will itzt den Homer beſchämen ꝛc. Allein gebt Acht, was kömmt heraus? Hier ein Sonnet, dort eine Maus. Dieſe Eintheilung alſo, von welcher die Lehr- bucher der Dichtkunſt ein tieſes Stillſchweigen beob- achten, ohngeachtet ihres mannichfaltigen Nutzens in der richtigern Beſtimmung verſchiedener Regeln: dieſe Eintheilung, ſage ich, vorausgeſetzt; will ich mich auf den Weg machen. Es iſt kein unbetrete- ner Weg. Ich ſehe eine Menge Fußtapfen vor mir, die ich zum Theil unterſuchen muß, wenn ich überall ſichere Tritte zu thun gedenke. Und in die- ſer Abſicht will ich ſogleich die vornehmſten Erklärun- gen prüfen, welche meine Vorgänger von der Fabel gegeben haben. De la Motte. Dieſer Mann, welcher nicht ſo wohl ein großes poetiſches Genie, als ein guter, aufgeklärter Kopf war, der ſich an mancherley wagen, und überall erträg- H 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/137
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/137>, abgerufen am 22.12.2024.