Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
Emilia Galotti.


Appiani. Und dann? -- und dann? --
Jhre Frage ist auch verzweifelt naiv.
Marinelli. Man hat Exempel, Herr Graf,
daß sich Hochzeiten aufschieben lassen. -- Jch
glaube freylich nicht, daß der Braut oder dem
Bräutigam immer damit gedient ist. Die Sache
mag ihr Unangenehmes haben. Aber doch, dächt'
ich, der Befehl des Herrn --
Appiani. Der Befehl des Herrn? -- des
Herrn? Ein Herr, den man sich selber wählt,
ist unser Herr so eigentlich nicht -- Jch gebe zu,
daß Sie dem Prinzen unbedingtern Gehorsam
schuldig wären. Aber nicht ich. -- Jch kam an
seinen Hof als ein Freywilliger. Jch wollte
die Ehre haben, ihm zu dienen: aber nicht sein
Sklave werden. Jch bin der Vasall eines grössern
Herrn --
Marinelli. Grösser oder kleiner: Herr ist
Herr.
Appiani. Daß ich mit Jhnen darüber strit-
te! -- Genug, sagen Sie dem Prinzen, was
Sie gehört haben: -- daß es mir leid thut, seine
Gnade nicht annehmen zu können; weil ich eben
heut'
Emilia Galotti.


Appiani. Und dann? — und dann? —
Jhre Frage iſt auch verzweifelt naiv.
Marinelli. Man hat Exempel, Herr Graf,
daß ſich Hochzeiten aufſchieben laſſen. — Jch
glaube freylich nicht, daß der Braut oder dem
Braͤutigam immer damit gedient iſt. Die Sache
mag ihr Unangenehmes haben. Aber doch, daͤcht’
ich, der Befehl des Herrn —
Appiani. Der Befehl des Herrn? — des
Herrn? Ein Herr, den man ſich ſelber waͤhlt,
iſt unſer Herr ſo eigentlich nicht — Jch gebe zu,
daß Sie dem Prinzen unbedingtern Gehorſam
ſchuldig waͤren. Aber nicht ich. — Jch kam an
ſeinen Hof als ein Freywilliger. Jch wollte
die Ehre haben, ihm zu dienen: aber nicht ſein
Sklave werden. Jch bin der Vaſall eines groͤſſern
Herrn —
Marinelli. Groͤſſer oder kleiner: Herr iſt
Herr.
Appiani. Daß ich mit Jhnen daruͤber ſtrit-
te! — Genug, ſagen Sie dem Prinzen, was
Sie gehoͤrt haben: — daß es mir leid thut, ſeine
Gnade nicht annehmen zu koͤnnen; weil ich eben
heut’
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0066" n="62"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Emilia Galotti.</hi> </fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <sp who="#APP">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Appiani.</hi> </speaker>
            <p>Und dann? &#x2014; und dann? &#x2014;<lb/>
Jhre Frage i&#x017F;t auch verzweifelt naiv.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MAR">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Marinelli.</hi> </speaker>
            <p>Man hat Exempel, Herr Graf,<lb/>
daß &#x017F;ich Hochzeiten auf&#x017F;chieben la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Jch<lb/>
glaube freylich nicht, daß der Braut oder dem<lb/>
Bra&#x0364;utigam immer damit gedient i&#x017F;t. Die Sache<lb/>
mag ihr Unangenehmes haben. Aber doch, da&#x0364;cht&#x2019;<lb/>
ich, der Befehl des Herrn &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#APP">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Appiani.</hi> </speaker>
            <p>Der Befehl des Herrn? &#x2014; des<lb/>
Herrn? Ein Herr, den man &#x017F;ich &#x017F;elber wa&#x0364;hlt,<lb/>
i&#x017F;t un&#x017F;er Herr &#x017F;o eigentlich nicht &#x2014; Jch gebe zu,<lb/>
daß Sie dem Prinzen unbedingtern Gehor&#x017F;am<lb/>
&#x017F;chuldig wa&#x0364;ren. Aber nicht ich. &#x2014; Jch kam an<lb/>
&#x017F;einen Hof als ein Freywilliger. Jch wollte<lb/>
die Ehre haben, ihm zu dienen: aber nicht &#x017F;ein<lb/>
Sklave werden. Jch bin der Va&#x017F;all eines gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Herrn &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MAR">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Marinelli.</hi> </speaker>
            <p>Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er oder kleiner: Herr i&#x017F;t<lb/>
Herr.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#APP">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Appiani.</hi> </speaker>
            <p>Daß ich mit Jhnen daru&#x0364;ber &#x017F;trit-<lb/>
te! &#x2014; Genug, &#x017F;agen Sie dem Prinzen, was<lb/>
Sie geho&#x0364;rt haben: &#x2014; daß es mir leid thut, &#x017F;eine<lb/>
Gnade nicht annehmen zu ko&#x0364;nnen; weil ich eben<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">heut&#x2019;</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0066] Emilia Galotti. Appiani. Und dann? — und dann? — Jhre Frage iſt auch verzweifelt naiv. Marinelli. Man hat Exempel, Herr Graf, daß ſich Hochzeiten aufſchieben laſſen. — Jch glaube freylich nicht, daß der Braut oder dem Braͤutigam immer damit gedient iſt. Die Sache mag ihr Unangenehmes haben. Aber doch, daͤcht’ ich, der Befehl des Herrn — Appiani. Der Befehl des Herrn? — des Herrn? Ein Herr, den man ſich ſelber waͤhlt, iſt unſer Herr ſo eigentlich nicht — Jch gebe zu, daß Sie dem Prinzen unbedingtern Gehorſam ſchuldig waͤren. Aber nicht ich. — Jch kam an ſeinen Hof als ein Freywilliger. Jch wollte die Ehre haben, ihm zu dienen: aber nicht ſein Sklave werden. Jch bin der Vaſall eines groͤſſern Herrn — Marinelli. Groͤſſer oder kleiner: Herr iſt Herr. Appiani. Daß ich mit Jhnen daruͤber ſtrit- te! — Genug, ſagen Sie dem Prinzen, was Sie gehoͤrt haben: — daß es mir leid thut, ſeine Gnade nicht annehmen zu koͤnnen; weil ich eben heut’

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/66
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/66>, abgerufen am 24.11.2024.