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Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

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Emilia Galotti.


betrachten mag ich dich fürs erste nicht mehr. --
Warum sollt' ich mir den Pfeil noch tiefer in die
Wunde drücken? (setzt es bey Seite) -- Geschmach-
tet, geseufzet hab' ich lange genug, -- länger als
ich gesollt hätte: aber nichts gethan! und über die
zärtliche Unthätigkeit bey einem Haar' alles verlo-
ren! -- Und wenn nun doch alles verloren wäre?
Wenn Marinelli nichts ausrichtete? -- Warum
will ich mich auch auf ihn allein verlassen? Es fällt
mir ein, -- um diese Stunde, (nach der Uhr sehend) um
diese nemliche Stunde pflegt das fromme Mäd-
chen alle Morgen bey den Dominikanern die Messe
zu hören. -- Wie wenn lich sie da zu sprechen
suchte? -- Doch heute, heut' an ihrem Hoch-
zeittage, -- heute werden ihr andere Dinge am
Herzen liegen, als die Messe. -- Jndeß, wer
weiß? -- Es ist ein Gang. -- (er klingelt, und
indem er einige von den Papieren auf dem Tische hastig zu-
sammen rafft, tritt der Kammerdiener herein)
Laßt vor-
fahren! -- Jst noch keiner von den Räthen da?
Der Kammerd. Camillo Rota.
Der Prinz. Er soll herein kommen. (der Kam-
merdiener geht ab)
Nur aufhalten muß er mich nicht
wollen
Emilia Galotti.


betrachten mag ich dich fuͤrs erſte nicht mehr. —
Warum ſollt’ ich mir den Pfeil noch tiefer in die
Wunde druͤcken? (ſetzt es bey Seite) — Geſchmach-
tet, geſeufzet hab’ ich lange genug, — laͤnger als
ich geſollt haͤtte: aber nichts gethan! und uͤber die
zaͤrtliche Unthaͤtigkeit bey einem Haar’ alles verlo-
ren! — Und wenn nun doch alles verloren waͤre?
Wenn Marinelli nichts ausrichtete? — Warum
will ich mich auch auf ihn allein verlaſſen? Es faͤllt
mir ein, — um dieſe Stunde, (nach der Uhr ſehend) um
dieſe nemliche Stunde pflegt das fromme Maͤd-
chen alle Morgen bey den Dominikanern die Meſſe
zu hoͤren. — Wie wenn lich ſie da zu ſprechen
ſuchte? — Doch heute, heut’ an ihrem Hoch-
zeittage, — heute werden ihr andere Dinge am
Herzen liegen, als die Meſſe. — Jndeß, wer
weiß? — Es iſt ein Gang. — (er klingelt, und
indem er einige von den Papieren auf dem Tiſche haſtig zu-
ſammen rafft, tritt der Kammerdiener herein)
Laßt vor-
fahren! — Jſt noch keiner von den Raͤthen da?
Der Kammerd. Camillo Rota.
Der Prinz. Er ſoll herein kommen. (der Kam-
merdiener geht ab)
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[29/0033] Emilia Galotti. betrachten mag ich dich fuͤrs erſte nicht mehr. — Warum ſollt’ ich mir den Pfeil noch tiefer in die Wunde druͤcken? (ſetzt es bey Seite) — Geſchmach- tet, geſeufzet hab’ ich lange genug, — laͤnger als ich geſollt haͤtte: aber nichts gethan! und uͤber die zaͤrtliche Unthaͤtigkeit bey einem Haar’ alles verlo- ren! — Und wenn nun doch alles verloren waͤre? Wenn Marinelli nichts ausrichtete? — Warum will ich mich auch auf ihn allein verlaſſen? Es faͤllt mir ein, — um dieſe Stunde, (nach der Uhr ſehend) um dieſe nemliche Stunde pflegt das fromme Maͤd- chen alle Morgen bey den Dominikanern die Meſſe zu hoͤren. — Wie wenn lich ſie da zu ſprechen ſuchte? — Doch heute, heut’ an ihrem Hoch- zeittage, — heute werden ihr andere Dinge am Herzen liegen, als die Meſſe. — Jndeß, wer weiß? — Es iſt ein Gang. — (er klingelt, und indem er einige von den Papieren auf dem Tiſche haſtig zu- ſammen rafft, tritt der Kammerdiener herein) Laßt vor- fahren! — Jſt noch keiner von den Raͤthen da? Der Kammerd. Camillo Rota. Der Prinz. Er ſoll herein kommen.(der Kam- merdiener geht ab) Nur aufhalten muß er mich nicht wollen

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/33>, abgerufen am 09.11.2024.