Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.Emilia Galotti. Der Prinz. (indem er sich zu fassen sucht, aber ohne ein Auge von dem Bilde zu verwenden.) So halb! -- um sie eben wieder zu kennen. -- Es ist einige Wochen her, als ich sie mit ihrer Mutter in einer Vegghia traf. -- Nachher ist sie mir nur an hei- ligen Stäten wieder vorgekommen, -- wo das Angaffen sich weniger ziemet. -- Auch kenn' ich ihren Vater. Er ist mein Freund nicht. Er war es, der sich meinen Ansprüchen auf Sabionetta am meisten widersetzte. -- Ein alter Degen; stolz und rauh; sonst bieder und gut! -- Conti. Der Vater! Aber hier haben wir seine Tochter. -- Der Prinz. Bey Gott! wie aus dem Spie- gel gestohlen! (noch immer die Augen auf das Bild ge- heftet.) O, Sie wissen es ja wohl, Conti, daß man den Künstler dann erst recht lobt, wenn man über sein Werk sein Lob vergißt. Conti. Gleichwohl hat mich dieses noch sehr unzufrieden mit mir gelassen. -- Und doch bin ich wiederum sehr zufrieden mit meiner Unzufrie- denheit mit mir selbst. -- Ha! daß wir nicht un- mittelbar mit den Augen malen! Auf dem langen Wege
Emilia Galotti. Der Prinz. (indem er ſich zu faſſen ſucht, aber ohne ein Auge von dem Bilde zu verwenden.) So halb! — um ſie eben wieder zu kennen. — Es iſt einige Wochen her, als ich ſie mit ihrer Mutter in einer Vegghia traf. — Nachher iſt ſie mir nur an hei- ligen Staͤten wieder vorgekommen, — wo das Angaffen ſich weniger ziemet. — Auch kenn’ ich ihren Vater. Er iſt mein Freund nicht. Er war es, der ſich meinen Anſpruͤchen auf Sabionetta am meiſten widerſetzte. — Ein alter Degen; ſtolz und rauh; ſonſt bieder und gut! — Conti. Der Vater! Aber hier haben wir ſeine Tochter. — Der Prinz. Bey Gott! wie aus dem Spie- gel geſtohlen! (noch immer die Augen auf das Bild ge- heftet.) O, Sie wiſſen es ja wohl, Conti, daß man den Kuͤnſtler dann erſt recht lobt, wenn man uͤber ſein Werk ſein Lob vergißt. Conti. Gleichwohl hat mich dieſes noch ſehr unzufrieden mit mir gelaſſen. — Und doch bin ich wiederum ſehr zufrieden mit meiner Unzufrie- denheit mit mir ſelbſt. — Ha! daß wir nicht un- mittelbar mit den Augen malen! Auf dem langen Wege
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Emilia Galotti.
Der Prinz. (indem er ſich zu faſſen ſucht, aber ohne
ein Auge von dem Bilde zu verwenden.) So halb! —
um ſie eben wieder zu kennen. — Es iſt einige
Wochen her, als ich ſie mit ihrer Mutter in einer
Vegghia traf. — Nachher iſt ſie mir nur an hei-
ligen Staͤten wieder vorgekommen, — wo das
Angaffen ſich weniger ziemet. — Auch kenn’ ich
ihren Vater. Er iſt mein Freund nicht. Er war
es, der ſich meinen Anſpruͤchen auf Sabionetta
am meiſten widerſetzte. — Ein alter Degen;
ſtolz und rauh; ſonſt bieder und gut! —
Conti. Der Vater! Aber hier haben wir
ſeine Tochter. —
Der Prinz. Bey Gott! wie aus dem Spie-
gel geſtohlen! (noch immer die Augen auf das Bild ge-
heftet.) O, Sie wiſſen es ja wohl, Conti, daß
man den Kuͤnſtler dann erſt recht lobt, wenn man
uͤber ſein Werk ſein Lob vergißt.
Conti. Gleichwohl hat mich dieſes noch ſehr
unzufrieden mit mir gelaſſen. — Und doch bin
ich wiederum ſehr zufrieden mit meiner Unzufrie-
denheit mit mir ſelbſt. — Ha! daß wir nicht un-
mittelbar mit den Augen malen! Auf dem langen
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