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Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

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Emilia Galotti.


ein wenig: die Verziehung muß nicht bis zur Gri-
masse gehen, wie bey dieser Gräfinn. Und Augen
müssen über den wollüstigen Spötter die Aufsicht
führen, -- Augen, wie sie die gute Gräfinn nun
gerade gar nicht hat. Auch nicht einmal hier im
Bilde hat.
Conti. Gnädiger Herr, ich bin äußerst be-
troffen --
Der Prinz. Und worüber? Alles, was die
Kunst aus den großen, hervorragenden, stieren,
starren Medusenaugen der Gräfinn gutes machen
kann, das haben Sie, Conti, redlich daraus ge-
macht. -- Redlich, sag' ich? -- Nicht so red-
lich, wäre redlicher. Denn sagen Sie selbst, Conti,
läßt sich aus diesem Bilde wohl der Charakter der
Person schließen? Und das sollte doch. Stolz ha-
ben Sie in Würde, Hohn in Lächeln, Ansatz zu
trübsinniger Schwärmerey in sanfte Schwermuth
verwandelt.
Conti. (etwas ärgerlich) Ah, mein Prinz, --
wir Maler rechnen darauf, daß das fertige Bild
den Liebhaber noch eben so warm findet, als warm
er es bestellte. Wir malen mit Augen der Liebe:
und
Emilia Galotti.


ein wenig: die Verziehung muß nicht bis zur Gri-
maſſe gehen, wie bey dieſer Graͤfinn. Und Augen
muͤſſen uͤber den wolluͤſtigen Spoͤtter die Aufſicht
fuͤhren, — Augen, wie ſie die gute Graͤfinn nun
gerade gar nicht hat. Auch nicht einmal hier im
Bilde hat.
Conti. Gnaͤdiger Herr, ich bin aͤußerſt be-
troffen —
Der Prinz. Und woruͤber? Alles, was die
Kunſt aus den großen, hervorragenden, ſtieren,
ſtarren Meduſenaugen der Graͤfinn gutes machen
kann, das haben Sie, Conti, redlich daraus ge-
macht. — Redlich, ſag’ ich? — Nicht ſo red-
lich, waͤre redlicher. Denn ſagen Sie ſelbſt, Conti,
laͤßt ſich aus dieſem Bilde wohl der Charakter der
Perſon ſchließen? Und das ſollte doch. Stolz ha-
ben Sie in Wuͤrde, Hohn in Laͤcheln, Anſatz zu
truͤbſinniger Schwaͤrmerey in ſanfte Schwermuth
verwandelt.
Conti. (etwas aͤrgerlich) Ah, mein Prinz, —
wir Maler rechnen darauf, daß das fertige Bild
den Liebhaber noch eben ſo warm findet, als warm
er es beſtellte. Wir malen mit Augen der Liebe:
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[10/0014] Emilia Galotti. ein wenig: die Verziehung muß nicht bis zur Gri- maſſe gehen, wie bey dieſer Graͤfinn. Und Augen muͤſſen uͤber den wolluͤſtigen Spoͤtter die Aufſicht fuͤhren, — Augen, wie ſie die gute Graͤfinn nun gerade gar nicht hat. Auch nicht einmal hier im Bilde hat. Conti. Gnaͤdiger Herr, ich bin aͤußerſt be- troffen — Der Prinz. Und woruͤber? Alles, was die Kunſt aus den großen, hervorragenden, ſtieren, ſtarren Meduſenaugen der Graͤfinn gutes machen kann, das haben Sie, Conti, redlich daraus ge- macht. — Redlich, ſag’ ich? — Nicht ſo red- lich, waͤre redlicher. Denn ſagen Sie ſelbſt, Conti, laͤßt ſich aus dieſem Bilde wohl der Charakter der Perſon ſchließen? Und das ſollte doch. Stolz ha- ben Sie in Wuͤrde, Hohn in Laͤcheln, Anſatz zu truͤbſinniger Schwaͤrmerey in ſanfte Schwermuth verwandelt. Conti. (etwas aͤrgerlich) Ah, mein Prinz, — wir Maler rechnen darauf, daß das fertige Bild den Liebhaber noch eben ſo warm findet, als warm er es beſtellte. Wir malen mit Augen der Liebe: und

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/14>, abgerufen am 18.12.2024.