Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.Emilia Galotti. Der Prinz. Der denkende Künstler ist noch eins so viel werth. -- Aber das Original, sagen Sie, fand dem ungeachtet -- Conti. Verzeihen Sie, Prinz. Das Ori- ginal ist eine Person, die meine Ehrerbietung fodert. Jch habe nichts nachtheiliges von ihr äussern wollen. Der Prinz. So viel als ihnen beliebt! -- Und was sagte das Original? Conti. Jch bin zufrieden, sagte die Gräfinn, wenn ich nicht häßlicher aussehe. Der Prinz. Nicht häßlicher? -- O das wahre Original! Conti. Und mit einer Miene sagte sie das, -- von der freylich dieses ihr Bild keine Spur, kei- nen Verdacht zeiget. Der Prinz. Das meynt' ich ja; das ist es eben, worinn ich die unendliche Schmeicheley finde. -- O! ich kenne sie, jene stolze höhnische Miene, die auch das Gesicht einer Grazie entstel- len würde! -- Jch leugne nicht, daß ein schöner Mund, der sich ein wenig spöttisch verziehet, nicht selten um so viel schöner ist. Aber, wohl gemerkt, ein A 5
Emilia Galotti. Der Prinz. Der denkende Kuͤnſtler iſt noch eins ſo viel werth. — Aber das Original, ſagen Sie, fand dem ungeachtet — Conti. Verzeihen Sie, Prinz. Das Ori- ginal iſt eine Perſon, die meine Ehrerbietung fodert. Jch habe nichts nachtheiliges von ihr aͤuſſern wollen. Der Prinz. So viel als ihnen beliebt! — Und was ſagte das Original? Conti. Jch bin zufrieden, ſagte die Graͤfinn, wenn ich nicht haͤßlicher ausſehe. Der Prinz. Nicht haͤßlicher? — O das wahre Original! Conti. Und mit einer Miene ſagte ſie das, — von der freylich dieſes ihr Bild keine Spur, kei- nen Verdacht zeiget. Der Prinz. Das meynt’ ich ja; das iſt es eben, worinn ich die unendliche Schmeicheley finde. — O! ich kenne ſie, jene ſtolze hoͤhniſche Miene, die auch das Geſicht einer Grazie entſtel- len wuͤrde! — Jch leugne nicht, daß ein ſchoͤner Mund, der ſich ein wenig ſpoͤttiſch verziehet, nicht ſelten um ſo viel ſchoͤner iſt. Aber, wohl gemerkt, ein A 5
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Emilia Galotti.
Der Prinz. Der denkende Kuͤnſtler iſt noch
eins ſo viel werth. — Aber das Original, ſagen
Sie, fand dem ungeachtet —
Conti. Verzeihen Sie, Prinz. Das Ori-
ginal iſt eine Perſon, die meine Ehrerbietung
fodert. Jch habe nichts nachtheiliges von ihr
aͤuſſern wollen.
Der Prinz. So viel als ihnen beliebt! —
Und was ſagte das Original?
Conti. Jch bin zufrieden, ſagte die Graͤfinn,
wenn ich nicht haͤßlicher ausſehe.
Der Prinz. Nicht haͤßlicher? — O das
wahre Original!
Conti. Und mit einer Miene ſagte ſie das, —
von der freylich dieſes ihr Bild keine Spur, kei-
nen Verdacht zeiget.
Der Prinz. Das meynt’ ich ja; das iſt es
eben, worinn ich die unendliche Schmeicheley
finde. — O! ich kenne ſie, jene ſtolze hoͤhniſche
Miene, die auch das Geſicht einer Grazie entſtel-
len wuͤrde! — Jch leugne nicht, daß ein ſchoͤner
Mund, der ſich ein wenig ſpoͤttiſch verziehet, nicht
ſelten um ſo viel ſchoͤner iſt. Aber, wohl gemerkt,
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