Die Frage ist nur: wie fange ich es am besten an? -- Der Zeug ist schon verschnitten: ich werde einflicken oder recken müssen. -- Aber das klingt so stümpermäßig. Mir fällt ein, -- was mir gleich hätte einfallen sollen: die Gewohnheit der Schauspieler, auf ihre Hauptvorstellung ein kleines Nachspiel folgen zu lassen. Das Nachspiel kann handeln, wovon es will, und braucht mit dem Vorhergehenden nicht in der geringsten Verbindung zu stehen. -- So ein Nachspiel dann, mag die Blätter nun füllen, die ich mir ganz ersparen wollte.
Erst ein Wort von mir selbst! Denn warum sollte nicht auch ein Nachspiel einen Prolog ha- ben dürfen, der sich mit einem Poeta, cum primum animum ad scribendum appulit, anfinge?
Als, vor Jahr und Tag, einige gute Leute hier den Einfall bekamen, einen Versuch zu ma- chen, ob nicht für das deutsche Theater sich et- was mehr thun lasse, als unter der Verwaltung eines sogenannten Principals geschehen könne: so weiß ich nicht, wie man auf mich dabey fiel, und sich träumen ließ, daß ich bey diesem Unter- nehmen wohl nützlich seyn könnte? -- Jch stand eben am Markte und war müßig; niemand wollte mich dingen: ohne Zweifel, weil mich niemand zu brauchen wußte; bis gerade auf diese Freunde! -- Noch sind mir in meinem
Leben
Die Frage iſt nur: wie fange ich es am beſten an? — Der Zeug iſt ſchon verſchnitten: ich werde einflicken oder recken müſſen. — Aber das klingt ſo ſtümpermäßig. Mir fällt ein, — was mir gleich hätte einfallen ſollen: die Gewohnheit der Schauſpieler, auf ihre Hauptvorſtellung ein kleines Nachſpiel folgen zu laſſen. Das Nachſpiel kann handeln, wovon es will, und braucht mit dem Vorhergehenden nicht in der geringſten Verbindung zu ſtehen. — So ein Nachſpiel dann, mag die Blätter nun füllen, die ich mir ganz erſparen wollte.
Erſt ein Wort von mir ſelbſt! Denn warum ſollte nicht auch ein Nachſpiel einen Prolog ha- ben dürfen, der ſich mit einem Poeta, cum primum animum ad ſcribendum appulit, anfinge?
Als, vor Jahr und Tag, einige gute Leute hier den Einfall bekamen, einen Verſuch zu ma- chen, ob nicht für das deutſche Theater ſich et- was mehr thun laſſe, als unter der Verwaltung eines ſogenannten Principals geſchehen könne: ſo weiß ich nicht, wie man auf mich dabey fiel, und ſich träumen ließ, daß ich bey dieſem Unter- nehmen wohl nützlich ſeyn könnte? — Jch ſtand eben am Markte und war müßig; niemand wollte mich dingen: ohne Zweifel, weil mich niemand zu brauchen wußte; bis gerade auf dieſe Freunde! — Noch ſind mir in meinem
Leben
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0392"n="386"/><p>Die Frage iſt nur: wie fange ich es am beſten<lb/>
an? — Der Zeug iſt ſchon verſchnitten: ich<lb/>
werde einflicken oder recken müſſen. — Aber das<lb/>
klingt ſo ſtümpermäßig. Mir fällt ein, — was<lb/>
mir gleich hätte einfallen ſollen: die Gewohnheit<lb/>
der Schauſpieler, auf ihre Hauptvorſtellung<lb/>
ein kleines Nachſpiel folgen zu laſſen. Das<lb/>
Nachſpiel kann handeln, wovon es will, und<lb/>
braucht mit dem Vorhergehenden nicht in der<lb/>
geringſten Verbindung zu ſtehen. — So ein<lb/>
Nachſpiel dann, mag die Blätter nun füllen,<lb/>
die ich mir ganz erſparen wollte.</p><lb/><p>Erſt ein Wort von mir ſelbſt! Denn warum<lb/>ſollte nicht auch ein Nachſpiel einen Prolog ha-<lb/>
ben dürfen, der ſich mit einem <hirendition="#aq">Poeta, cum<lb/>
primum animum ad ſcribendum appulit,</hi><lb/>
anfinge?</p><lb/><p>Als, vor Jahr und Tag, einige gute Leute<lb/>
hier den Einfall bekamen, einen Verſuch zu ma-<lb/>
chen, ob nicht für das deutſche Theater ſich et-<lb/>
was mehr thun laſſe, als unter der Verwaltung<lb/>
eines ſogenannten Principals geſchehen könne:<lb/>ſo weiß ich nicht, wie man auf mich dabey fiel,<lb/>
und ſich träumen ließ, daß ich bey dieſem Unter-<lb/>
nehmen wohl nützlich ſeyn könnte? — Jch ſtand<lb/>
eben am Markte und war müßig; niemand<lb/>
wollte mich dingen: ohne Zweifel, weil mich<lb/>
niemand zu brauchen wußte; bis gerade auf<lb/>
dieſe Freunde! — Noch ſind mir in meinem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Leben</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[386/0392]
Die Frage iſt nur: wie fange ich es am beſten
an? — Der Zeug iſt ſchon verſchnitten: ich
werde einflicken oder recken müſſen. — Aber das
klingt ſo ſtümpermäßig. Mir fällt ein, — was
mir gleich hätte einfallen ſollen: die Gewohnheit
der Schauſpieler, auf ihre Hauptvorſtellung
ein kleines Nachſpiel folgen zu laſſen. Das
Nachſpiel kann handeln, wovon es will, und
braucht mit dem Vorhergehenden nicht in der
geringſten Verbindung zu ſtehen. — So ein
Nachſpiel dann, mag die Blätter nun füllen,
die ich mir ganz erſparen wollte.
Erſt ein Wort von mir ſelbſt! Denn warum
ſollte nicht auch ein Nachſpiel einen Prolog ha-
ben dürfen, der ſich mit einem Poeta, cum
primum animum ad ſcribendum appulit,
anfinge?
Als, vor Jahr und Tag, einige gute Leute
hier den Einfall bekamen, einen Verſuch zu ma-
chen, ob nicht für das deutſche Theater ſich et-
was mehr thun laſſe, als unter der Verwaltung
eines ſogenannten Principals geſchehen könne:
ſo weiß ich nicht, wie man auf mich dabey fiel,
und ſich träumen ließ, daß ich bey dieſem Unter-
nehmen wohl nützlich ſeyn könnte? — Jch ſtand
eben am Markte und war müßig; niemand
wollte mich dingen: ohne Zweifel, weil mich
niemand zu brauchen wußte; bis gerade auf
dieſe Freunde! — Noch ſind mir in meinem
Leben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/392>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.