Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

"Es ist sehr sonderbar, erklärt sich Col-
mann, "daß diese Anmerkung des Donatus
"so gänzlich von allen Kunstrichtern übersehen
"worden, da sie, bey unserm Verluste des Me-
"nanders, doch um so viel mehr Aufmerksam-
"keit verdienet. Unstreitig ist es, daß Terenz
"in dem letzten Akte dem Plane des Menanders
"gefolgt ist: ob er nun aber schon die Unge-
"reimtheit, den Micio mit der alten Mutter
"zu verheyrathen, angenommen, so lernen wir
"doch vom Donatus, daß dieser Umstand ihm
"selber anstößig gewesen, und er sein Original
"dahin verbessert, daß er den Micio alle den
"Widerwillen gegen eine solche Verbindung
"äußern lassen, den er in dem Stücke des Me-
"nanders, wie es scheinet, nicht geäußert
"hatte."

Es ist nicht unmöglich, daß ein Römischer
Dichter nicht einmal etwas besser könne gemacht
haben, als ein Griechischer. Aber der bloßen
Möglichkeit wegen, möchte ich es gern in keinem
Falle glauben.

Colmann meinet also, die Worte des Dona-
tus: Apud Menandrum senex de nuptiis
non gravatur,
hießen so viel, als: beym
Menander streibet sich der Alte gegen
die Heyrath nicht.
Aber wie, wenn sie

das

„Es iſt ſehr ſonderbar, erklärt ſich Col-
mann, „daß dieſe Anmerkung des Donatus
„ſo gänzlich von allen Kunſtrichtern überſehen
„worden, da ſie, bey unſerm Verluſte des Me-
„nanders, doch um ſo viel mehr Aufmerkſam-
„keit verdienet. Unſtreitig iſt es, daß Terenz
„in dem letzten Akte dem Plane des Menanders
„gefolgt iſt: ob er nun aber ſchon die Unge-
„reimtheit, den Micio mit der alten Mutter
„zu verheyrathen, angenommen, ſo lernen wir
„doch vom Donatus, daß dieſer Umſtand ihm
„ſelber anſtößig geweſen, und er ſein Original
„dahin verbeſſert, daß er den Micio alle den
„Widerwillen gegen eine ſolche Verbindung
„äußern laſſen, den er in dem Stücke des Me-
„nanders, wie es ſcheinet, nicht geäußert
„hatte.„

Es iſt nicht unmöglich, daß ein Römiſcher
Dichter nicht einmal etwas beſſer könne gemacht
haben, als ein Griechiſcher. Aber der bloßen
Möglichkeit wegen, möchte ich es gern in keinem
Falle glauben.

Colmann meinet alſo, die Worte des Dona-
tus: Apud Menandrum ſenex de nuptiis
non gravatur,
hießen ſo viel, als: beym
Menander ſtreibet ſich der Alte gegen
die Heyrath nicht.
Aber wie, wenn ſie

das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0389" n="383"/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t &#x017F;ehr &#x017F;onderbar, erklärt &#x017F;ich Col-<lb/>
mann, &#x201E;daß die&#x017F;e Anmerkung des Donatus<lb/>
&#x201E;&#x017F;o gänzlich von allen Kun&#x017F;trichtern über&#x017F;ehen<lb/>
&#x201E;worden, da &#x017F;ie, bey un&#x017F;erm Verlu&#x017F;te des Me-<lb/>
&#x201E;nanders, doch um &#x017F;o viel mehr Aufmerk&#x017F;am-<lb/>
&#x201E;keit verdienet. Un&#x017F;treitig i&#x017F;t es, daß Terenz<lb/>
&#x201E;in dem letzten Akte dem Plane des Menanders<lb/>
&#x201E;gefolgt i&#x017F;t: ob er nun aber &#x017F;chon die Unge-<lb/>
&#x201E;reimtheit, den Micio mit der alten Mutter<lb/>
&#x201E;zu verheyrathen, angenommen, &#x017F;o lernen wir<lb/>
&#x201E;doch vom Donatus, daß die&#x017F;er Um&#x017F;tand ihm<lb/>
&#x201E;&#x017F;elber an&#x017F;tößig gewe&#x017F;en, und er &#x017F;ein Original<lb/>
&#x201E;dahin verbe&#x017F;&#x017F;ert, daß er den Micio alle den<lb/>
&#x201E;Widerwillen gegen eine &#x017F;olche Verbindung<lb/>
&#x201E;äußern la&#x017F;&#x017F;en, den er in dem Stücke des Me-<lb/>
&#x201E;nanders, wie es &#x017F;cheinet, nicht geäußert<lb/>
&#x201E;hatte.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t nicht unmöglich, daß ein Römi&#x017F;cher<lb/>
Dichter nicht einmal etwas be&#x017F;&#x017F;er könne gemacht<lb/>
haben, als ein Griechi&#x017F;cher. Aber der bloßen<lb/>
Möglichkeit wegen, möchte ich es gern in keinem<lb/>
Falle glauben.</p><lb/>
        <p>Colmann meinet al&#x017F;o, die Worte des Dona-<lb/>
tus: <hi rendition="#aq">Apud Menandrum &#x017F;enex de nuptiis<lb/>
non gravatur,</hi> hießen &#x017F;o viel, als: <hi rendition="#g">beym<lb/>
Menander &#x017F;treibet &#x017F;ich der Alte gegen<lb/>
die Heyrath nicht.</hi> Aber wie, wenn &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0389] „Es iſt ſehr ſonderbar, erklärt ſich Col- mann, „daß dieſe Anmerkung des Donatus „ſo gänzlich von allen Kunſtrichtern überſehen „worden, da ſie, bey unſerm Verluſte des Me- „nanders, doch um ſo viel mehr Aufmerkſam- „keit verdienet. Unſtreitig iſt es, daß Terenz „in dem letzten Akte dem Plane des Menanders „gefolgt iſt: ob er nun aber ſchon die Unge- „reimtheit, den Micio mit der alten Mutter „zu verheyrathen, angenommen, ſo lernen wir „doch vom Donatus, daß dieſer Umſtand ihm „ſelber anſtößig geweſen, und er ſein Original „dahin verbeſſert, daß er den Micio alle den „Widerwillen gegen eine ſolche Verbindung „äußern laſſen, den er in dem Stücke des Me- „nanders, wie es ſcheinet, nicht geäußert „hatte.„ Es iſt nicht unmöglich, daß ein Römiſcher Dichter nicht einmal etwas beſſer könne gemacht haben, als ein Griechiſcher. Aber der bloßen Möglichkeit wegen, möchte ich es gern in keinem Falle glauben. Colmann meinet alſo, die Worte des Dona- tus: Apud Menandrum ſenex de nuptiis non gravatur, hießen ſo viel, als: beym Menander ſtreibet ſich der Alte gegen die Heyrath nicht. Aber wie, wenn ſie das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/389
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/389>, abgerufen am 18.12.2024.