"Jn der schönen Scene, welche zwischen der "Elektra und dem Orestes vorfällt, von dem sie "aber noch nicht weis, daß er ihr Bruder ist, "kömmt die Unterredung ganz natürlich auf die "Unglücksfälle der Elektra, und auf den Ur- "heber derselben, die Klytämnestra, so wie auch "auf die Hoffnung, welche Elektra hat, von "ihren Drangsaalen durch den Orestes befreyet "zu werden. Das Gespräch, wie es hierauf "weiter gehet, ist dieses:
"Orestes. Und Orestes? Gesetzt, er käme "nach Argos zurück --
"Elektra. Wozu diese Frage, da er, allem "Ansehen nach, niemals zurückkommen wird?
"Orestes. Aber gesetzt, er käme! Wie müßte "er es anfangen, um den Tod seines Vaters zu "rächen?
"Elektra. Sich eben deß erkühnen, wessen "die Feinde sich gegen seinen Vater erkühnten.
"Orestes. Wolltest du es wohl mit ihm wa- "gen, deine Mutter umzubringen?
"Elektra. Sie mit dem nehmlichen Eisen "umbringen, mit welchem sie meinen Vater mor- "dete!
"Orestes. Und darf ich das, als deinen festen "Eutschluß, deinem Bruder vermelden?
"Elektra. Jch will meine Mutter umbrin- "gen, oder nicht leben!
"Das
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„Jn der ſchönen Scene, welche zwiſchen der „Elektra und dem Oreſtes vorfällt, von dem ſie „aber noch nicht weis, daß er ihr Bruder iſt, „kömmt die Unterredung ganz natürlich auf die „Unglücksfälle der Elektra, und auf den Ur- „heber derſelben, die Klytämneſtra, ſo wie auch „auf die Hoffnung, welche Elektra hat, von „ihren Drangſaalen durch den Oreſtes befreyet „zu werden. Das Geſpräch, wie es hierauf „weiter gehet, iſt dieſes:
„Oreſtes. Und Oreſtes? Geſetzt, er käme „nach Argos zurück —
„Elektra. Wozu dieſe Frage, da er, allem „Anſehen nach, niemals zurückkommen wird?
„Oreſtes. Aber geſetzt, er käme! Wie müßte „er es anfangen, um den Tod ſeines Vaters zu „rächen?
„Elektra. Sich eben deß erkühnen, weſſen „die Feinde ſich gegen ſeinen Vater erkühnten.
„Oreſtes. Wollteſt du es wohl mit ihm wa- „gen, deine Mutter umzubringen?
„Elektra. Sie mit dem nehmlichen Eiſen „umbringen, mit welchem ſie meinen Vater mor- „dete!
„Oreſtes. Und darf ich das, als deinen feſten „Eutſchluß, deinem Bruder vermelden?
„Elektra. Jch will meine Mutter umbrin- „gen, oder nicht leben!
„Das
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„Jn der ſchönen Scene, welche zwiſchen der
„Elektra und dem Oreſtes vorfällt, von dem ſie
„aber noch nicht weis, daß er ihr Bruder iſt,
„kömmt die Unterredung ganz natürlich auf die
„Unglücksfälle der Elektra, und auf den Ur-
„heber derſelben, die Klytämneſtra, ſo wie auch
„auf die Hoffnung, welche Elektra hat, von
„ihren Drangſaalen durch den Oreſtes befreyet
„zu werden. Das Geſpräch, wie es hierauf
„weiter gehet, iſt dieſes:
„Oreſtes. Und Oreſtes? Geſetzt, er käme
„nach Argos zurück —
„Elektra. Wozu dieſe Frage, da er, allem
„Anſehen nach, niemals zurückkommen wird?
„Oreſtes. Aber geſetzt, er käme! Wie müßte
„er es anfangen, um den Tod ſeines Vaters zu
„rächen?
„Elektra. Sich eben deß erkühnen, weſſen
„die Feinde ſich gegen ſeinen Vater erkühnten.
„Oreſtes. Wollteſt du es wohl mit ihm wa-
„gen, deine Mutter umzubringen?
„Elektra. Sie mit dem nehmlichen Eiſen
„umbringen, mit welchem ſie meinen Vater mor-
„dete!
„Oreſtes. Und darf ich das, als deinen feſten
„Eutſchluß, deinem Bruder vermelden?
„Elektra. Jch will meine Mutter umbrin-
„gen, oder nicht leben!
„Das
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/345>, abgerufen am 16.02.2025.
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