das schaalste, linkste, hämischste Urtheil, ist ihm lieber, als kalte Bewunderung. Jenes wird er auf die eine oder die Art in seinen Nutzen zu verwenden wissen: aber was fängt er mit dieser an? Verachten möchte er die guten ehrlichen Leute nicht gern, die ihn für so etwas ausseror- dentliches halten: und doch muß er die Achseln über sie zucken. Er ist nicht eitel, aber er ist gemeiniglich stolz; und aus Stolz möchte er zehnmal lieber einen unverdienten Tadel, als ein unverdientes Lob, auf sich sitzen lassen. --
Man wird glauben, welche Kritik ich hiermit vorbereiten will. -- Wenigstens nicht bey dem Verfasser, -- höchstens nur bey einem oder dem andern Mitsprecher. Jch weiß nicht, wo ich es jüngst gedruckt lesen mußte, daß ich die Amalia meines Freundes auf Unkosten seiner übrigen Lustspiele gelobt hätte. (*) -- Auf Unkosten? aber doch wenigstens der frühern? Jch gönne es Jhnen, mein Herr, daß man niemals Jhre ältern Werke so möge tadeln können. Der Him- mel bewahre Sie vor dem tückischen Lobe: daß ihr letztes immer ihr bestes ist! --
Ham-
(*) Eben erinnere ich mich noch: in des Herrn Schmids Zusätzen zu seiner Theorie der Poesie. S. 45.
das ſchaalſte, linkſte, hämiſchſte Urtheil, iſt ihm lieber, als kalte Bewunderung. Jenes wird er auf die eine oder die Art in ſeinen Nutzen zu verwenden wiſſen: aber was fängt er mit dieſer an? Verachten möchte er die guten ehrlichen Leute nicht gern, die ihn für ſo etwas auſſeror- dentliches halten: und doch muß er die Achſeln über ſie zucken. Er iſt nicht eitel, aber er iſt gemeiniglich ſtolz; und aus Stolz möchte er zehnmal lieber einen unverdienten Tadel, als ein unverdientes Lob, auf ſich ſitzen laſſen. —
Man wird glauben, welche Kritik ich hiermit vorbereiten will. — Wenigſtens nicht bey dem Verfaſſer, — höchſtens nur bey einem oder dem andern Mitſprecher. Jch weiß nicht, wo ich es jüngſt gedruckt leſen mußte, daß ich die Amalia meines Freundes auf Unkoſten ſeiner übrigen Luſtſpiele gelobt hätte. (*) — Auf Unkoſten? aber doch wenigſtens der frühern? Jch gönne es Jhnen, mein Herr, daß man niemals Jhre ältern Werke ſo möge tadeln können. Der Him- mel bewahre Sie vor dem tückiſchen Lobe: daß ihr letztes immer ihr beſtes iſt! —
Ham-
(*) Eben erinnere ich mich noch: in des Herrn Schmids Zuſätzen zu ſeiner Theorie der Poeſie. S. 45.
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das ſchaalſte, linkſte, hämiſchſte Urtheil, iſt ihm
lieber, als kalte Bewunderung. Jenes wird
er auf die eine oder die Art in ſeinen Nutzen zu
verwenden wiſſen: aber was fängt er mit dieſer
an? Verachten möchte er die guten ehrlichen
Leute nicht gern, die ihn für ſo etwas auſſeror-
dentliches halten: und doch muß er die Achſeln
über ſie zucken. Er iſt nicht eitel, aber er iſt
gemeiniglich ſtolz; und aus Stolz möchte er
zehnmal lieber einen unverdienten Tadel, als
ein unverdientes Lob, auf ſich ſitzen laſſen. —
Man wird glauben, welche Kritik ich hiermit
vorbereiten will. — Wenigſtens nicht bey dem
Verfaſſer, — höchſtens nur bey einem oder dem
andern Mitſprecher. Jch weiß nicht, wo ich es
jüngſt gedruckt leſen mußte, daß ich die Amalia
meines Freundes auf Unkoſten ſeiner übrigen
Luſtſpiele gelobt hätte. (*) — Auf Unkoſten?
aber doch wenigſtens der frühern? Jch gönne
es Jhnen, mein Herr, daß man niemals Jhre
ältern Werke ſo möge tadeln können. Der Him-
mel bewahre Sie vor dem tückiſchen Lobe: daß
ihr letztes immer ihr beſtes iſt! —
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(*) Eben erinnere ich mich noch: in des Herrn
Schmids Zuſätzen zu ſeiner Theorie der Poeſie.
S. 45.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/174>, abgerufen am 22.11.2024.
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