Den sechs und vierzigsten Abend (Montags, den 20sten Julius,) ward Miß Sara, (*) und den sieben und vierzigsten, Tages darauf, Na- nine (**) wiederholt. Auf die Nanine folgte, der unvermuthete Ausgang, vom Marivaux, in einem Akte.
Oder, wie es wörtlicher und besser heissen würde: die unvermuthete Entwicklung. Denn es ist einer von denen Titel, die nicht sowohl den Jnhalt anzeigen, als vielmehr gleich An- fangs gewissen Einwendungen vorbauen sollen, die der Dichter gegen seinen Stoff, oder dessen Behandlung, vorher sieht. Ein Vater will seine Tochter an einen jungen Menschen verheyra- then, den sie nie gesehen hat. Sie ist mit ei- nem andern schon halb richtig, aber dieses auch schon seit so langer Zeit, daß es fast gar nicht mehr richtig ist. Unterdessen möchte sie ihn doch noch lieber, als einen ganz Unbekannten, und spielt sogar, auf sein Angeben, die Rolle einer Wahnwitzigen, um den neuen Freyer ab- zuschrecken. Dieser kömmt; aber zum Glücke ist es ein so schöner liebenswürdiger Mann, daß sie gar bald ihre Verstellung vergißt, und in aller Geschwindigkeit mit ihm einig wird. Man gebe dem Stücke einen andern Titel, und alle
Leser
(*) S. den 11ten Abend, Seite 103.
(**) S. den 27sten und 33sten und 37sten Abend, Seite 162.
Den ſechs und vierzigſten Abend (Montags, den 20ſten Julius,) ward Miß Sara, (*) und den ſieben und vierzigſten, Tages darauf, Na- nine (**) wiederholt. Auf die Nanine folgte, der unvermuthete Ausgang, vom Marivaux, in einem Akte.
Oder, wie es wörtlicher und beſſer heiſſen würde: die unvermuthete Entwicklung. Denn es iſt einer von denen Titel, die nicht ſowohl den Jnhalt anzeigen, als vielmehr gleich An- fangs gewiſſen Einwendungen vorbauen ſollen, die der Dichter gegen ſeinen Stoff, oder deſſen Behandlung, vorher ſieht. Ein Vater will ſeine Tochter an einen jungen Menſchen verheyra- then, den ſie nie geſehen hat. Sie iſt mit ei- nem andern ſchon halb richtig, aber dieſes auch ſchon ſeit ſo langer Zeit, daß es faſt gar nicht mehr richtig iſt. Unterdeſſen möchte ſie ihn doch noch lieber, als einen ganz Unbekannten, und ſpielt ſogar, auf ſein Angeben, die Rolle einer Wahnwitzigen, um den neuen Freyer ab- zuſchrecken. Dieſer kömmt; aber zum Glücke iſt es ein ſo ſchöner liebenswürdiger Mann, daß ſie gar bald ihre Verſtellung vergißt, und in aller Geſchwindigkeit mit ihm einig wird. Man gebe dem Stücke einen andern Titel, und alle
Leſer
(*) S. den 11ten Abend, Seite 103.
(**) S. den 27ſten und 33ſten und 37ſten Abend, Seite 162.
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Den ſechs und vierzigſten Abend (Montags,
den 20ſten Julius,) ward Miß Sara, (*) und
den ſieben und vierzigſten, Tages darauf, Na-
nine (**) wiederholt. Auf die Nanine folgte,
der unvermuthete Ausgang, vom Marivaux, in
einem Akte.
Oder, wie es wörtlicher und beſſer heiſſen
würde: die unvermuthete Entwicklung. Denn
es iſt einer von denen Titel, die nicht ſowohl
den Jnhalt anzeigen, als vielmehr gleich An-
fangs gewiſſen Einwendungen vorbauen ſollen,
die der Dichter gegen ſeinen Stoff, oder deſſen
Behandlung, vorher ſieht. Ein Vater will ſeine
Tochter an einen jungen Menſchen verheyra-
then, den ſie nie geſehen hat. Sie iſt mit ei-
nem andern ſchon halb richtig, aber dieſes auch
ſchon ſeit ſo langer Zeit, daß es faſt gar nicht
mehr richtig iſt. Unterdeſſen möchte ſie ihn
doch noch lieber, als einen ganz Unbekannten,
und ſpielt ſogar, auf ſein Angeben, die Rolle
einer Wahnwitzigen, um den neuen Freyer ab-
zuſchrecken. Dieſer kömmt; aber zum Glücke
iſt es ein ſo ſchöner liebenswürdiger Mann, daß
ſie gar bald ihre Verſtellung vergißt, und in
aller Geſchwindigkeit mit ihm einig wird. Man
gebe dem Stücke einen andern Titel, und alle
Leſer
(*) S. den 11ten Abend, Seite 103.
(**) S. den 27ſten und 33ſten und 37ſten Abend,
Seite 162.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/168>, abgerufen am 25.11.2024.
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