Bey dem "Lachst du mich aus?" des Demea, merkt Donatus an: Hoc verbum vultu Demeae sic profertur, ut subrisisse videa- tur invitus. Sed rursus ego sentio, amare severeque dicit. Unvergleichlich! Demea, dessen voller Ernst es war, daß er die Sängerinn, nicht als Sängerinn, sondern als eine gemeine Sklavinn halten und nutzen wollte, muß über den Einfall des Micio lachen. Micio selbst braucht nicht zu lachen: je ernsthafter er sich stellt, desto besser. Demea kann darum doch sagen: Lachst du mich aus? und muß sich zwingen wollen, sein eignes Lachen zu verbeissen. Er verbeißt es auch bald, denn das "Jch fühl es leider" sagt er wieder in einem ärgerlichen und bittern Tone. Aber so ungern, so kurz das Lachen auch ist: so große Wirkung hat es gleich- wohl. Denn einen Mann, wie Demea, hat man wirklich vors erste gewonnen, wenn man ihn nur zu lachen machen kann. Je seltner ihm diese wohlthätige Erschütterung ist, desto län- ger hält sie innerlich an; nachdem er längst alle Spur derselben auf seinem Gesichte vertilgt, dauert sie noch fort, ohne daß er es selbst weiß, und hat auf sein nächstfolgendes Betragen einen gewissen Einfluß. --
Aber wer hätte wohl bey einem Grammatiker so feine Kenntnisse gesucht? Die alten Gram- matiker waren nicht das, was wir itzt bey dem
Na-
Bey dem „Lachſt du mich aus?„ des Demea, merkt Donatus an: Hoc verbum vultu Demeæ ſic profertur, ut ſubriſiſſe videa- tur invitus. Sed rurſus ego ſentio, amare ſevereque dicit. Unvergleichlich! Demea, deſſen voller Ernſt es war, daß er die Sängerinn, nicht als Sängerinn, ſondern als eine gemeine Sklavinn halten und nutzen wollte, muß über den Einfall des Micio lachen. Micio ſelbſt braucht nicht zu lachen: je ernſthafter er ſich ſtellt, deſto beſſer. Demea kann darum doch ſagen: Lachſt du mich aus? und muß ſich zwingen wollen, ſein eignes Lachen zu verbeiſſen. Er verbeißt es auch bald, denn das „Jch fühl es leider„ ſagt er wieder in einem ärgerlichen und bittern Tone. Aber ſo ungern, ſo kurz das Lachen auch iſt: ſo große Wirkung hat es gleich- wohl. Denn einen Mann, wie Demea, hat man wirklich vors erſte gewonnen, wenn man ihn nur zu lachen machen kann. Je ſeltner ihm dieſe wohlthätige Erſchütterung iſt, deſto län- ger hält ſie innerlich an; nachdem er längſt alle Spur derſelben auf ſeinem Geſichte vertilgt, dauert ſie noch fort, ohne daß er es ſelbſt weiß, und hat auf ſein nächſtfolgendes Betragen einen gewiſſen Einfluß. —
Aber wer hätte wohl bey einem Grammatiker ſo feine Kenntniſſe geſucht? Die alten Gram- matiker waren nicht das, was wir itzt bey dem
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Bey dem „Lachſt du mich aus?„ des Demea,
merkt Donatus an: Hoc verbum vultu
Demeæ ſic profertur, ut ſubriſiſſe videa-
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amare ſevereque dicit. Unvergleichlich!
Demea, deſſen voller Ernſt es war, daß er die
Sängerinn, nicht als Sängerinn, ſondern als
eine gemeine Sklavinn halten und nutzen wollte,
muß über den Einfall des Micio lachen. Micio
ſelbſt braucht nicht zu lachen: je ernſthafter er
ſich ſtellt, deſto beſſer. Demea kann darum
doch ſagen: Lachſt du mich aus? und muß ſich
zwingen wollen, ſein eignes Lachen zu verbeiſſen.
Er verbeißt es auch bald, denn das „Jch fühl
es leider„ ſagt er wieder in einem ärgerlichen
und bittern Tone. Aber ſo ungern, ſo kurz das
Lachen auch iſt: ſo große Wirkung hat es gleich-
wohl. Denn einen Mann, wie Demea, hat
man wirklich vors erſte gewonnen, wenn man
ihn nur zu lachen machen kann. Je ſeltner ihm
dieſe wohlthätige Erſchütterung iſt, deſto län-
ger hält ſie innerlich an; nachdem er längſt alle
Spur derſelben auf ſeinem Geſichte vertilgt,
dauert ſie noch fort, ohne daß er es ſelbſt weiß,
und hat auf ſein nächſtfolgendes Betragen einen
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/162>, abgerufen am 24.11.2024.
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