ten, da will er es wieder mit ihm anfangen, wo er es heute gelassen hat; die Sängerinn, die diesem der Vetter gekauft, will er zwar mitneh- men, denn es ist doch immer eine Sklavinn mehr, und eine, die ihm nichts kostet; aber zu singen wird sie nicht viel bekommen, sie soll kochen und backen. Jn der darauf folgenden vierten Scene des fünften Akts, wo Demea allein ist, scheint es zwar, wenn man seine Worte nur so obenhin nimt, als ob er völlig von seiner alten Den- kungsart abgehen, und nach den Grundsätzen des Micio zu handeln anfangen wolle. (*) Doch die Folge zeigt es, daß man alles das nur von dem heutigen Zwange, den er sich anthun soll, verstehen muß. Denn auch diesen Zwang weiß er hernach so zu nutzen, daß er zu der förmlich- sten hämischsten Verspottung seines gefälligen Bruders ausschlägt. Er stellt sich lustig, um die andern wahre Ausschweifungen und Tollhei- ten begehen zu lassen; er macht in dem verbind- lichsten Tone die bittersten Vorwürfe; er wird nicht freygebig, sondern er spielt den Verschwen- der; und wohl zu merken, weder von dem Sei- nigen, noch in einer andern Absicht, als um al- les, was er Verschwenden nennt, lächerlich zu machen. Dieses erhellet unwidersprechlich aus
dem,
(*)-- Nam ego vitam duram, quam vixi usque adhuc Prope jam excurso spatio mitto --
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ten, da will er es wieder mit ihm anfangen, wo er es heute gelaſſen hat; die Sängerinn, die dieſem der Vetter gekauft, will er zwar mitneh- men, denn es iſt doch immer eine Sklavinn mehr, und eine, die ihm nichts koſtet; aber zu ſingen wird ſie nicht viel bekommen, ſie ſoll kochen und backen. Jn der darauf folgenden vierten Scene des fünften Akts, wo Demea allein iſt, ſcheint es zwar, wenn man ſeine Worte nur ſo obenhin nimt, als ob er völlig von ſeiner alten Den- kungsart abgehen, und nach den Grundſätzen des Micio zu handeln anfangen wolle. (*) Doch die Folge zeigt es, daß man alles das nur von dem heutigen Zwange, den er ſich anthun ſoll, verſtehen muß. Denn auch dieſen Zwang weiß er hernach ſo zu nutzen, daß er zu der förmlich- ſten hämiſchſten Verſpottung ſeines gefälligen Bruders ausſchlägt. Er ſtellt ſich luſtig, um die andern wahre Ausſchweifungen und Tollhei- ten begehen zu laſſen; er macht in dem verbind- lichſten Tone die bitterſten Vorwürfe; er wird nicht freygebig, ſondern er ſpielt den Verſchwen- der; und wohl zu merken, weder von dem Sei- nigen, noch in einer andern Abſicht, als um al- les, was er Verſchwenden nennt, lächerlich zu machen. Dieſes erhellet unwiderſprechlich aus
dem,
(*)— Nam ego vitam duram, quam vixi usque adhuc Prope jam excurſo ſpatio mitto —
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ten, da will er es wieder mit ihm anfangen, wo
er es heute gelaſſen hat; die Sängerinn, die
dieſem der Vetter gekauft, will er zwar mitneh-
men, denn es iſt doch immer eine Sklavinn mehr,
und eine, die ihm nichts koſtet; aber zu ſingen
wird ſie nicht viel bekommen, ſie ſoll kochen und
backen. Jn der darauf folgenden vierten Scene
des fünften Akts, wo Demea allein iſt, ſcheint
es zwar, wenn man ſeine Worte nur ſo obenhin
nimt, als ob er völlig von ſeiner alten Den-
kungsart abgehen, und nach den Grundſätzen
des Micio zu handeln anfangen wolle. (*) Doch
die Folge zeigt es, daß man alles das nur von
dem heutigen Zwange, den er ſich anthun ſoll,
verſtehen muß. Denn auch dieſen Zwang weiß
er hernach ſo zu nutzen, daß er zu der förmlich-
ſten hämiſchſten Verſpottung ſeines gefälligen
Bruders ausſchlägt. Er ſtellt ſich luſtig, um
die andern wahre Ausſchweifungen und Tollhei-
ten begehen zu laſſen; er macht in dem verbind-
lichſten Tone die bitterſten Vorwürfe; er wird
nicht freygebig, ſondern er ſpielt den Verſchwen-
der; und wohl zu merken, weder von dem Sei-
nigen, noch in einer andern Abſicht, als um al-
les, was er Verſchwenden nennt, lächerlich zu
machen. Dieſes erhellet unwiderſprechlich aus
dem,
(*) — Nam ego vitam duram, quam vixi
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/153>, abgerufen am 24.11.2024.
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