"Tragödien, wovon wir reden, der edle Hans- "wurst vorstellt, der sich, vermuthlich zum ewi- "gen Denkmal des Geschmacks unserer Vorel- "tern, auf dem Theater der Hauptstadt des "deutschen Reiches erhalten zu wollen scheinet. "Wollte Gott, daß er seine Person allein auf "dem Theater vorstellte! Aber wie viel große "Aufzüge auf dem Schauplatze der Welt hat "man nicht in allen Zeiten mit Hanswurst, -- "oder, welches noch ein wenig ärger ist, durch "Hanswurst, -- aufführen gesehen? Wie oft ha- "ben die größesten Männer, dazu gebohren, die "schützenden Genii eines Throns, die Wohlthä- "ter ganzer Völker und Zeitalter zu seyn, alle "ihre Weisheit und Tapferkeit durch einen klei- "nen schnakischen Streich von Hanswurst, oder "solchen Leuten vereitelt sehen müssen, welche, "ohne eben sein Wamms und seine gelben Hosen "zu tragen, doch gewiß seinen ganzen Charakter "an sich trugen? Wie oft entsteht in beiden Ar- "ten der Tragi-Komödien die Verwicklung selbst "lediglich daher, daß Hanswurst durch irgend "ein dummes und schelmisches Stückchen von "seiner Arbeit den gescheidten Leuten, eh sie sichs "versehen können, ihr Spiel verderbt?" --
Wenn in dieser Vergleichung des großen und kleinen, des ursprünglichen und nachgebildeten, heroischen Possenspiels -- (die ich mit Vergnü-
gen
„Tragödien, wovon wir reden, der edle Hans- „wurſt vorſtellt, der ſich, vermuthlich zum ewi- „gen Denkmal des Geſchmacks unſerer Vorel- „tern, auf dem Theater der Hauptſtadt des „deutſchen Reiches erhalten zu wollen ſcheinet. „Wollte Gott, daß er ſeine Perſon allein auf „dem Theater vorſtellte! Aber wie viel große „Aufzüge auf dem Schauplatze der Welt hat „man nicht in allen Zeiten mit Hanswurſt, — „oder, welches noch ein wenig ärger iſt, durch „Hanswurſt, — aufführen geſehen? Wie oft ha- „ben die größeſten Männer, dazu gebohren, die „ſchützenden Genii eines Throns, die Wohlthä- „ter ganzer Völker und Zeitalter zu ſeyn, alle „ihre Weisheit und Tapferkeit durch einen klei- „nen ſchnakiſchen Streich von Hanswurſt, oder „ſolchen Leuten vereitelt ſehen müſſen, welche, „ohne eben ſein Wamms und ſeine gelben Hoſen „zu tragen, doch gewiß ſeinen ganzen Charakter „an ſich trugen? Wie oft entſteht in beiden Ar- „ten der Tragi-Komödien die Verwicklung ſelbſt „lediglich daher, daß Hanswurſt durch irgend „ein dummes und ſchelmiſches Stückchen von „ſeiner Arbeit den geſcheidten Leuten, eh ſie ſichs „verſehen können, ihr Spiel verderbt?„ —
Wenn in dieſer Vergleichung des großen und kleinen, des urſprünglichen und nachgebildeten, heroiſchen Poſſenſpiels — (die ich mit Vergnü-
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„Tragödien, wovon wir reden, der edle Hans-
„wurſt vorſtellt, der ſich, vermuthlich zum ewi-
„gen Denkmal des Geſchmacks unſerer Vorel-
„tern, auf dem Theater der Hauptſtadt des
„deutſchen Reiches erhalten zu wollen ſcheinet.
„Wollte Gott, daß er ſeine Perſon allein auf
„dem Theater vorſtellte! Aber wie viel große
„Aufzüge auf dem Schauplatze der Welt hat
„man nicht in allen Zeiten mit Hanswurſt, —
„oder, welches noch ein wenig ärger iſt, durch
„Hanswurſt, — aufführen geſehen? Wie oft ha-
„ben die größeſten Männer, dazu gebohren, die
„ſchützenden Genii eines Throns, die Wohlthä-
„ter ganzer Völker und Zeitalter zu ſeyn, alle
„ihre Weisheit und Tapferkeit durch einen klei-
„nen ſchnakiſchen Streich von Hanswurſt, oder
„ſolchen Leuten vereitelt ſehen müſſen, welche,
„ohne eben ſein Wamms und ſeine gelben Hoſen
„zu tragen, doch gewiß ſeinen ganzen Charakter
„an ſich trugen? Wie oft entſteht in beiden Ar-
„ten der Tragi-Komödien die Verwicklung ſelbſt
„lediglich daher, daß Hanswurſt durch irgend
„ein dummes und ſchelmiſches Stückchen von
„ſeiner Arbeit den geſcheidten Leuten, eh ſie ſichs
„verſehen können, ihr Spiel verderbt?„ —
Wenn in dieſer Vergleichung des großen und
kleinen, des urſprünglichen und nachgebildeten,
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/141>, abgerufen am 24.11.2024.
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