[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].
fen seyn, was mir zuerst vorkömmt!" Die- ser Zug ist vortrefflich. Auf einmal ist sie wie- der mit ihrer ganzen Seele bey demjenigen Gra- fen, an den sie itzt nicht denken wollte. Seine Liebe zur Blanca ist ein Stachel in ihrem Her- zen, der ihr das Leben zur Last macht. Bis sie der Tod von dieser Marter befreye, will sie bey dem Bruder des Todes Linderung suchen: und so fällt sie in Schlaf. Jndem tritt Blanca herein, und hat eine von den Pistolen des Grafen, die sie in ihrem Zim- mer gefunden. (Der Dichter hatte sie, zu An- fange dieses Akts, nicht vergebens dahin tragen lassen.) Sie findet die Königinn allein und ent- schlafen: was für einen bequemern Augenblick könnte sie sich wünschen? Aber eben hat der Graf die Blanca gesucht, und sie in ihrem Zim- mer nicht getroffen. Ohne Zweifel erräth man, was nun geschieht. Er kömmt also, sie hier zu suchen; und kömmt eben noch zurecht, der Blanca in den mörderischen Arm zu fallen, und ihr die Pistole, die sie auf die Königinn schon gespannt hat, zu entreissen. Jndem er aber mit ihr ringt, geht der Schuß los: die Königinn erwacht, und alles kömmt aus dem Schlosse herzugelaufen. Die Königinn. (im Erwachen) Ha! Was ist das? Der N 3
fen ſeyn, was mir zuerſt vorkömmt!„ Die- ſer Zug iſt vortrefflich. Auf einmal iſt ſie wie- der mit ihrer ganzen Seele bey demjenigen Gra- fen, an den ſie itzt nicht denken wollte. Seine Liebe zur Blanca iſt ein Stachel in ihrem Her- zen, der ihr das Leben zur Laſt macht. Bis ſie der Tod von dieſer Marter befreye, will ſie bey dem Bruder des Todes Linderung ſuchen: und ſo fällt ſie in Schlaf. Jndem tritt Blanca herein, und hat eine von den Piſtolen des Grafen, die ſie in ihrem Zim- mer gefunden. (Der Dichter hatte ſie, zu An- fange dieſes Akts, nicht vergebens dahin tragen laſſen.) Sie findet die Königinn allein und ent- ſchlafen: was für einen bequemern Augenblick könnte ſie ſich wünſchen? Aber eben hat der Graf die Blanca geſucht, und ſie in ihrem Zim- mer nicht getroffen. Ohne Zweifel erräth man, was nun geſchieht. Er kömmt alſo, ſie hier zu ſuchen; und kömmt eben noch zurecht, der Blanca in den mörderiſchen Arm zu fallen, und ihr die Piſtole, die ſie auf die Königinn ſchon geſpannt hat, zu entreiſſen. Jndem er aber mit ihr ringt, geht der Schuß los: die Königinn erwacht, und alles kömmt aus dem Schloſſe herzugelaufen. Die Königinn. (im Erwachen) Ha! Was iſt das? Der N 3
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fen ſeyn, was mir zuerſt vorkömmt!„ Die-
ſer Zug iſt vortrefflich. Auf einmal iſt ſie wie-
der mit ihrer ganzen Seele bey demjenigen Gra-
fen, an den ſie itzt nicht denken wollte. Seine
Liebe zur Blanca iſt ein Stachel in ihrem Her-
zen, der ihr das Leben zur Laſt macht. Bis ſie
der Tod von dieſer Marter befreye, will ſie bey
dem Bruder des Todes Linderung ſuchen: und
ſo fällt ſie in Schlaf.
Jndem tritt Blanca herein, und hat eine von
den Piſtolen des Grafen, die ſie in ihrem Zim-
mer gefunden. (Der Dichter hatte ſie, zu An-
fange dieſes Akts, nicht vergebens dahin tragen
laſſen.) Sie findet die Königinn allein und ent-
ſchlafen: was für einen bequemern Augenblick
könnte ſie ſich wünſchen? Aber eben hat der
Graf die Blanca geſucht, und ſie in ihrem Zim-
mer nicht getroffen. Ohne Zweifel erräth man,
was nun geſchieht. Er kömmt alſo, ſie hier zu
ſuchen; und kömmt eben noch zurecht, der
Blanca in den mörderiſchen Arm zu fallen, und
ihr die Piſtole, die ſie auf die Königinn ſchon
geſpannt hat, zu entreiſſen. Jndem er aber
mit ihr ringt, geht der Schuß los: die Königinn
erwacht, und alles kömmt aus dem Schloſſe
herzugelaufen.
Die Königinn. (im Erwachen) Ha! Was
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