ladet; sein Schulwitz, sein Masuren, sind da- her frostiger als lächerlich. Aber dem ohnge- achtet, -- und nur dieses wollte ich sagen, -- sind seine lustigen Stücke am wahren Komischen so geringhaltig noch nicht, als sie ein verzärtelter Geschmack findet; sie haben Scenen mit unter, die uns aus Herzensgrunde zu lachen machen, und die ihm allein einen ansehnlichen Rang unter den komischen Dichtern versichern könnten.
Hierauf folget ein neues Lustspiel in einem Aufzuge, betittelt, die neue Agnese.
Madame Gertrude spielte vor den Augen der Welt die fromme Spröde; aber insgeheim war sie die gefällige feurige Freundinn eines gewissen Bernard. Wie glücklich, o wie glücklich machst du mich, Bernard! rief sie einst in der Ent- zückung, und ward von ihrer Tochter behorcht. Morgens darauf fragt das liebe einfältige Mäd- chen: Aber, Mamma, wer ist denn der Bernard, der die Leute glücklich macht? Die Mutter merkte sich verrathen, faßte sich aber geschwind. Es ist der Heilige, meine Tochter, den ich mir kürzlich gewählt habe; einer von den größten im Paradiese. Nicht lange, so ward die Tochter mit einem gewissen Hilar bekannt. Das gute Kind fand in seinem Umgange recht viel Ver- gnügen; Mamma bekömmt Verdacht; Mamma beschleicht das glückliche Paar; und da bekömmt Mamma von dem Töchterchen eben so schöne
Seuf-
K 2
ladet; ſein Schulwitz, ſein Maſuren, ſind da- her froſtiger als laͤcherlich. Aber dem ohnge- achtet, — und nur dieſes wollte ich ſagen, — ſind ſeine luſtigen Stuͤcke am wahren Komiſchen ſo geringhaltig noch nicht, als ſie ein verzaͤrtelter Geſchmack findet; ſie haben Scenen mit unter, die uns aus Herzensgrunde zu lachen machen, und die ihm allein einen anſehnlichen Rang unter den komiſchen Dichtern verſichern koͤnnten.
Hierauf folget ein neues Luſtſpiel in einem Aufzuge, betittelt, die neue Agneſe.
Madame Gertrude ſpielte vor den Augen der Welt die fromme Sproͤde; aber insgeheim war ſie die gefaͤllige feurige Freundinn eines gewiſſen Bernard. Wie gluͤcklich, o wie gluͤcklich machſt du mich, Bernard! rief ſie einſt in der Ent- zuͤckung, und ward von ihrer Tochter behorcht. Morgens darauf fragt das liebe einfaͤltige Maͤd- chen: Aber, Mamma, wer iſt denn der Bernard, der die Leute gluͤcklich macht? Die Mutter merkte ſich verrathen, faßte ſich aber geſchwind. Es iſt der Heilige, meine Tochter, den ich mir kuͤrzlich gewaͤhlt habe; einer von den groͤßten im Paradieſe. Nicht lange, ſo ward die Tochter mit einem gewiſſen Hilar bekannt. Das gute Kind fand in ſeinem Umgange recht viel Ver- gnuͤgen; Mamma bekoͤmmt Verdacht; Mamma beſchleicht das gluͤckliche Paar; und da bekoͤmmt Mamma von dem Toͤchterchen eben ſo ſchoͤne
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ladet; ſein Schulwitz, ſein Maſuren, ſind da-
her froſtiger als laͤcherlich. Aber dem ohnge-
achtet, — und nur dieſes wollte ich ſagen, —
ſind ſeine luſtigen Stuͤcke am wahren Komiſchen
ſo geringhaltig noch nicht, als ſie ein verzaͤrtelter
Geſchmack findet; ſie haben Scenen mit unter,
die uns aus Herzensgrunde zu lachen machen,
und die ihm allein einen anſehnlichen Rang unter
den komiſchen Dichtern verſichern koͤnnten.
Hierauf folget ein neues Luſtſpiel in einem
Aufzuge, betittelt, die neue Agneſe.
Madame Gertrude ſpielte vor den Augen der
Welt die fromme Sproͤde; aber insgeheim war
ſie die gefaͤllige feurige Freundinn eines gewiſſen
Bernard. Wie gluͤcklich, o wie gluͤcklich machſt
du mich, Bernard! rief ſie einſt in der Ent-
zuͤckung, und ward von ihrer Tochter behorcht.
Morgens darauf fragt das liebe einfaͤltige Maͤd-
chen: Aber, Mamma, wer iſt denn der Bernard,
der die Leute gluͤcklich macht? Die Mutter
merkte ſich verrathen, faßte ſich aber geſchwind.
Es iſt der Heilige, meine Tochter, den ich mir
kuͤrzlich gewaͤhlt habe; einer von den groͤßten im
Paradieſe. Nicht lange, ſo ward die Tochter
mit einem gewiſſen Hilar bekannt. Das gute
Kind fand in ſeinem Umgange recht viel Ver-
gnuͤgen; Mamma bekoͤmmt Verdacht; Mamma
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Mamma von dem Toͤchterchen eben ſo ſchoͤne
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/89>, abgerufen am 22.11.2024.
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