Die Vorstellungen des ersten Abends, wur- den den zweyten wiederhohlt.
Den dritten Abend (Freytags, den 24sten v. M.) ward Melanide aufgeführet. Dieses Stück des Nivelle de la Chaussee ist bekannt. Es ist von der rührenden Gattung, der man den spöttischen Beynamen, der Weinerlichen, gegeben. Wenn weinerlich heißt, was uns die Thränen nahe bringt, wobey wir nicht übel Lust hätten zu weinen, so sind verschiedene Stücke von dieser Gattung etwas mehr, als weinerlich; sie kosten einer empfindlichen Seele Ströme von Thränen; und der gemeine Praß französischer Trauerspiele verdienet, in Vergleichung ihrer, allein weinerlich genannt zu werden. Denn eben bringen sie es ungefähr so weit, daß uns
wird,
H
Hamburgiſche Dramaturgie. Achtes Stuͤck.
Den 26ſten May, 1767.
Die Vorſtellungen des erſten Abends, wur- den den zweyten wiederhohlt.
Den dritten Abend (Freytags, den 24ſten v. M.) ward Melanide aufgefuͤhret. Dieſes Stuͤck des Nivelle de la Chauſſee iſt bekannt. Es iſt von der ruͤhrenden Gattung, der man den ſpoͤttiſchen Beynamen, der Weinerlichen, gegeben. Wenn weinerlich heißt, was uns die Thraͤnen nahe bringt, wobey wir nicht uͤbel Luſt haͤtten zu weinen, ſo ſind verſchiedene Stuͤcke von dieſer Gattung etwas mehr, als weinerlich; ſie koſten einer empfindlichen Seele Stroͤme von Thraͤnen; und der gemeine Praß franzoͤſiſcher Trauerſpiele verdienet, in Vergleichung ihrer, allein weinerlich genannt zu werden. Denn eben bringen ſie es ungefaͤhr ſo weit, daß uns
wird,
H
<TEI><text><body><pbfacs="#f0071"n="[57]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Hamburgiſche<lb/><hirendition="#g">Dramaturgie.</hi><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Achtes Stuͤck.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><dateline><hirendition="#c">Den 26ſten May, 1767.</hi></dateline><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Vorſtellungen des erſten Abends, wur-<lb/>
den den zweyten wiederhohlt.</p><lb/><p>Den dritten Abend (Freytags, den 24ſten<lb/>
v. M.) ward Melanide aufgefuͤhret. Dieſes<lb/>
Stuͤck des Nivelle de la Chauſſee iſt bekannt.<lb/>
Es iſt von der ruͤhrenden Gattung, der man<lb/>
den ſpoͤttiſchen Beynamen, der Weinerlichen,<lb/>
gegeben. Wenn weinerlich heißt, was uns die<lb/>
Thraͤnen nahe bringt, wobey wir nicht uͤbel Luſt<lb/>
haͤtten zu weinen, ſo ſind verſchiedene Stuͤcke<lb/>
von dieſer Gattung etwas mehr, als weinerlich;<lb/>ſie koſten einer empfindlichen Seele Stroͤme von<lb/>
Thraͤnen; und der gemeine Praß franzoͤſiſcher<lb/>
Trauerſpiele verdienet, in Vergleichung ihrer,<lb/>
allein weinerlich genannt zu werden. Denn<lb/>
eben bringen ſie es ungefaͤhr ſo weit, daß uns<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H</fw><fwplace="bottom"type="catch">wird,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[[57]/0071]
Hamburgiſche
Dramaturgie.
Achtes Stuͤck.
Den 26ſten May, 1767.
Die Vorſtellungen des erſten Abends, wur-
den den zweyten wiederhohlt.
Den dritten Abend (Freytags, den 24ſten
v. M.) ward Melanide aufgefuͤhret. Dieſes
Stuͤck des Nivelle de la Chauſſee iſt bekannt.
Es iſt von der ruͤhrenden Gattung, der man
den ſpoͤttiſchen Beynamen, der Weinerlichen,
gegeben. Wenn weinerlich heißt, was uns die
Thraͤnen nahe bringt, wobey wir nicht uͤbel Luſt
haͤtten zu weinen, ſo ſind verſchiedene Stuͤcke
von dieſer Gattung etwas mehr, als weinerlich;
ſie koſten einer empfindlichen Seele Stroͤme von
Thraͤnen; und der gemeine Praß franzoͤſiſcher
Trauerſpiele verdienet, in Vergleichung ihrer,
allein weinerlich genannt zu werden. Denn
eben bringen ſie es ungefaͤhr ſo weit, daß uns
wird,
H
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. [57]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/71>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.