es mehrere, die nicht einen Augenblick anstehen, ihn einem Garrick weit vorzuziehen. "Was? sagen sie, Garrick der größte Akteur? Er schien ja nicht über das Gespenst erschrocken, sondern er war es. Was ist das für eine Kunst, über ein Gespenst zu erschrecken? Gewiß und wahr- haftig, wenn wir den Geist gesehen hätten, so würden wir eben so ausgesehen, und eben das gethan haben, was er that. Der andere hin- gegen, der König, schien wohl auch, etwas ge- rührt zu seyn, aber als ein guter Akteur gab er sich doch alle mögliche Mühe, es zu verbergen. Zu dem sprach er alle Worte so deutlich aus, und redete noch einmal so laut, als jener kleine unan- sehnliche Mann, aus dem ihr so ein Aufhebens macht!"
Bey den Engländern hat jedes neue Stück seinen Prolog und Epilog, den entweder der Verfasser selbst, oder ein Freund desselben, ab- fasset. Wozu die Alten den Prolog brauchten, den Zuhörer von verschiedenen Dingen zu un- terrichten, die zu einem geschwindern Verständ- nisse der zum Grunde liegenden Geschichte des Stückes dienen, dazu brauchen sie ihn zwar nicht. Aber er ist darum doch nicht ohne Nutzen. Sie wissen hunderterley darinn zu sagen, was das Anditorium für den Dichter, oder für den von ihm bearbeiteten Stoff einnehmen, und un-
billigen
es mehrere, die nicht einen Augenblick anſtehen, ihn einem Garrick weit vorzuziehen. 〟Was? ſagen ſie, Garrick der groͤßte Akteur? Er ſchien ja nicht uͤber das Geſpenſt erſchrocken, ſondern er war es. Was iſt das fuͤr eine Kunſt, uͤber ein Geſpenſt zu erſchrecken? Gewiß und wahr- haftig, wenn wir den Geiſt geſehen haͤtten, ſo wuͤrden wir eben ſo ausgeſehen, und eben das gethan haben, was er that. Der andere hin- gegen, der Koͤnig, ſchien wohl auch, etwas ge- ruͤhrt zu ſeyn, aber als ein guter Akteur gab er ſich doch alle moͤgliche Muͤhe, es zu verbergen. Zu dem ſprach er alle Worte ſo deutlich aus, und redete noch einmal ſo laut, als jener kleine unan- ſehnliche Mann, aus dem ihr ſo ein Aufhebens macht!〟
Bey den Englaͤndern hat jedes neue Stuͤck ſeinen Prolog und Epilog, den entweder der Verfaſſer ſelbſt, oder ein Freund deſſelben, ab- faſſet. Wozu die Alten den Prolog brauchten, den Zuhoͤrer von verſchiedenen Dingen zu un- terrichten, die zu einem geſchwindern Verſtaͤnd- niſſe der zum Grunde liegenden Geſchichte des Stuͤckes dienen, dazu brauchen ſie ihn zwar nicht. Aber er iſt darum doch nicht ohne Nutzen. Sie wiſſen hunderterley darinn zu ſagen, was das Anditorium fuͤr den Dichter, oder fuͤr den von ihm bearbeiteten Stoff einnehmen, und un-
billigen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0068"n="54"/>
es mehrere, die nicht einen Augenblick anſtehen,<lb/>
ihn einem Garrick weit vorzuziehen. 〟Was?<lb/>ſagen ſie, Garrick der groͤßte Akteur? Er ſchien<lb/>
ja nicht uͤber das Geſpenſt erſchrocken, ſondern<lb/>
er war es. Was iſt das fuͤr eine Kunſt, uͤber<lb/>
ein Geſpenſt zu erſchrecken? Gewiß und wahr-<lb/>
haftig, wenn wir den Geiſt geſehen haͤtten, ſo<lb/>
wuͤrden wir eben ſo ausgeſehen, und eben das<lb/>
gethan haben, was er that. Der andere hin-<lb/>
gegen, der Koͤnig, ſchien wohl auch, etwas ge-<lb/>
ruͤhrt zu ſeyn, aber als ein guter Akteur gab er<lb/>ſich doch alle moͤgliche Muͤhe, es zu verbergen.<lb/>
Zu dem ſprach er alle Worte ſo deutlich aus, und<lb/>
redete noch einmal ſo laut, als jener kleine unan-<lb/>ſehnliche Mann, aus dem ihr ſo ein Aufhebens<lb/>
macht!〟</p><lb/><p>Bey den Englaͤndern hat jedes neue Stuͤck<lb/>ſeinen Prolog und Epilog, den entweder der<lb/>
Verfaſſer ſelbſt, oder ein Freund deſſelben, ab-<lb/>
faſſet. Wozu die Alten den Prolog brauchten,<lb/>
den Zuhoͤrer von verſchiedenen Dingen zu un-<lb/>
terrichten, die zu einem geſchwindern Verſtaͤnd-<lb/>
niſſe der zum Grunde liegenden Geſchichte des<lb/>
Stuͤckes dienen, dazu brauchen ſie ihn zwar<lb/>
nicht. Aber er iſt darum doch nicht ohne Nutzen.<lb/>
Sie wiſſen hunderterley darinn zu ſagen, was<lb/>
das Anditorium fuͤr den Dichter, oder fuͤr den<lb/>
von ihm bearbeiteten Stoff einnehmen, und un-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">billigen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[54/0068]
es mehrere, die nicht einen Augenblick anſtehen,
ihn einem Garrick weit vorzuziehen. 〟Was?
ſagen ſie, Garrick der groͤßte Akteur? Er ſchien
ja nicht uͤber das Geſpenſt erſchrocken, ſondern
er war es. Was iſt das fuͤr eine Kunſt, uͤber
ein Geſpenſt zu erſchrecken? Gewiß und wahr-
haftig, wenn wir den Geiſt geſehen haͤtten, ſo
wuͤrden wir eben ſo ausgeſehen, und eben das
gethan haben, was er that. Der andere hin-
gegen, der Koͤnig, ſchien wohl auch, etwas ge-
ruͤhrt zu ſeyn, aber als ein guter Akteur gab er
ſich doch alle moͤgliche Muͤhe, es zu verbergen.
Zu dem ſprach er alle Worte ſo deutlich aus, und
redete noch einmal ſo laut, als jener kleine unan-
ſehnliche Mann, aus dem ihr ſo ein Aufhebens
macht!〟
Bey den Englaͤndern hat jedes neue Stuͤck
ſeinen Prolog und Epilog, den entweder der
Verfaſſer ſelbſt, oder ein Freund deſſelben, ab-
faſſet. Wozu die Alten den Prolog brauchten,
den Zuhoͤrer von verſchiedenen Dingen zu un-
terrichten, die zu einem geſchwindern Verſtaͤnd-
niſſe der zum Grunde liegenden Geſchichte des
Stuͤckes dienen, dazu brauchen ſie ihn zwar
nicht. Aber er iſt darum doch nicht ohne Nutzen.
Sie wiſſen hunderterley darinn zu ſagen, was
das Anditorium fuͤr den Dichter, oder fuͤr den
von ihm bearbeiteten Stoff einnehmen, und un-
billigen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/68>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.