Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

Beste nicht anders, als in einem sehr zweydeuti-
gen Lichte erscheinen. Wenn wir ihn auch den
Verdruß, den uns der Dichter verursacht, nicht
mit entgelten lassen, so sind wir doch nicht auf-
geräumt genug, ihm alle die Gerechtigkeit zu
erweisen, die er verdienet.

Den Beschluß des ersten Abends machte der
Triumph der vergangenen Zeit, ein Lustspiel in
einem Aufzuge, nach dem Französischen des
le Grand. Es ist eines von den drey kleinen
Stücken, welche le Grand unter dem allgemei-
nen Tittel, der Triumph der Zeit, im Jahr
1724 auf die französische Bühne brachte, nach-
dem er den Stoff desselben, bereits einige Jahre
vorher, unter der Aufschrift, die lächerlichen
Verliebten, behandelt, aber wenig Beyfall da-
mit erhalten hatte. Der Einfall, der dabey
zum Grunde liegt, ist drollig genug, und einige
Situationen sind sehr lächerlich. Nur ist das
Lächerliche von der Art, wie es sich mehr für eine
satyrische Erzählung, als auf die Bühne schickt.
Der Sieg der Zeit über Schönheit und Jugend
macht eine traurige Idee; die Einbildung eines
sechszigjährigen Gecks und einer eben so alten
Närrinn, daß die Zeit nur über ihre Reitze keine
Gewalt sollte gehabt haben, ist zwar lächerlich;
aber diesen Geck und diese Närrinn selbst zu sehen,
ist eckelhafter, als lächerlich.

Ham-

Beſte nicht anders, als in einem ſehr zweydeuti-
gen Lichte erſcheinen. Wenn wir ihn auch den
Verdruß, den uns der Dichter verurſacht, nicht
mit entgelten laſſen, ſo ſind wir doch nicht auf-
geraͤumt genug, ihm alle die Gerechtigkeit zu
erweiſen, die er verdienet.

Den Beſchluß des erſten Abends machte der
Triumph der vergangenen Zeit, ein Luſtſpiel in
einem Aufzuge, nach dem Franzoͤſiſchen des
le Grand. Es iſt eines von den drey kleinen
Stuͤcken, welche le Grand unter dem allgemei-
nen Tittel, der Triumph der Zeit, im Jahr
1724 auf die franzoͤſiſche Buͤhne brachte, nach-
dem er den Stoff deſſelben, bereits einige Jahre
vorher, unter der Aufſchrift, die laͤcherlichen
Verliebten, behandelt, aber wenig Beyfall da-
mit erhalten hatte. Der Einfall, der dabey
zum Grunde liegt, iſt drollig genug, und einige
Situationen ſind ſehr laͤcherlich. Nur iſt das
Laͤcherliche von der Art, wie es ſich mehr fuͤr eine
ſatyriſche Erzaͤhlung, als auf die Buͤhne ſchickt.
Der Sieg der Zeit uͤber Schoͤnheit und Jugend
macht eine traurige Idee; die Einbildung eines
ſechszigjaͤhrigen Gecks und einer eben ſo alten
Naͤrrinn, daß die Zeit nur uͤber ihre Reitze keine
Gewalt ſollte gehabt haben, iſt zwar laͤcherlich;
aber dieſen Geck und dieſe Naͤrrinn ſelbſt zu ſehen,
iſt eckelhafter, als laͤcherlich.

Ham-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="40"/>
Be&#x017F;te nicht anders, als in einem &#x017F;ehr zweydeuti-<lb/>
gen Lichte er&#x017F;cheinen. Wenn wir ihn auch den<lb/>
Verdruß, den uns der Dichter verur&#x017F;acht, nicht<lb/>
mit entgelten la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o &#x017F;ind wir doch nicht auf-<lb/>
gera&#x0364;umt genug, ihm alle die Gerechtigkeit zu<lb/>
erwei&#x017F;en, die er verdienet.</p><lb/>
        <p>Den Be&#x017F;chluß des er&#x017F;ten Abends machte der<lb/>
Triumph der vergangenen Zeit, ein Lu&#x017F;t&#x017F;piel in<lb/>
einem Aufzuge, nach dem Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen des<lb/>
le Grand. Es i&#x017F;t eines von den drey kleinen<lb/>
Stu&#x0364;cken, welche le Grand unter dem allgemei-<lb/>
nen Tittel, der Triumph der Zeit, im Jahr<lb/>
1724 auf die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Bu&#x0364;hne brachte, nach-<lb/>
dem er den Stoff de&#x017F;&#x017F;elben, bereits einige Jahre<lb/>
vorher, unter der Auf&#x017F;chrift, die la&#x0364;cherlichen<lb/>
Verliebten, behandelt, aber wenig Beyfall da-<lb/>
mit erhalten hatte. Der Einfall, der dabey<lb/>
zum Grunde liegt, i&#x017F;t drollig genug, und einige<lb/>
Situationen &#x017F;ind &#x017F;ehr la&#x0364;cherlich. Nur i&#x017F;t das<lb/>
La&#x0364;cherliche von der Art, wie es &#x017F;ich mehr fu&#x0364;r eine<lb/>
&#x017F;atyri&#x017F;che Erza&#x0364;hlung, als auf die Bu&#x0364;hne &#x017F;chickt.<lb/>
Der Sieg der Zeit u&#x0364;ber Scho&#x0364;nheit und Jugend<lb/>
macht eine traurige Idee; die Einbildung eines<lb/>
&#x017F;echszigja&#x0364;hrigen Gecks und einer eben &#x017F;o alten<lb/>
Na&#x0364;rrinn, daß die Zeit nur u&#x0364;ber ihre Reitze keine<lb/>
Gewalt &#x017F;ollte gehabt haben, i&#x017F;t zwar la&#x0364;cherlich;<lb/>
aber die&#x017F;en Geck und die&#x017F;e Na&#x0364;rrinn &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;ehen,<lb/>
i&#x017F;t eckelhafter, als la&#x0364;cherlich.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Ham-</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0054] Beſte nicht anders, als in einem ſehr zweydeuti- gen Lichte erſcheinen. Wenn wir ihn auch den Verdruß, den uns der Dichter verurſacht, nicht mit entgelten laſſen, ſo ſind wir doch nicht auf- geraͤumt genug, ihm alle die Gerechtigkeit zu erweiſen, die er verdienet. Den Beſchluß des erſten Abends machte der Triumph der vergangenen Zeit, ein Luſtſpiel in einem Aufzuge, nach dem Franzoͤſiſchen des le Grand. Es iſt eines von den drey kleinen Stuͤcken, welche le Grand unter dem allgemei- nen Tittel, der Triumph der Zeit, im Jahr 1724 auf die franzoͤſiſche Buͤhne brachte, nach- dem er den Stoff deſſelben, bereits einige Jahre vorher, unter der Aufſchrift, die laͤcherlichen Verliebten, behandelt, aber wenig Beyfall da- mit erhalten hatte. Der Einfall, der dabey zum Grunde liegt, iſt drollig genug, und einige Situationen ſind ſehr laͤcherlich. Nur iſt das Laͤcherliche von der Art, wie es ſich mehr fuͤr eine ſatyriſche Erzaͤhlung, als auf die Buͤhne ſchickt. Der Sieg der Zeit uͤber Schoͤnheit und Jugend macht eine traurige Idee; die Einbildung eines ſechszigjaͤhrigen Gecks und einer eben ſo alten Naͤrrinn, daß die Zeit nur uͤber ihre Reitze keine Gewalt ſollte gehabt haben, iſt zwar laͤcherlich; aber dieſen Geck und dieſe Naͤrrinn ſelbſt zu ſehen, iſt eckelhafter, als laͤcherlich. Ham-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/54
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/54>, abgerufen am 24.11.2024.