Beste nicht anders, als in einem sehr zweydeuti- gen Lichte erscheinen. Wenn wir ihn auch den Verdruß, den uns der Dichter verursacht, nicht mit entgelten lassen, so sind wir doch nicht auf- geräumt genug, ihm alle die Gerechtigkeit zu erweisen, die er verdienet.
Den Beschluß des ersten Abends machte der Triumph der vergangenen Zeit, ein Lustspiel in einem Aufzuge, nach dem Französischen des le Grand. Es ist eines von den drey kleinen Stücken, welche le Grand unter dem allgemei- nen Tittel, der Triumph der Zeit, im Jahr 1724 auf die französische Bühne brachte, nach- dem er den Stoff desselben, bereits einige Jahre vorher, unter der Aufschrift, die lächerlichen Verliebten, behandelt, aber wenig Beyfall da- mit erhalten hatte. Der Einfall, der dabey zum Grunde liegt, ist drollig genug, und einige Situationen sind sehr lächerlich. Nur ist das Lächerliche von der Art, wie es sich mehr für eine satyrische Erzählung, als auf die Bühne schickt. Der Sieg der Zeit über Schönheit und Jugend macht eine traurige Idee; die Einbildung eines sechszigjährigen Gecks und einer eben so alten Närrinn, daß die Zeit nur über ihre Reitze keine Gewalt sollte gehabt haben, ist zwar lächerlich; aber diesen Geck und diese Närrinn selbst zu sehen, ist eckelhafter, als lächerlich.
Ham-
Beſte nicht anders, als in einem ſehr zweydeuti- gen Lichte erſcheinen. Wenn wir ihn auch den Verdruß, den uns der Dichter verurſacht, nicht mit entgelten laſſen, ſo ſind wir doch nicht auf- geraͤumt genug, ihm alle die Gerechtigkeit zu erweiſen, die er verdienet.
Den Beſchluß des erſten Abends machte der Triumph der vergangenen Zeit, ein Luſtſpiel in einem Aufzuge, nach dem Franzoͤſiſchen des le Grand. Es iſt eines von den drey kleinen Stuͤcken, welche le Grand unter dem allgemei- nen Tittel, der Triumph der Zeit, im Jahr 1724 auf die franzoͤſiſche Buͤhne brachte, nach- dem er den Stoff deſſelben, bereits einige Jahre vorher, unter der Aufſchrift, die laͤcherlichen Verliebten, behandelt, aber wenig Beyfall da- mit erhalten hatte. Der Einfall, der dabey zum Grunde liegt, iſt drollig genug, und einige Situationen ſind ſehr laͤcherlich. Nur iſt das Laͤcherliche von der Art, wie es ſich mehr fuͤr eine ſatyriſche Erzaͤhlung, als auf die Buͤhne ſchickt. Der Sieg der Zeit uͤber Schoͤnheit und Jugend macht eine traurige Idee; die Einbildung eines ſechszigjaͤhrigen Gecks und einer eben ſo alten Naͤrrinn, daß die Zeit nur uͤber ihre Reitze keine Gewalt ſollte gehabt haben, iſt zwar laͤcherlich; aber dieſen Geck und dieſe Naͤrrinn ſelbſt zu ſehen, iſt eckelhafter, als laͤcherlich.
Ham-
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Beſte nicht anders, als in einem ſehr zweydeuti-
gen Lichte erſcheinen. Wenn wir ihn auch den
Verdruß, den uns der Dichter verurſacht, nicht
mit entgelten laſſen, ſo ſind wir doch nicht auf-
geraͤumt genug, ihm alle die Gerechtigkeit zu
erweiſen, die er verdienet.
Den Beſchluß des erſten Abends machte der
Triumph der vergangenen Zeit, ein Luſtſpiel in
einem Aufzuge, nach dem Franzoͤſiſchen des
le Grand. Es iſt eines von den drey kleinen
Stuͤcken, welche le Grand unter dem allgemei-
nen Tittel, der Triumph der Zeit, im Jahr
1724 auf die franzoͤſiſche Buͤhne brachte, nach-
dem er den Stoff deſſelben, bereits einige Jahre
vorher, unter der Aufſchrift, die laͤcherlichen
Verliebten, behandelt, aber wenig Beyfall da-
mit erhalten hatte. Der Einfall, der dabey
zum Grunde liegt, iſt drollig genug, und einige
Situationen ſind ſehr laͤcherlich. Nur iſt das
Laͤcherliche von der Art, wie es ſich mehr fuͤr eine
ſatyriſche Erzaͤhlung, als auf die Buͤhne ſchickt.
Der Sieg der Zeit uͤber Schoͤnheit und Jugend
macht eine traurige Idee; die Einbildung eines
ſechszigjaͤhrigen Gecks und einer eben ſo alten
Naͤrrinn, daß die Zeit nur uͤber ihre Reitze keine
Gewalt ſollte gehabt haben, iſt zwar laͤcherlich;
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/54>, abgerufen am 24.11.2024.
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