Auch hatten, schon in dem sechszehnten Jahr- hunderte, zwey italienische Dichter, Joh. Bapt. Liviera und Ponponio Torelli, den Stoff zu ih- ren Trauerspielen, Kresphont und Merope, aus dieser Fabel des Hyginus genommen, und waren sonach, wie Maffei meinet, in die Fußtapfen des Euripides getreten, ohne es zu wissen. Doch dieser Ueberzeugung ohngeachtet, wollte Maffei selbst, sein Werk so wenig zu einer bloßen Di- vination über den Euripides machen, und den verlohrnen Kresphont in seiner Merope wieder aufleben lassen, daß er vielmehr mit Fleiß von
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der 137sten oder zu der 184sten machen wol- len, folgendermaaßen zusammenlesen würde. Es versteht sich, daß in der letztern die Wor- te, cum qua Polyphontes, occiso Cres- phonte, regnum occupavit, als eine unnö- thige Wiederholung, mit sammt dem darauf folgenden ejus, welches auch so schon über- flüßig ist, wegfallen müßte. Merope. Polyphontes, Messeniae rex, Cresphon- tem Aristomachi filium cum interfecisset, ejus imperium & Meropem uxorem posse- dit. Filium autem infantem Merope ma- ter, quem ex Cresphonte habebat, abs- conse ad hospitem in AEtoliam mandavit. Hunc Polyphontes maxima cum industria quaerebat, aurumque pollicebatur, si quis eum necasset. Qui postquam ad puberem aetatem venit, capit consilium, ut exequa- tur patris & fratrum mortem. Itaque
Auch hatten, ſchon in dem ſechszehnten Jahr- hunderte, zwey italieniſche Dichter, Joh. Bapt. Liviera und Ponponio Torelli, den Stoff zu ih- ren Trauerſpielen, Kreſphont und Merope, aus dieſer Fabel des Hyginus genommen, und waren ſonach, wie Maffei meinet, in die Fußtapfen des Euripides getreten, ohne es zu wiſſen. Doch dieſer Ueberzeugung ohngeachtet, wollte Maffei ſelbſt, ſein Werk ſo wenig zu einer bloßen Di- vination uͤber den Euripides machen, und den verlohrnen Kreſphont in ſeiner Merope wieder aufleben laſſen, daß er vielmehr mit Fleiß von
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der 137ſten oder zu der 184ſten machen wol- len, folgendermaaßen zuſammenleſen wuͤrde. Es verſteht ſich, daß in der letztern die Wor- te, cum qua Polyphontes, occiſo Creſ- phonte, regnum occupavit, als eine unnoͤ- thige Wiederholung, mit ſammt dem darauf folgenden ejus, welches auch ſo ſchon uͤber- fluͤßig iſt, wegfallen muͤßte. Merope. Polyphontes, Meſſeniæ rex, Creſphon- tem Ariſtomachi filium cum interfeciſſet, ejus imperium & Meropem uxorem poſſe- dit. Filium autem infantem Merope ma- ter, quem ex Creſphonte habebat, abs- conſe ad hoſpitem in Ætoliam mandavit. Hunc Polyphontes maxima cum induſtria quærebat, aurumque pollicebatur, ſi quis eum necaſſet. Qui poſtquam ad puberem ætatem venit, capit conſilium, ut exequa- tur patris & fratrum mortem. Itaque
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Auch hatten, ſchon in dem ſechszehnten Jahr-
hunderte, zwey italieniſche Dichter, Joh. Bapt.
Liviera und Ponponio Torelli, den Stoff zu ih-
ren Trauerſpielen, Kreſphont und Merope, aus
dieſer Fabel des Hyginus genommen, und waren
ſonach, wie Maffei meinet, in die Fußtapfen
des Euripides getreten, ohne es zu wiſſen. Doch
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ſelbſt, ſein Werk ſo wenig zu einer bloßen Di-
vination uͤber den Euripides machen, und den
verlohrnen Kreſphont in ſeiner Merope wieder
aufleben laſſen, daß er vielmehr mit Fleiß von
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(*) der 137ſten oder zu der 184ſten machen wol-
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Es verſteht ſich, daß in der letztern die Wor-
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phonte, regnum occupavit, als eine unnoͤ-
thige Wiederholung, mit ſammt dem darauf
folgenden ejus, welches auch ſo ſchon uͤber-
fluͤßig iſt, wegfallen muͤßte.
Merope.
Polyphontes, Meſſeniæ rex, Creſphon-
tem Ariſtomachi filium cum interfeciſſet,
ejus imperium & Meropem uxorem poſſe-
dit. Filium autem infantem Merope ma-
ter, quem ex Creſphonte habebat, abs-
conſe ad hoſpitem in Ætoliam mandavit.
Hunc Polyphontes maxima cum induſtria
quærebat, aurumque pollicebatur, ſi quis
eum necaſſet. Qui poſtquam ad puberem
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/330>, abgerufen am 16.02.2025.
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