Sanfmuth, in ihren Augen ein bescheidnes Feuer, in ihrer Stimme mehr Wohlkang, als Nachdruck; ist in ihrer Bewegung mehr An- stand und Würde, als Kraft und Geist: so wird sie den zärtlichen Stellen die völligste Genüge leisten; aber auch den stolzen? Sie wird sie nicht verderben, ganz gewiß nicht; sie wird sie noch genug absetzen; wir werden eine beleidigte zür- nende Liebhaberinn in ihr erblicken; nur keine Elisabeth nicht, die Manns genug war, ihren General und Geliebten mit einer Ohrfeige nach Hause zu schicken. Ich meyne also, die Aktri- cen, welche die ganze doppelte Elisabeth uns gleich täuschend zu zeigen vermögend wären, dürften noch seltner seyn, als die Elisabeths sel- ber; und wir können und müssen uns begnügen, wenn eine Hälfte nur recht gut gespielt, und die andere nicht ganz verwahrloset wird.
Madame Löwen hat in der Rolle der Elisa- beth sehr gefallen; aber, jene allgemeine An- merkung nunmehr auf sie anzuwenden, uns mehr die zärtliche Frau, als die stolze Mo- narchinn, sehen und hören lassen. Ihre Bil- dung, ihre Stimme, ihre bescheidene Aktion, ließen es nicht anders erwarten; und mich dünkt, unser Vergnügen hat dabey nichts verloren. Denn wenn nothwendig eine die andere verfin- stert, wenn es kaum anders seyn kann, als daß nicht die Königinn unter der Liebhaberinn, oder
diese
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Sanfmuth, in ihren Augen ein beſcheidnes Feuer, in ihrer Stimme mehr Wohlkang, als Nachdruck; iſt in ihrer Bewegung mehr An- ſtand und Wuͤrde, als Kraft und Geiſt: ſo wird ſie den zaͤrtlichen Stellen die voͤlligſte Genuͤge leiſten; aber auch den ſtolzen? Sie wird ſie nicht verderben, ganz gewiß nicht; ſie wird ſie noch genug abſetzen; wir werden eine beleidigte zuͤr- nende Liebhaberinn in ihr erblicken; nur keine Eliſabeth nicht, die Manns genug war, ihren General und Geliebten mit einer Ohrfeige nach Hauſe zu ſchicken. Ich meyne alſo, die Aktri- cen, welche die ganze doppelte Eliſabeth uns gleich taͤuſchend zu zeigen vermoͤgend waͤren, duͤrften noch ſeltner ſeyn, als die Eliſabeths ſel- ber; und wir koͤnnen und muͤſſen uns begnuͤgen, wenn eine Haͤlfte nur recht gut geſpielt, und die andere nicht ganz verwahrloſet wird.
Madame Loͤwen hat in der Rolle der Eliſa- beth ſehr gefallen; aber, jene allgemeine An- merkung nunmehr auf ſie anzuwenden, uns mehr die zaͤrtliche Frau, als die ſtolze Mo- narchinn, ſehen und hoͤren laſſen. Ihre Bil- dung, ihre Stimme, ihre beſcheidene Aktion, ließen es nicht anders erwarten; und mich duͤnkt, unſer Vergnuͤgen hat dabey nichts verloren. Denn wenn nothwendig eine die andere verfin- ſtert, wenn es kaum anders ſeyn kann, als daß nicht die Koͤniginn unter der Liebhaberinn, oder
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[197/0211]
Sanfmuth, in ihren Augen ein beſcheidnes
Feuer, in ihrer Stimme mehr Wohlkang, als
Nachdruck; iſt in ihrer Bewegung mehr An-
ſtand und Wuͤrde, als Kraft und Geiſt: ſo wird
ſie den zaͤrtlichen Stellen die voͤlligſte Genuͤge
leiſten; aber auch den ſtolzen? Sie wird ſie nicht
verderben, ganz gewiß nicht; ſie wird ſie noch
genug abſetzen; wir werden eine beleidigte zuͤr-
nende Liebhaberinn in ihr erblicken; nur keine
Eliſabeth nicht, die Manns genug war, ihren
General und Geliebten mit einer Ohrfeige nach
Hauſe zu ſchicken. Ich meyne alſo, die Aktri-
cen, welche die ganze doppelte Eliſabeth uns
gleich taͤuſchend zu zeigen vermoͤgend waͤren,
duͤrften noch ſeltner ſeyn, als die Eliſabeths ſel-
ber; und wir koͤnnen und muͤſſen uns begnuͤgen,
wenn eine Haͤlfte nur recht gut geſpielt, und die
andere nicht ganz verwahrloſet wird.
Madame Loͤwen hat in der Rolle der Eliſa-
beth ſehr gefallen; aber, jene allgemeine An-
merkung nunmehr auf ſie anzuwenden, uns
mehr die zaͤrtliche Frau, als die ſtolze Mo-
narchinn, ſehen und hoͤren laſſen. Ihre Bil-
dung, ihre Stimme, ihre beſcheidene Aktion,
ließen es nicht anders erwarten; und mich duͤnkt,
unſer Vergnuͤgen hat dabey nichts verloren.
Denn wenn nothwendig eine die andere verfin-
ſtert, wenn es kaum anders ſeyn kann, als daß
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/211>, abgerufen am 22.11.2024.
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