Bild des Herrn am Kreuz;" aber Bild ist Bild, und dieser armselige Aberglaube giebt dem Olint eine sehr verächtliche Seite. Man kann ihm unmöglich wieder gut werden, daß er es wagen können, durch eine so kleine That sein Volk an den Rand des Verderbens zu stellen. Wenn er sich hernach freywillig dazu bekennet: so ist es nichts mehr als Schuldigkeit, und keine Groß- muth. Beym Tasso läßt ihn blos die Liebe die- sen Schritt thun; er will Sophronien retten, oder mit ihr sterben; mit ihr sterben, blos um mit ihr zu sterben; kann er mit ihr nicht Ein Bette besteigen, so sey es Ein Scheiterhaufen; an ihrer Seite, an den nehmlichen Pfahl gebun- den, bestimmt, von dem nehmlichen Feuer ver- zehret zu werden, empfindet er blos das Glück einer so süßen Nachbarschaft, denket an nichts, was er jenseit dem Grabe zu hoffen habe, und wünschet nichts, als daß diese Nachbarschaft noch enger und vertrauter seyn möge, daß er Brust gegen Brust drücken, und auf ihren Lip- pen seinen Geist verhauchen dürfe.
Dieser vortreffliche Kontrast zwischen einer lieben, ruhigen, ganz geistigen Schwärmerinn, und einem hitzigen, begierigen Jünglinge, ist beym Cronegk völlig verlohren. Sie sind beide von der kältesten Einförmigkeit; beide haben nichts als das Märterthum im Kopfe; und nicht
genug,
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Bild des Herrn am Kreuz;〟 aber Bild iſt Bild, und dieſer armſelige Aberglaube giebt dem Olint eine ſehr veraͤchtliche Seite. Man kann ihm unmoͤglich wieder gut werden, daß er es wagen koͤnnen, durch eine ſo kleine That ſein Volk an den Rand des Verderbens zu ſtellen. Wenn er ſich hernach freywillig dazu bekennet: ſo iſt es nichts mehr als Schuldigkeit, und keine Groß- muth. Beym Taſſo laͤßt ihn blos die Liebe die- ſen Schritt thun; er will Sophronien retten, oder mit ihr ſterben; mit ihr ſterben, blos um mit ihr zu ſterben; kann er mit ihr nicht Ein Bette beſteigen, ſo ſey es Ein Scheiterhaufen; an ihrer Seite, an den nehmlichen Pfahl gebun- den, beſtimmt, von dem nehmlichen Feuer ver- zehret zu werden, empfindet er blos das Gluͤck einer ſo ſuͤßen Nachbarſchaft, denket an nichts, was er jenſeit dem Grabe zu hoffen habe, und wuͤnſchet nichts, als daß dieſe Nachbarſchaft noch enger und vertrauter ſeyn moͤge, daß er Bruſt gegen Bruſt druͤcken, und auf ihren Lip- pen ſeinen Geiſt verhauchen duͤrfe.
Dieſer vortreffliche Kontraſt zwiſchen einer lieben, ruhigen, ganz geiſtigen Schwaͤrmerinn, und einem hitzigen, begierigen Juͤnglinge, iſt beym Cronegk voͤllig verlohren. Sie ſind beide von der kaͤlteſten Einfoͤrmigkeit; beide haben nichts als das Maͤrterthum im Kopfe; und nicht
genug,
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Bild des Herrn am Kreuz;〟 aber Bild iſt Bild,
und dieſer armſelige Aberglaube giebt dem Olint
eine ſehr veraͤchtliche Seite. Man kann ihm
unmoͤglich wieder gut werden, daß er es wagen
koͤnnen, durch eine ſo kleine That ſein Volk an
den Rand des Verderbens zu ſtellen. Wenn er
ſich hernach freywillig dazu bekennet: ſo iſt es
nichts mehr als Schuldigkeit, und keine Groß-
muth. Beym Taſſo laͤßt ihn blos die Liebe die-
ſen Schritt thun; er will Sophronien retten,
oder mit ihr ſterben; mit ihr ſterben, blos um
mit ihr zu ſterben; kann er mit ihr nicht Ein
Bette beſteigen, ſo ſey es Ein Scheiterhaufen;
an ihrer Seite, an den nehmlichen Pfahl gebun-
den, beſtimmt, von dem nehmlichen Feuer ver-
zehret zu werden, empfindet er blos das Gluͤck
einer ſo ſuͤßen Nachbarſchaft, denket an nichts,
was er jenſeit dem Grabe zu hoffen habe, und
wuͤnſchet nichts, als daß dieſe Nachbarſchaft
noch enger und vertrauter ſeyn moͤge, daß er
Bruſt gegen Bruſt druͤcken, und auf ihren Lip-
pen ſeinen Geiſt verhauchen duͤrfe.
Dieſer vortreffliche Kontraſt zwiſchen einer
lieben, ruhigen, ganz geiſtigen Schwaͤrmerinn,
und einem hitzigen, begierigen Juͤnglinge, iſt
beym Cronegk voͤllig verlohren. Sie ſind beide
von der kaͤlteſten Einfoͤrmigkeit; beide haben
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/19>, abgerufen am 27.11.2024.
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