unsere Virtuosen an eine allzuflache Manier ge- wöhnet. Sie machen sie ähnlich, aber nicht hervorspringend. Sie treffen; aber da sie ihren Gegenstand nicht vortheilhaft genug zu beleuch- ten gewußt, so mangelt dem Bilde die Run- dung, das Körperliche; wir sehen nur immer Eine Seite, an der wir uns bald satt gesehen, und deren allzuschneidende Außenlinien uns gleich an die Täuschung erinnern, wenn wir in Gedanken um die übrigen Seiten herumgehen wollen. Die Narren sind in der ganzen Welt platt und frostig und eckel; wann sie belustigen sollen, muß ihnen der Dichter etwas von dem Seinigen geben. Er muß sie nicht in ihrer All- tagskleidung, in der schmutzigen Nachläßigkeit, auf das Theater bringen, in der sie innerhalb ihren vier Pfählen herumträumen. Sie müssen nichts von der engen Sphäre kümmerlicher Um- stände verrathen, aus der sich ein jeder gern her- ausarbeiten will. Er muß sie aufputzen; er muß ihnen Witz und Verstand leihen, das Arm- selige ihrer Thorheiten bemänteln zu können; er muß ihnen den Ehrgeitz geben, damit glänzen zu wollen.
Ich weiß gar nicht, sagte eine von meinen Bekanntinnen, was das für ein Paar zusam- men ist, dieser Herr Stephan, und diese Frau Stephan! Herr Stephan ist ein reicher Mann, und ein guter Mann. Gleichwohl muß seine
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unſere Virtuoſen an eine allzuflache Manier ge- woͤhnet. Sie machen ſie aͤhnlich, aber nicht hervorſpringend. Sie treffen; aber da ſie ihren Gegenſtand nicht vortheilhaft genug zu beleuch- ten gewußt, ſo mangelt dem Bilde die Run- dung, das Koͤrperliche; wir ſehen nur immer Eine Seite, an der wir uns bald ſatt geſehen, und deren allzuſchneidende Außenlinien uns gleich an die Taͤuſchung erinnern, wenn wir in Gedanken um die uͤbrigen Seiten herumgehen wollen. Die Narren ſind in der ganzen Welt platt und froſtig und eckel; wann ſie beluſtigen ſollen, muß ihnen der Dichter etwas von dem Seinigen geben. Er muß ſie nicht in ihrer All- tagskleidung, in der ſchmutzigen Nachlaͤßigkeit, auf das Theater bringen, in der ſie innerhalb ihren vier Pfaͤhlen herumtraͤumen. Sie muͤſſen nichts von der engen Sphaͤre kuͤmmerlicher Um- ſtaͤnde verrathen, aus der ſich ein jeder gern her- ausarbeiten will. Er muß ſie aufputzen; er muß ihnen Witz und Verſtand leihen, das Arm- ſelige ihrer Thorheiten bemaͤnteln zu koͤnnen; er muß ihnen den Ehrgeitz geben, damit glaͤnzen zu wollen.
Ich weiß gar nicht, ſagte eine von meinen Bekanntinnen, was das fuͤr ein Paar zuſam- men iſt, dieſer Herr Stephan, und dieſe Frau Stephan! Herr Stephan iſt ein reicher Mann, und ein guter Mann. Gleichwohl muß ſeine
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unſere Virtuoſen an eine allzuflache Manier ge-
woͤhnet. Sie machen ſie aͤhnlich, aber nicht
hervorſpringend. Sie treffen; aber da ſie ihren
Gegenſtand nicht vortheilhaft genug zu beleuch-
ten gewußt, ſo mangelt dem Bilde die Run-
dung, das Koͤrperliche; wir ſehen nur immer
Eine Seite, an der wir uns bald ſatt geſehen,
und deren allzuſchneidende Außenlinien uns
gleich an die Taͤuſchung erinnern, wenn wir in
Gedanken um die uͤbrigen Seiten herumgehen
wollen. Die Narren ſind in der ganzen Welt
platt und froſtig und eckel; wann ſie beluſtigen
ſollen, muß ihnen der Dichter etwas von dem
Seinigen geben. Er muß ſie nicht in ihrer All-
tagskleidung, in der ſchmutzigen Nachlaͤßigkeit,
auf das Theater bringen, in der ſie innerhalb
ihren vier Pfaͤhlen herumtraͤumen. Sie muͤſſen
nichts von der engen Sphaͤre kuͤmmerlicher Um-
ſtaͤnde verrathen, aus der ſich ein jeder gern her-
ausarbeiten will. Er muß ſie aufputzen; er
muß ihnen Witz und Verſtand leihen, das Arm-
ſelige ihrer Thorheiten bemaͤnteln zu koͤnnen; er
muß ihnen den Ehrgeitz geben, damit glaͤnzen
zu wollen.
Ich weiß gar nicht, ſagte eine von meinen
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Stephan! Herr Stephan iſt ein reicher Mann,
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/184>, abgerufen am 22.11.2024.
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