Hamburgische Dramaturgie. Zwey und zwanzigstes Stück.
Den 14ten Julius, 1767.
Den acht und zwanzigsten Abend (Dienstags, den 2ten Junius,) ward der Advokat Pa- telin wiederholt, und mit der kranken Frau des Herrn Gellert beschlossen.
Ohnstreitig ist unter allen unsern komischen Schriftstellern Herr Gellert derjenige, dessen Stücke das meiste ursprünglich Deutsche haben. Es sind wahre Familiengemälde, in denen man sogleich zu Hause ist; jeder Zuschauer glaubt, einen Vetter, einen Schwager, ein Mühmchen aus seiner eigenen Verwandtschaft darinn zu er- kennen. Sie beweisen zugleich, daß es an Ori- ginalnarren bey uns gar nicht mangelt, und daß nur die Augen ein wenig selten sind, denen sie sich in ihrem wahren Lichte zeigen. Unsere Thor- heiten sind bemerkbarer, als bemerkt; im gemei- nen Leben sehen wir über viele aus Gutherzigkeit hinweg; und in der Nachahmung haben sich
unsere
Y
Hamburgiſche Dramaturgie. Zwey und zwanzigſtes Stuͤck.
Den 14ten Julius, 1767.
Den acht und zwanzigſten Abend (Dienſtags, den 2ten Junius,) ward der Advokat Pa- telin wiederholt, und mit der kranken Frau des Herrn Gellert beſchloſſen.
Ohnſtreitig iſt unter allen unſern komiſchen Schriftſtellern Herr Gellert derjenige, deſſen Stuͤcke das meiſte urſpruͤnglich Deutſche haben. Es ſind wahre Familiengemaͤlde, in denen man ſogleich zu Hauſe iſt; jeder Zuſchauer glaubt, einen Vetter, einen Schwager, ein Muͤhmchen aus ſeiner eigenen Verwandtſchaft darinn zu er- kennen. Sie beweiſen zugleich, daß es an Ori- ginalnarren bey uns gar nicht mangelt, und daß nur die Augen ein wenig ſelten ſind, denen ſie ſich in ihrem wahren Lichte zeigen. Unſere Thor- heiten ſind bemerkbarer, als bemerkt; im gemei- nen Leben ſehen wir uͤber viele aus Gutherzigkeit hinweg; und in der Nachahmung haben ſich
unſere
Y
<TEI><text><body><pbfacs="#f0183"n="[169]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Hamburgiſche<lb/><hirendition="#g">Dramaturgie</hi>.</hi><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Zwey und zwanzigſtes Stuͤck.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><dateline><hirendition="#c">Den 14ten Julius, 1767.</hi></dateline><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>en acht und zwanzigſten Abend (Dienſtags,<lb/>
den 2ten Junius,) ward der Advokat Pa-<lb/>
telin wiederholt, und mit der kranken<lb/>
Frau des Herrn Gellert beſchloſſen.</p><lb/><p>Ohnſtreitig iſt unter allen unſern komiſchen<lb/>
Schriftſtellern Herr Gellert derjenige, deſſen<lb/>
Stuͤcke das meiſte urſpruͤnglich Deutſche haben.<lb/>
Es ſind wahre Familiengemaͤlde, in denen man<lb/>ſogleich zu Hauſe iſt; jeder Zuſchauer glaubt,<lb/>
einen Vetter, einen Schwager, ein Muͤhmchen<lb/>
aus ſeiner eigenen Verwandtſchaft darinn zu er-<lb/>
kennen. Sie beweiſen zugleich, daß es an Ori-<lb/>
ginalnarren bey uns gar nicht mangelt, und daß<lb/>
nur die Augen ein wenig ſelten ſind, denen ſie<lb/>ſich in ihrem wahren Lichte zeigen. Unſere Thor-<lb/>
heiten ſind bemerkbarer, als bemerkt; im gemei-<lb/>
nen Leben ſehen wir uͤber viele aus Gutherzigkeit<lb/>
hinweg; und in der Nachahmung haben ſich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y</fw><fwplace="bottom"type="catch">unſere</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[[169]/0183]
Hamburgiſche
Dramaturgie.
Zwey und zwanzigſtes Stuͤck.
Den 14ten Julius, 1767.
Den acht und zwanzigſten Abend (Dienſtags,
den 2ten Junius,) ward der Advokat Pa-
telin wiederholt, und mit der kranken
Frau des Herrn Gellert beſchloſſen.
Ohnſtreitig iſt unter allen unſern komiſchen
Schriftſtellern Herr Gellert derjenige, deſſen
Stuͤcke das meiſte urſpruͤnglich Deutſche haben.
Es ſind wahre Familiengemaͤlde, in denen man
ſogleich zu Hauſe iſt; jeder Zuſchauer glaubt,
einen Vetter, einen Schwager, ein Muͤhmchen
aus ſeiner eigenen Verwandtſchaft darinn zu er-
kennen. Sie beweiſen zugleich, daß es an Ori-
ginalnarren bey uns gar nicht mangelt, und daß
nur die Augen ein wenig ſelten ſind, denen ſie
ſich in ihrem wahren Lichte zeigen. Unſere Thor-
heiten ſind bemerkbarer, als bemerkt; im gemei-
nen Leben ſehen wir uͤber viele aus Gutherzigkeit
hinweg; und in der Nachahmung haben ſich
unſere
Y
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. [169]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/183>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.