Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

äußert lassen; denn es könnte leicht bey einem
solchen Handel mehr als eine rechte Art geben.
Nachdem nehmlich die Gegenstände sind; ob-
schon alsdenn noch gar nicht ausgemacht ist, daß
diejenige Frau, bey der die eine Art fehl geschla-
gen, auch allen übrigen Arten Obstand halten
werde. Ich will blos bekennen, daß ich für
mein Theil nicht Herz genug gehabt hätte, eine
dergleichen Scene zu bearbeiten. Ich würde
mich von der einen Klippe, zu wenig Erfahrung
zu zeigen, eben so sehr gefürchtet haben, als vor
der andern, allzu viele zu verrathen. Ja wenn
ich mir auch einer mehr als Crebillonschen Fä-
higkeit bewußt gewesen wäre, mich zwischen
beide Klippen durchzustehlen: so weiß ich doch
nicht, ob ich nicht viel lieber einen ganz andern
Weg eingeschlagen wäre. Besonders da sich
dieser andere Weg hier von selbst öffnet. Man-
ley, oder Amalia, wußte ja, daß Freemann
mit seiner vorgeblichen Frau nicht gesetzmäßig
verbunden sey. Warum konnte er also nicht
dieses zum Grunde nehmen, sie ihm gänzlich ab-
spänstig zu machen, und sich ihr nicht als einen
Galan, dem es nur um flüchtige Gunstbezeigun-
gen zu thun, sondern als einen ernsthaften Lieb-
haber anzutragen, der sein ganzes Schicksal mit
ihr zu theilen bereit sey? Seine Bewerbungen
würden dadurch, ich will nicht sagen unsträflich,
aber doch unsträflicher geworden seyn; er würde,

ohne

aͤußert laſſen; denn es koͤnnte leicht bey einem
ſolchen Handel mehr als eine rechte Art geben.
Nachdem nehmlich die Gegenſtaͤnde ſind; ob-
ſchon alsdenn noch gar nicht ausgemacht iſt, daß
diejenige Frau, bey der die eine Art fehl geſchla-
gen, auch allen uͤbrigen Arten Obſtand halten
werde. Ich will blos bekennen, daß ich fuͤr
mein Theil nicht Herz genug gehabt haͤtte, eine
dergleichen Scene zu bearbeiten. Ich wuͤrde
mich von der einen Klippe, zu wenig Erfahrung
zu zeigen, eben ſo ſehr gefuͤrchtet haben, als vor
der andern, allzu viele zu verrathen. Ja wenn
ich mir auch einer mehr als Crebillonſchen Faͤ-
higkeit bewußt geweſen waͤre, mich zwiſchen
beide Klippen durchzuſtehlen: ſo weiß ich doch
nicht, ob ich nicht viel lieber einen ganz andern
Weg eingeſchlagen waͤre. Beſonders da ſich
dieſer andere Weg hier von ſelbſt oͤffnet. Man-
ley, oder Amalia, wußte ja, daß Freemann
mit ſeiner vorgeblichen Frau nicht geſetzmaͤßig
verbunden ſey. Warum konnte er alſo nicht
dieſes zum Grunde nehmen, ſie ihm gaͤnzlich ab-
ſpaͤnſtig zu machen, und ſich ihr nicht als einen
Galan, dem es nur um fluͤchtige Gunſtbezeigun-
gen zu thun, ſondern als einen ernſthaften Lieb-
haber anzutragen, der ſein ganzes Schickſal mit
ihr zu theilen bereit ſey? Seine Bewerbungen
wuͤrden dadurch, ich will nicht ſagen unſtraͤflich,
aber doch unſtraͤflicher geworden ſeyn; er wuͤrde,

ohne
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0173" n="159"/>
a&#x0364;ußert la&#x017F;&#x017F;en; denn es ko&#x0364;nnte leicht bey einem<lb/>
&#x017F;olchen Handel mehr als eine rechte Art geben.<lb/>
Nachdem nehmlich die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;ind; ob-<lb/>
&#x017F;chon alsdenn noch gar nicht ausgemacht i&#x017F;t, daß<lb/>
diejenige Frau, bey der die eine Art fehl ge&#x017F;chla-<lb/>
gen, auch allen u&#x0364;brigen Arten Ob&#x017F;tand halten<lb/>
werde. Ich will blos bekennen, daß ich fu&#x0364;r<lb/>
mein Theil nicht Herz genug gehabt ha&#x0364;tte, eine<lb/>
dergleichen Scene zu bearbeiten. Ich wu&#x0364;rde<lb/>
mich von der einen Klippe, zu wenig Erfahrung<lb/>
zu zeigen, eben &#x017F;o &#x017F;ehr gefu&#x0364;rchtet haben, als vor<lb/>
der andern, allzu viele zu verrathen. Ja wenn<lb/>
ich mir auch einer mehr als Crebillon&#x017F;chen Fa&#x0364;-<lb/>
higkeit bewußt gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, mich zwi&#x017F;chen<lb/>
beide Klippen durchzu&#x017F;tehlen: &#x017F;o weiß ich doch<lb/>
nicht, ob ich nicht viel lieber einen ganz andern<lb/>
Weg einge&#x017F;chlagen wa&#x0364;re. Be&#x017F;onders da &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;er andere Weg hier von &#x017F;elb&#x017F;t o&#x0364;ffnet. Man-<lb/>
ley, oder Amalia, wußte ja, daß Freemann<lb/>
mit &#x017F;einer vorgeblichen Frau nicht ge&#x017F;etzma&#x0364;ßig<lb/>
verbunden &#x017F;ey. Warum konnte er al&#x017F;o nicht<lb/>
die&#x017F;es zum Grunde nehmen, &#x017F;ie ihm ga&#x0364;nzlich ab-<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;n&#x017F;tig zu machen, und &#x017F;ich ihr nicht als einen<lb/>
Galan, dem es nur um flu&#x0364;chtige Gun&#x017F;tbezeigun-<lb/>
gen zu thun, &#x017F;ondern als einen ern&#x017F;thaften Lieb-<lb/>
haber anzutragen, der &#x017F;ein ganzes Schick&#x017F;al mit<lb/>
ihr zu theilen bereit &#x017F;ey? Seine Bewerbungen<lb/>
wu&#x0364;rden dadurch, ich will nicht &#x017F;agen un&#x017F;tra&#x0364;flich,<lb/>
aber doch un&#x017F;tra&#x0364;flicher geworden &#x017F;eyn; er wu&#x0364;rde,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ohne</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0173] aͤußert laſſen; denn es koͤnnte leicht bey einem ſolchen Handel mehr als eine rechte Art geben. Nachdem nehmlich die Gegenſtaͤnde ſind; ob- ſchon alsdenn noch gar nicht ausgemacht iſt, daß diejenige Frau, bey der die eine Art fehl geſchla- gen, auch allen uͤbrigen Arten Obſtand halten werde. Ich will blos bekennen, daß ich fuͤr mein Theil nicht Herz genug gehabt haͤtte, eine dergleichen Scene zu bearbeiten. Ich wuͤrde mich von der einen Klippe, zu wenig Erfahrung zu zeigen, eben ſo ſehr gefuͤrchtet haben, als vor der andern, allzu viele zu verrathen. Ja wenn ich mir auch einer mehr als Crebillonſchen Faͤ- higkeit bewußt geweſen waͤre, mich zwiſchen beide Klippen durchzuſtehlen: ſo weiß ich doch nicht, ob ich nicht viel lieber einen ganz andern Weg eingeſchlagen waͤre. Beſonders da ſich dieſer andere Weg hier von ſelbſt oͤffnet. Man- ley, oder Amalia, wußte ja, daß Freemann mit ſeiner vorgeblichen Frau nicht geſetzmaͤßig verbunden ſey. Warum konnte er alſo nicht dieſes zum Grunde nehmen, ſie ihm gaͤnzlich ab- ſpaͤnſtig zu machen, und ſich ihr nicht als einen Galan, dem es nur um fluͤchtige Gunſtbezeigun- gen zu thun, ſondern als einen ernſthaften Lieb- haber anzutragen, der ſein ganzes Schickſal mit ihr zu theilen bereit ſey? Seine Bewerbungen wuͤrden dadurch, ich will nicht ſagen unſtraͤflich, aber doch unſtraͤflicher geworden ſeyn; er wuͤrde, ohne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/173
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/173>, abgerufen am 24.11.2024.