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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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aber es findet sich, daß Lisander sein wahrer Va-
ter ist. Nun wäre weiter an die Heyrath nicht
zu denken, wenn nicht Lisander selbst sich nur
durch Unfälle zu dem bürgerlichen Stande her-
ablassen müssen. In der That ist er von eben so
guter Geburt, als der Marquis; er ist des Mar-
quis Sohn, den jugendlichen Ausschweiffungen
aus dem väterlichen Hause vertrieben. Nun
will er seinen Sohn brauchen, um sich mit seinem
Vater auszusöhnen. Die Aussöhnung gelingt,
und macht das Stück gegen das Ende sehr rüh-
rend. Da also der Hauptton desselben rühren-
der, als komisch, ist: sollte uns nicht auch der
Titel mehr jenes als dieses erwarten lassen? Der
Titel ist eine wahre Kleinigkeit; aber dasmal
hätte ich ihn von dem einzigen lächerlichen Cha-
rakter nicht hergenommen; er braucht den Inhalt
weder anzuzeigen, noch zu erschöpfen; aber er
sollte doch auch nicht irre führen. Und dieser
thut es ein wenig. Was ist leichter zu ändern,
als ein Titel? Die übrigen Abweichungen des
deutschen Verfassers von dem Originale, gerei-
chen mehr zum Vortheile des Stücks, und geben
ihm das einheimische Ansehen, das fast allen von
dem französischen Theater entlehnten Stücken
mangelt.

Den achtzehnten Abend (Freytags, den 15ten
May,) ward das Gespenst mit der Trommel ge-
spielt.

Dieses

aber es findet ſich, daß Liſander ſein wahrer Va-
ter iſt. Nun waͤre weiter an die Heyrath nicht
zu denken, wenn nicht Liſander ſelbſt ſich nur
durch Unfaͤlle zu dem buͤrgerlichen Stande her-
ablaſſen muͤſſen. In der That iſt er von eben ſo
guter Geburt, als der Marquis; er iſt des Mar-
quis Sohn, den jugendlichen Ausſchweiffungen
aus dem vaͤterlichen Hauſe vertrieben. Nun
will er ſeinen Sohn brauchen, um ſich mit ſeinem
Vater auszuſoͤhnen. Die Ausſoͤhnung gelingt,
und macht das Stuͤck gegen das Ende ſehr ruͤh-
rend. Da alſo der Hauptton deſſelben ruͤhren-
der, als komiſch, iſt: ſollte uns nicht auch der
Titel mehr jenes als dieſes erwarten laſſen? Der
Titel iſt eine wahre Kleinigkeit; aber dasmal
haͤtte ich ihn von dem einzigen laͤcherlichen Cha-
rakter nicht hergenommen; er braucht den Inhalt
weder anzuzeigen, noch zu erſchoͤpfen; aber er
ſollte doch auch nicht irre fuͤhren. Und dieſer
thut es ein wenig. Was iſt leichter zu aͤndern,
als ein Titel? Die uͤbrigen Abweichungen des
deutſchen Verfaſſers von dem Originale, gerei-
chen mehr zum Vortheile des Stuͤcks, und geben
ihm das einheimiſche Anſehen, das faſt allen von
dem franzoͤſiſchen Theater entlehnten Stuͤcken
mangelt.

Den achtzehnten Abend (Freytags, den 15ten
May,) ward das Geſpenſt mit der Trommel ge-
ſpielt.

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[132/0146] aber es findet ſich, daß Liſander ſein wahrer Va- ter iſt. Nun waͤre weiter an die Heyrath nicht zu denken, wenn nicht Liſander ſelbſt ſich nur durch Unfaͤlle zu dem buͤrgerlichen Stande her- ablaſſen muͤſſen. In der That iſt er von eben ſo guter Geburt, als der Marquis; er iſt des Mar- quis Sohn, den jugendlichen Ausſchweiffungen aus dem vaͤterlichen Hauſe vertrieben. Nun will er ſeinen Sohn brauchen, um ſich mit ſeinem Vater auszuſoͤhnen. Die Ausſoͤhnung gelingt, und macht das Stuͤck gegen das Ende ſehr ruͤh- rend. Da alſo der Hauptton deſſelben ruͤhren- der, als komiſch, iſt: ſollte uns nicht auch der Titel mehr jenes als dieſes erwarten laſſen? Der Titel iſt eine wahre Kleinigkeit; aber dasmal haͤtte ich ihn von dem einzigen laͤcherlichen Cha- rakter nicht hergenommen; er braucht den Inhalt weder anzuzeigen, noch zu erſchoͤpfen; aber er ſollte doch auch nicht irre fuͤhren. Und dieſer thut es ein wenig. Was iſt leichter zu aͤndern, als ein Titel? Die uͤbrigen Abweichungen des deutſchen Verfaſſers von dem Originale, gerei- chen mehr zum Vortheile des Stuͤcks, und geben ihm das einheimiſche Anſehen, das faſt allen von dem franzoͤſiſchen Theater entlehnten Stuͤcken mangelt. Den achtzehnten Abend (Freytags, den 15ten May,) ward das Geſpenſt mit der Trommel ge- ſpielt. Dieſes

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/146>, abgerufen am 24.11.2024.