aber es findet sich, daß Lisander sein wahrer Va- ter ist. Nun wäre weiter an die Heyrath nicht zu denken, wenn nicht Lisander selbst sich nur durch Unfälle zu dem bürgerlichen Stande her- ablassen müssen. In der That ist er von eben so guter Geburt, als der Marquis; er ist des Mar- quis Sohn, den jugendlichen Ausschweiffungen aus dem väterlichen Hause vertrieben. Nun will er seinen Sohn brauchen, um sich mit seinem Vater auszusöhnen. Die Aussöhnung gelingt, und macht das Stück gegen das Ende sehr rüh- rend. Da also der Hauptton desselben rühren- der, als komisch, ist: sollte uns nicht auch der Titel mehr jenes als dieses erwarten lassen? Der Titel ist eine wahre Kleinigkeit; aber dasmal hätte ich ihn von dem einzigen lächerlichen Cha- rakter nicht hergenommen; er braucht den Inhalt weder anzuzeigen, noch zu erschöpfen; aber er sollte doch auch nicht irre führen. Und dieser thut es ein wenig. Was ist leichter zu ändern, als ein Titel? Die übrigen Abweichungen des deutschen Verfassers von dem Originale, gerei- chen mehr zum Vortheile des Stücks, und geben ihm das einheimische Ansehen, das fast allen von dem französischen Theater entlehnten Stücken mangelt.
Den achtzehnten Abend (Freytags, den 15ten May,) ward das Gespenst mit der Trommel ge- spielt.
Dieses
aber es findet ſich, daß Liſander ſein wahrer Va- ter iſt. Nun waͤre weiter an die Heyrath nicht zu denken, wenn nicht Liſander ſelbſt ſich nur durch Unfaͤlle zu dem buͤrgerlichen Stande her- ablaſſen muͤſſen. In der That iſt er von eben ſo guter Geburt, als der Marquis; er iſt des Mar- quis Sohn, den jugendlichen Ausſchweiffungen aus dem vaͤterlichen Hauſe vertrieben. Nun will er ſeinen Sohn brauchen, um ſich mit ſeinem Vater auszuſoͤhnen. Die Ausſoͤhnung gelingt, und macht das Stuͤck gegen das Ende ſehr ruͤh- rend. Da alſo der Hauptton deſſelben ruͤhren- der, als komiſch, iſt: ſollte uns nicht auch der Titel mehr jenes als dieſes erwarten laſſen? Der Titel iſt eine wahre Kleinigkeit; aber dasmal haͤtte ich ihn von dem einzigen laͤcherlichen Cha- rakter nicht hergenommen; er braucht den Inhalt weder anzuzeigen, noch zu erſchoͤpfen; aber er ſollte doch auch nicht irre fuͤhren. Und dieſer thut es ein wenig. Was iſt leichter zu aͤndern, als ein Titel? Die uͤbrigen Abweichungen des deutſchen Verfaſſers von dem Originale, gerei- chen mehr zum Vortheile des Stuͤcks, und geben ihm das einheimiſche Anſehen, das faſt allen von dem franzoͤſiſchen Theater entlehnten Stuͤcken mangelt.
Den achtzehnten Abend (Freytags, den 15ten May,) ward das Geſpenſt mit der Trommel ge- ſpielt.
Dieſes
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0146"n="132"/>
aber es findet ſich, daß Liſander ſein wahrer Va-<lb/>
ter iſt. Nun waͤre weiter an die Heyrath nicht<lb/>
zu denken, wenn nicht Liſander ſelbſt ſich nur<lb/>
durch Unfaͤlle zu dem buͤrgerlichen Stande her-<lb/>
ablaſſen muͤſſen. In der That iſt er von eben ſo<lb/>
guter Geburt, als der Marquis; er iſt des Mar-<lb/>
quis Sohn, den jugendlichen Ausſchweiffungen<lb/>
aus dem vaͤterlichen Hauſe vertrieben. Nun<lb/>
will er ſeinen Sohn brauchen, um ſich mit ſeinem<lb/>
Vater auszuſoͤhnen. Die Ausſoͤhnung gelingt,<lb/>
und macht das Stuͤck gegen das Ende ſehr ruͤh-<lb/>
rend. Da alſo der Hauptton deſſelben ruͤhren-<lb/>
der, als komiſch, iſt: ſollte uns nicht auch der<lb/>
Titel mehr jenes als dieſes erwarten laſſen? Der<lb/>
Titel iſt eine wahre Kleinigkeit; aber dasmal<lb/>
haͤtte ich ihn von dem einzigen laͤcherlichen Cha-<lb/>
rakter nicht hergenommen; er braucht den Inhalt<lb/>
weder anzuzeigen, noch zu erſchoͤpfen; aber er<lb/>ſollte doch auch nicht irre fuͤhren. Und dieſer<lb/>
thut es ein wenig. Was iſt leichter zu aͤndern,<lb/>
als ein Titel? Die uͤbrigen Abweichungen des<lb/>
deutſchen Verfaſſers von dem Originale, gerei-<lb/>
chen mehr zum Vortheile des Stuͤcks, und geben<lb/>
ihm das einheimiſche Anſehen, das faſt allen von<lb/>
dem franzoͤſiſchen Theater entlehnten Stuͤcken<lb/>
mangelt.</p><lb/><p>Den achtzehnten Abend (Freytags, den 15ten<lb/>
May,) ward das Geſpenſt mit der Trommel ge-<lb/>ſpielt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Dieſes</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[132/0146]
aber es findet ſich, daß Liſander ſein wahrer Va-
ter iſt. Nun waͤre weiter an die Heyrath nicht
zu denken, wenn nicht Liſander ſelbſt ſich nur
durch Unfaͤlle zu dem buͤrgerlichen Stande her-
ablaſſen muͤſſen. In der That iſt er von eben ſo
guter Geburt, als der Marquis; er iſt des Mar-
quis Sohn, den jugendlichen Ausſchweiffungen
aus dem vaͤterlichen Hauſe vertrieben. Nun
will er ſeinen Sohn brauchen, um ſich mit ſeinem
Vater auszuſoͤhnen. Die Ausſoͤhnung gelingt,
und macht das Stuͤck gegen das Ende ſehr ruͤh-
rend. Da alſo der Hauptton deſſelben ruͤhren-
der, als komiſch, iſt: ſollte uns nicht auch der
Titel mehr jenes als dieſes erwarten laſſen? Der
Titel iſt eine wahre Kleinigkeit; aber dasmal
haͤtte ich ihn von dem einzigen laͤcherlichen Cha-
rakter nicht hergenommen; er braucht den Inhalt
weder anzuzeigen, noch zu erſchoͤpfen; aber er
ſollte doch auch nicht irre fuͤhren. Und dieſer
thut es ein wenig. Was iſt leichter zu aͤndern,
als ein Titel? Die uͤbrigen Abweichungen des
deutſchen Verfaſſers von dem Originale, gerei-
chen mehr zum Vortheile des Stuͤcks, und geben
ihm das einheimiſche Anſehen, das faſt allen von
dem franzoͤſiſchen Theater entlehnten Stuͤcken
mangelt.
Den achtzehnten Abend (Freytags, den 15ten
May,) ward das Geſpenſt mit der Trommel ge-
ſpielt.
Dieſes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/146>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.