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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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spiel, und es ist oft, anstatt des Polyeukts, vor-
gestellet worden."

Den Damen haben wir also dieses Stück zu
verdanken, und es wird noch lange das Lieblings-
stück der Damen bleiben. Ein junger feuriger
Monarch, nur der Liebe unterwürfig; ein stolzer
Sieger, nur von der Schönheit besiegt; ein
Sultan ohne Polygamie; ein Seraglio, in den
freyen zugänglichen Sitz einer unumschränkten
Gebieterinn verwandelt; ein verlassenes Mäd-
chen, zur höchsten Staffel des Glücks, durch
nichts als ihre schönen Augen, erhöhet; ein
Herz, um das Zärtlichkeit und Religion streiten,
das sich zwischen seinen Gott und seinen Abgott
theilet, daß gern fromm seyn möchte, wenn es
nur nicht aufhören sollte zu lieben; ein Eifer-
süchtiger, der sein Unrecht erkennet, und es an
sich selbst rächet: wenn diese schmeichelnde Ideen
das schöne Geschlecht nicht bestechen, durch was
ließe es sich denn bestechen?

Die Liebe selbst hat Voltairen die Zayre diktirt:
sagt ein Kunstrichter artig genug. Richtiger
hätte er gesagt: die Galanterie. Ich kenne nur
eine Tragödie, an der die Liebe selbst arbeiten
helfen; und das ist Romeo und Juliet, vom
Shakespear. Es ist wahr, Voltaire läßt seine
verliebte Zayre ihre Empfindungen sehr fein,

sehr

ſpiel, und es iſt oft, anſtatt des Polyeukts, vor-
geſtellet worden.„

Den Damen haben wir alſo dieſes Stuͤck zu
verdanken, und es wird noch lange das Lieblings-
ſtuͤck der Damen bleiben. Ein junger feuriger
Monarch, nur der Liebe unterwuͤrfig; ein ſtolzer
Sieger, nur von der Schoͤnheit beſiegt; ein
Sultan ohne Polygamie; ein Seraglio, in den
freyen zugaͤnglichen Sitz einer unumſchraͤnkten
Gebieterinn verwandelt; ein verlaſſenes Maͤd-
chen, zur hoͤchſten Staffel des Gluͤcks, durch
nichts als ihre ſchoͤnen Augen, erhoͤhet; ein
Herz, um das Zaͤrtlichkeit und Religion ſtreiten,
das ſich zwiſchen ſeinen Gott und ſeinen Abgott
theilet, daß gern fromm ſeyn moͤchte, wenn es
nur nicht aufhoͤren ſollte zu lieben; ein Eifer-
ſuͤchtiger, der ſein Unrecht erkennet, und es an
ſich ſelbſt raͤchet: wenn dieſe ſchmeichelnde Ideen
das ſchoͤne Geſchlecht nicht beſtechen, durch was
ließe es ſich denn beſtechen?

Die Liebe ſelbſt hat Voltairen die Zayre diktirt:
ſagt ein Kunſtrichter artig genug. Richtiger
haͤtte er geſagt: die Galanterie. Ich kenne nur
eine Tragoͤdie, an der die Liebe ſelbſt arbeiten
helfen; und das iſt Romeo und Juliet, vom
Shakeſpear. Es iſt wahr, Voltaire laͤßt ſeine
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[114/0128] ſpiel, und es iſt oft, anſtatt des Polyeukts, vor- geſtellet worden.„ Den Damen haben wir alſo dieſes Stuͤck zu verdanken, und es wird noch lange das Lieblings- ſtuͤck der Damen bleiben. Ein junger feuriger Monarch, nur der Liebe unterwuͤrfig; ein ſtolzer Sieger, nur von der Schoͤnheit beſiegt; ein Sultan ohne Polygamie; ein Seraglio, in den freyen zugaͤnglichen Sitz einer unumſchraͤnkten Gebieterinn verwandelt; ein verlaſſenes Maͤd- chen, zur hoͤchſten Staffel des Gluͤcks, durch nichts als ihre ſchoͤnen Augen, erhoͤhet; ein Herz, um das Zaͤrtlichkeit und Religion ſtreiten, das ſich zwiſchen ſeinen Gott und ſeinen Abgott theilet, daß gern fromm ſeyn moͤchte, wenn es nur nicht aufhoͤren ſollte zu lieben; ein Eifer- ſuͤchtiger, der ſein Unrecht erkennet, und es an ſich ſelbſt raͤchet: wenn dieſe ſchmeichelnde Ideen das ſchoͤne Geſchlecht nicht beſtechen, durch was ließe es ſich denn beſtechen? Die Liebe ſelbſt hat Voltairen die Zayre diktirt: ſagt ein Kunſtrichter artig genug. Richtiger haͤtte er geſagt: die Galanterie. Ich kenne nur eine Tragoͤdie, an der die Liebe ſelbſt arbeiten helfen; und das iſt Romeo und Juliet, vom Shakeſpear. Es iſt wahr, Voltaire laͤßt ſeine verliebte Zayre ihre Empfindungen ſehr fein, ſehr

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/128>, abgerufen am 23.11.2024.