Man kennet ihn hier unter dem Titel des be- schämten Freygeistes, weil man ihn von dem Trauerspiele des Hrn. von Brave, das eben diese Aufschrift führet, unterscheiden wollen. Ei- gentlich kann man wohl nicht sagen, daß derje- nige beschämt wird, welcher sich bessert. Adrast ist auch nicht einzig und allein der Freygeist; sondern es nehmen mehrere Personen an diesem Charakter Theil. Die eitle unbesonnene Hen- riette, der für Wahrheit und Irrthum gleich- gültige Lisidor, der spitzbübische Johann, sind alles Arten von Freygeistern, die zusammen den Titel des Stücks erfüllen müssen. Doch was liegt an dem Titel? Genug, daß die Vorstel- lung alles Beyfalls würdig war. Die Rollen sind ohne Ausnahme wohl besetzt; und besonders spielt Herr Böck den Theophan mit alle dem freundlichen Anstande, den dieser Charakter er- fordert, um dem endlichen Unwillen über die Hartnäckigkeit, mit der ihn Adrast verkennet, und auf dem die ganze Katastrophe beruhet, da- gegen abstechen zu lassen.
Den Beschluß dieses Abends machte das Schäferspiel des Hrn. Pfeffels, der Schatz.
Dieser Dichter hat sich, außer diesem kleinen Stücke, noch durch ein anders, der Eremit, nicht unrühmlich bekannt gemacht. In den Schatz hat er mehr Interesse zu legen gesucht, als gemeiniglich unsere Schäferspiele zu haben
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Man kennet ihn hier unter dem Titel des be- ſchaͤmten Freygeiſtes, weil man ihn von dem Trauerſpiele des Hrn. von Brave, das eben dieſe Aufſchrift fuͤhret, unterſcheiden wollen. Ei- gentlich kann man wohl nicht ſagen, daß derje- nige beſchaͤmt wird, welcher ſich beſſert. Adraſt iſt auch nicht einzig und allein der Freygeiſt; ſondern es nehmen mehrere Perſonen an dieſem Charakter Theil. Die eitle unbeſonnene Hen- riette, der fuͤr Wahrheit und Irrthum gleich- guͤltige Liſidor, der ſpitzbuͤbiſche Johann, ſind alles Arten von Freygeiſtern, die zuſammen den Titel des Stuͤcks erfuͤllen muͤſſen. Doch was liegt an dem Titel? Genug, daß die Vorſtel- lung alles Beyfalls wuͤrdig war. Die Rollen ſind ohne Ausnahme wohl beſetzt; und beſonders ſpielt Herr Boͤck den Theophan mit alle dem freundlichen Anſtande, den dieſer Charakter er- fordert, um dem endlichen Unwillen uͤber die Hartnaͤckigkeit, mit der ihn Adraſt verkennet, und auf dem die ganze Kataſtrophe beruhet, da- gegen abſtechen zu laſſen.
Den Beſchluß dieſes Abends machte das Schaͤferſpiel des Hrn. Pfeffels, der Schatz.
Dieſer Dichter hat ſich, außer dieſem kleinen Stuͤcke, noch durch ein anders, der Eremit, nicht unruͤhmlich bekannt gemacht. In den Schatz hat er mehr Intereſſe zu legen geſucht, als gemeiniglich unſere Schaͤferſpiele zu haben
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Man kennet ihn hier unter dem Titel des be-
ſchaͤmten Freygeiſtes, weil man ihn von dem
Trauerſpiele des Hrn. von Brave, das eben dieſe
Aufſchrift fuͤhret, unterſcheiden wollen. Ei-
gentlich kann man wohl nicht ſagen, daß derje-
nige beſchaͤmt wird, welcher ſich beſſert. Adraſt
iſt auch nicht einzig und allein der Freygeiſt;
ſondern es nehmen mehrere Perſonen an dieſem
Charakter Theil. Die eitle unbeſonnene Hen-
riette, der fuͤr Wahrheit und Irrthum gleich-
guͤltige Liſidor, der ſpitzbuͤbiſche Johann, ſind
alles Arten von Freygeiſtern, die zuſammen den
Titel des Stuͤcks erfuͤllen muͤſſen. Doch was
liegt an dem Titel? Genug, daß die Vorſtel-
lung alles Beyfalls wuͤrdig war. Die Rollen
ſind ohne Ausnahme wohl beſetzt; und beſonders
ſpielt Herr Boͤck den Theophan mit alle dem
freundlichen Anſtande, den dieſer Charakter er-
fordert, um dem endlichen Unwillen uͤber die
Hartnaͤckigkeit, mit der ihn Adraſt verkennet,
und auf dem die ganze Kataſtrophe beruhet, da-
gegen abſtechen zu laſſen.
Den Beſchluß dieſes Abends machte das
Schaͤferſpiel des Hrn. Pfeffels, der Schatz.
Dieſer Dichter hat ſich, außer dieſem kleinen
Stuͤcke, noch durch ein anders, der Eremit,
nicht unruͤhmlich bekannt gemacht. In den
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als gemeiniglich unſere Schaͤferſpiele zu haben
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/125>, abgerufen am 24.11.2024.
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