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Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.

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a. Declination der Nomina.
man sich zur Erklärung von -ui, der älteren, nicht berufen. Man wird für die Ab-
weisung nun eine Erklärung des u von duti verlangen. Diese lässt sich, wie ich
glaube, in befriedigender Weise geben, wenn man mit Hülfe bekannter That-
sachen die betreffenden Formen genauer analysirt. Es ist von Schleicher der
auffallende Umstand nicht unbemerkt geblieben, dass das u im Präsens in der
Reduplicationssilbe steht; im Comp.3 784 heisst es ohne Erklärung: "W. urspr.
da (geben), die im lit. dav, du lautet, auch hier mit Verlust des Wurzelauslautes,
aber mit vollem Vocal in der Reduplicationssilbe dud-" u. s. w., hier scheint es,
als nähme Schleicher eine Art von gesteigerter Reduplicationssilbe an, also etwa
urspr. * daudu. In der Lit. Gr. S. 253 heisst es: "Wie didomi, tithemi, skrt.
dadami, dadhami aus den Wurzeln, do, da; the, dha durch Reduplication ent-
standen sind, so die entsprechenden litauischen Formen du mi für dudmi, demi
für dedmi, nur ist im Litauischen der Wurzelvocal (die Wurzeln lauten hier du,
d. i. du, und de) in die Reduplicationssilbe getreten und im Auslaute völlig ge-
schwunden". Es lässt sich leicht zeigen, dass diese Dinge unhaltbar sind. Das
e in demi, neben dem sogar demi vorkommt und neben dem dest steht (d. h.
dest, denn e ist nur Folge des Accents, Steigerungsvocal oder ältere Dehnung
wäre e), ist nichts anderes als eine Ersatzdehnung für *dedmi; weiterer Beweis
dafür ist die moderne Form dedu; stünde demi, wie Schleicher ansetzt, für *dedmi,
so hiesse es *dedu; der kurze Vocal stimmt überdies zum slav. dezda = *ded-ja.
Die andere Wurzel hat slav. praes. dami, dasi, dasti, damu u. s. w. für *dadmi
u. s. f. Die Uebereinstimmung des Slavischen mit den litauischen Sprachen in
dem Verlust des Wurzelvocals vor den Personalendungen muss nach aller ver-
nünftigen Vergleichungsmethode Beweis genug sein, dass derselbe vor der Einzel-
entwicklung von Slavisch und Litauisch vor sich gegangen ist; es konnte also
auch im Litauischen kein Wurzelvocal besonderer Art in die Reduplicationssilbe
treten, weil keiner mehr vorhanden war. Ferner zeigt die Uebereinstimmung
des Preussischen und Slavischen in dem a der Reduplicationssilbe, dass dies noch
der Vocal derselben war zur Zeit der engeren Gemeinschaft der litauischen und
slavischen Sprachen. Mit einem Worte: das u ist erst innerhalb des Li-
tauisch-lettischen in der Reduplicationssilbe entstanden
, und
der Entwicklungsgang ist folgender: der inf. lautete ursprünglich nur wie preuss.
datwei, dem entspräche, wenn keine Veränderungen vorgegangen wären, lit.
*do-ti (vgl. sto-ti zu sta). Daneben ist die Form da- erhalten in do-snus (frei-
gebig), dovana (Gabe), padonas (Unterthan). Dovana braucht ebensowenig wie
das slavische abgeleitete Verbum davati aus W. du erklärt zu werden oder dajati
aus W. di, es liegen hier alte Nomina *da-va, *da-ja zu Grunde. Wie die
Sprache zwischen o und u ins Schwanken gekommen ist, namentlich durch den
dialektischen Wechsel dieser Vocale, beweisen auch die verschiedenen Schrei-
bungen, Kurschat s. v. "freigebig" hat z. B. dusnus, aber dovana. So ist also
du-ti aus *do-ti entstanden. Als litauische Grundform des Präsens ist *dadmi
anzusetzen. In den preussischen Katechismen wird die 3. sg. consequent dast,
die vereinzelt vorkommende 2. sg. dase geschrieben, der Vocal der Reduplications-
silbe ist also gedehnt (auch das slav. a in dami u. s. w. ist nach den früheren

a. Declination der Nomina.
man sich zur Erklärung von -ui, der älteren, nicht berufen. Man wird für die Ab-
weisung nun eine Erklärung des ů von dů́ti verlangen. Diese lässt sich, wie ich
glaube, in befriedigender Weise geben, wenn man mit Hülfe bekannter That-
sachen die betreffenden Formen genauer analysirt. Es ist von Schleicher der
auffallende Umstand nicht unbemerkt geblieben, dass das ů im Präsens in der
Reduplicationssilbe steht; im Comp.3 784 heisst es ohne Erklärung: «W. urspr.
da (geben), die im lit. dav, dů lautet, auch hier mit Verlust des Wurzelauslautes,
aber mit vollem Vocal in der Reduplicationssilbe důd-» u. s. w., hier scheint es,
als nähme Schleicher eine Art von gesteigerter Reduplicationssilbe an, also etwa
urspr. * daudu. In der Lit. Gr. S. 253 heisst es: «Wie δίδωμι, τίϑημι, skrt.
dádâmi, dádhâmi aus den Wurzeln, δω, ; ϑη, dhâ durch Reduplication ent-
standen sind, so die entsprechenden litauischen Formen dů́ mi für dů́dmi, dė́mi
für dė́dmi, nur ist im Litauischen der Wurzelvocal (die Wurzeln lauten hier ,
d. i. du, und ) in die Reduplicationssilbe getreten und im Auslaute völlig ge-
schwunden». Es lässt sich leicht zeigen, dass diese Dinge unhaltbar sind. Das
ē̇ in dė́mi, neben dem sogar dèmi vorkommt und neben dem dést steht (d. h.
dĕst, denn ist nur Folge des Accents, Steigerungsvocal oder ältere Dehnung
wäre ė), ist nichts anderes als eine Ersatzdehnung für *dedmi; weiterer Beweis
dafür ist die moderne Form dedù; stünde dė́mi, wie Schleicher ansetzt, für *dėdmi,
so hiesse es *dėdu; der kurze Vocal stimmt überdies zum slav. deždą = *ded-ją.
Die andere Wurzel hat slav. praes. damĭ, dasī, dastĭ, damŭ u. s. w. für *dadmĭ
u. s. f. Die Uebereinstimmung des Slavischen mit den litauischen Sprachen in
dem Verlust des Wurzelvocals vor den Personalendungen muss nach aller ver-
nünftigen Vergleichungsmethode Beweis genug sein, dass derselbe vor der Einzel-
entwicklung von Slavisch und Litauisch vor sich gegangen ist; es konnte also
auch im Litauischen kein Wurzelvocal besonderer Art in die Reduplicationssilbe
treten, weil keiner mehr vorhanden war. Ferner zeigt die Uebereinstimmung
des Preussischen und Slavischen in dem a der Reduplicationssilbe, dass dies noch
der Vocal derselben war zur Zeit der engeren Gemeinschaft der litauischen und
slavischen Sprachen. Mit einem Worte: das ů ist erst innerhalb des Li-
tauisch-lettischen in der Reduplicationssilbe entstanden
, und
der Entwicklungsgang ist folgender: der inf. lautete ursprünglich nur wie preuss.
dâtwei, dem entspräche, wenn keine Veränderungen vorgegangen wären, lit.
*dō-ti (vgl. stō-ti zu stā). Daneben ist die Form - erhalten in dō-snùs (frei-
gebig), dovanà (Gabe), padónas (Unterthan). Dovanà braucht ebensowenig wie
das slavische abgeleitete Verbum davati aus W. du erklärt zu werden oder dajati
aus W. di, es liegen hier alte Nomina *dā-va, *dā-ja zu Grunde. Wie die
Sprache zwischen o und ů ins Schwanken gekommen ist, namentlich durch den
dialektischen Wechsel dieser Vocale, beweisen auch die verschiedenen Schrei-
bungen, Kurschat s. v. «freigebig» hat z. B. důsnùs, aber dovanà. So ist also
dů́-ti aus *dō-ti entstanden. Als litauische Grundform des Präsens ist *dadmi
anzusetzen. In den preussischen Katechismen wird die 3. sg. consequent dâst,
die vereinzelt vorkommende 2. sg. dâse geschrieben, der Vocal der Reduplications-
silbe ist also gedehnt (auch das slav. a in damĭ u. s. w. ist nach den früheren

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[56/0092] a. Declination der Nomina. man sich zur Erklärung von -ui, der älteren, nicht berufen. Man wird für die Ab- weisung nun eine Erklärung des ů von dů́ti verlangen. Diese lässt sich, wie ich glaube, in befriedigender Weise geben, wenn man mit Hülfe bekannter That- sachen die betreffenden Formen genauer analysirt. Es ist von Schleicher der auffallende Umstand nicht unbemerkt geblieben, dass das ů im Präsens in der Reduplicationssilbe steht; im Comp.3 784 heisst es ohne Erklärung: «W. urspr. da (geben), die im lit. dav, dů lautet, auch hier mit Verlust des Wurzelauslautes, aber mit vollem Vocal in der Reduplicationssilbe důd-» u. s. w., hier scheint es, als nähme Schleicher eine Art von gesteigerter Reduplicationssilbe an, also etwa urspr. * daudu. In der Lit. Gr. S. 253 heisst es: «Wie δίδωμι, τίϑημι, skrt. dádâmi, dádhâmi aus den Wurzeln, δω, dâ; ϑη, dhâ durch Reduplication ent- standen sind, so die entsprechenden litauischen Formen dů́ mi für dů́dmi, dė́mi für dė́dmi, nur ist im Litauischen der Wurzelvocal (die Wurzeln lauten hier dů, d. i. du, und dė) in die Reduplicationssilbe getreten und im Auslaute völlig ge- schwunden». Es lässt sich leicht zeigen, dass diese Dinge unhaltbar sind. Das ē̇ in dė́mi, neben dem sogar dèmi vorkommt und neben dem dést steht (d. h. dĕst, denn ḗ ist nur Folge des Accents, Steigerungsvocal oder ältere Dehnung wäre ė), ist nichts anderes als eine Ersatzdehnung für *dedmi; weiterer Beweis dafür ist die moderne Form dedù; stünde dė́mi, wie Schleicher ansetzt, für *dėdmi, so hiesse es *dėdu; der kurze Vocal stimmt überdies zum slav. deždą = *ded-ją. Die andere Wurzel hat slav. praes. damĭ, dasī, dastĭ, damŭ u. s. w. für *dadmĭ u. s. f. Die Uebereinstimmung des Slavischen mit den litauischen Sprachen in dem Verlust des Wurzelvocals vor den Personalendungen muss nach aller ver- nünftigen Vergleichungsmethode Beweis genug sein, dass derselbe vor der Einzel- entwicklung von Slavisch und Litauisch vor sich gegangen ist; es konnte also auch im Litauischen kein Wurzelvocal besonderer Art in die Reduplicationssilbe treten, weil keiner mehr vorhanden war. Ferner zeigt die Uebereinstimmung des Preussischen und Slavischen in dem a der Reduplicationssilbe, dass dies noch der Vocal derselben war zur Zeit der engeren Gemeinschaft der litauischen und slavischen Sprachen. Mit einem Worte: das ů ist erst innerhalb des Li- tauisch-lettischen in der Reduplicationssilbe entstanden, und der Entwicklungsgang ist folgender: der inf. lautete ursprünglich nur wie preuss. dâtwei, dem entspräche, wenn keine Veränderungen vorgegangen wären, lit. *dō-ti (vgl. stō-ti zu stā). Daneben ist die Form dā- erhalten in dō-snùs (frei- gebig), dovanà (Gabe), padónas (Unterthan). Dovanà braucht ebensowenig wie das slavische abgeleitete Verbum davati aus W. du erklärt zu werden oder dajati aus W. di, es liegen hier alte Nomina *dā-va, *dā-ja zu Grunde. Wie die Sprache zwischen o und ů ins Schwanken gekommen ist, namentlich durch den dialektischen Wechsel dieser Vocale, beweisen auch die verschiedenen Schrei- bungen, Kurschat s. v. «freigebig» hat z. B. důsnùs, aber dovanà. So ist also dů́-ti aus *dō-ti entstanden. Als litauische Grundform des Präsens ist *dadmi anzusetzen. In den preussischen Katechismen wird die 3. sg. consequent dâst, die vereinzelt vorkommende 2. sg. dâse geschrieben, der Vocal der Reduplications- silbe ist also gedehnt (auch das slav. a in damĭ u. s. w. ist nach den früheren

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Zitationshilfe: Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/92>, abgerufen am 24.11.2024.