Lenz, Jakob Michael Reinhold: Die Soldaten. Leipzig, 1776. Stolzius (faßt ihr beyde Hände.) Liebe Mut- ter, schimpft nicht auf sie, sie ist unschul- dig, der Officier hat ihr den Kopf ver- rückt. Seht einmal, wie sie mir sonst ge- schrieben hat. Jch muß den Verstand verlieren darüber. Solch ein gutes Herz! Mutter (steht auf und stampft mit dem Fuß.) Solch ein Luder -- Gleich zu Bett mit dir, ich befehl' es dir. Was soll daraus werden, was soll da herauskommen. Jch will dir weisen, junger Herr, daß ich dei- ne Mutter bin. Stolzius (an seine Brust schlagend.) Ma- riel -- nein, sie ist es nicht mehr, sie ist nicht dieselbige mehr -- (springt auf) Laßt mich -- Mutter (weint.) Wohin, du Gottsver- gessener? Stolzius. Jch will dem Teufel, der sie verkehrt hat -- (fällt kraftlos auf die Bank, beyde Hände in die Höhe.) Oh du sollst mirs bezahlen, du sollst mirs bezahlen. (kalt) Ein Tag ist wie der andere, was nicht heut kommt, kommt Morgen, und was langsam D 5
Stolzius (faßt ihr beyde Haͤnde.) Liebe Mut- ter, ſchimpft nicht auf ſie, ſie iſt unſchul- dig, der Officier hat ihr den Kopf ver- ruͤckt. Seht einmal, wie ſie mir ſonſt ge- ſchrieben hat. Jch muß den Verſtand verlieren daruͤber. Solch ein gutes Herz! Mutter (ſteht auf und ſtampft mit dem Fuß.) Solch ein Luder — Gleich zu Bett mit dir, ich befehl’ es dir. Was ſoll daraus werden, was ſoll da herauskommen. Jch will dir weiſen, junger Herr, daß ich dei- ne Mutter bin. Stolzius (an ſeine Bruſt ſchlagend.) Ma- riel — nein, ſie iſt es nicht mehr, ſie iſt nicht dieſelbige mehr — (ſpringt auf) Laßt mich — Mutter (weint.) Wohin, du Gottsver- geſſener? Stolzius. Jch will dem Teufel, der ſie verkehrt hat — (faͤllt kraftlos auf die Bank, beyde Haͤnde in die Hoͤhe.) Oh du ſollſt mirs bezahlen, du ſollſt mirs bezahlen. (kalt) Ein Tag iſt wie der andere, was nicht heut kommt, kommt Morgen, und was langſam D 5
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Stolzius (faßt ihr beyde Haͤnde.) Liebe Mut-
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dig, der Officier hat ihr den Kopf ver-
ruͤckt. Seht einmal, wie ſie mir ſonſt ge-
ſchrieben hat. Jch muß den Verſtand
verlieren daruͤber. Solch ein gutes
Herz!
Mutter (ſteht auf und ſtampft mit dem Fuß.)
Solch ein Luder — Gleich zu Bett mit
dir, ich befehl’ es dir. Was ſoll daraus
werden, was ſoll da herauskommen. Jch
will dir weiſen, junger Herr, daß ich dei-
ne Mutter bin.
Stolzius (an ſeine Bruſt ſchlagend.) Ma-
riel — nein, ſie iſt es nicht mehr, ſie iſt
nicht dieſelbige mehr — (ſpringt auf) Laßt
mich —
Mutter (weint.) Wohin, du Gottsver-
geſſener?
Stolzius. Jch will dem Teufel, der
ſie verkehrt hat — (faͤllt kraftlos auf die Bank,
beyde Haͤnde in die Hoͤhe.) Oh du ſollſt mirs
bezahlen, du ſollſt mirs bezahlen. (kalt)
Ein Tag iſt wie der andere, was nicht
heut kommt, kommt Morgen, und was
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