Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774. König. Du erspahrst dir einen großen Schimpf. Biron. (liest) "Daß eine ganze Meile im Umkreise keine Weibsperson meinem Hofe nahen soll -- -- ist das proklamiret wor- den? Longaville. Seit vier Tagen schon. Biron. Und bei Strafe? -- "ihre Zunge zu verlieren? Wer gab die Strafe an. Longaville. Jch. Biron. Warum? Longaville. Weil es die ärgste ist, die man ihnen drohen kann. Biron. (weiterlesend) "Wenn eine Manns- person innerhalb dieser drey Jahre mit ei- nem Weibe spricht, soll er eine so strenge öffentliche Beschimpfung, als der Hof ohne Stöhrung der allgemeinen Ruhe --" Diesen Punkt, mein Fürst! seyd ihr selbst gezwungen zu brechen, denn ihr wißt, daß die Prinzessin des Königs von Frankreich unterwegens ist, mit euch wegen der Ue- bergabe von Aquitanien an ihren alten Vater zu akkordiren. Dieser Punkt wäre also null und nichtig, oder die ganze Reise und der Auftrag der schönsten aller Prin- zessinnen -- -- König. Was sagt ihr dazu, Ritter? Wahrhaftig, ich hatte es ganz und gar vergessen? Biron.
Koͤnig. Du erſpahrſt dir einen großen Schimpf. Biron. (lieſt) „Daß eine ganze Meile im Umkreiſe keine Weibsperſon meinem Hofe nahen ſoll — — iſt das proklamiret wor- den? Longaville. Seit vier Tagen ſchon. Biron. Und bei Strafe? — „ihre Zunge zu verlieren? Wer gab die Strafe an. Longaville. Jch. Biron. Warum? Longaville. Weil es die aͤrgſte iſt, die man ihnen drohen kann. Biron. (weiterleſend) „Wenn eine Manns- perſon innerhalb dieſer drey Jahre mit ei- nem Weibe ſpricht, ſoll er eine ſo ſtrenge oͤffentliche Beſchimpfung, als der Hof ohne Stoͤhrung der allgemeinen Ruhe —‟ Dieſen Punkt, mein Fuͤrſt! ſeyd ihr ſelbſt gezwungen zu brechen, denn ihr wißt, daß die Prinzeſſin des Koͤnigs von Frankreich unterwegens iſt, mit euch wegen der Ue- bergabe von Aquitanien an ihren alten Vater zu akkordiren. Dieſer Punkt waͤre alſo null und nichtig, oder die ganze Reiſe und der Auftrag der ſchoͤnſten aller Prin- zeſſinnen — — Koͤnig. Was ſagt ihr dazu, Ritter? Wahrhaftig, ich hatte es ganz und gar vergeſſen? Biron.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0070" n="64"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Du erſpahrſt dir einen großen<lb/> Schimpf.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Biron</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#fr">lieſt</hi>)</stage> <p>„Daß eine ganze Meile im<lb/> Umkreiſe keine Weibsperſon meinem Hofe<lb/> nahen ſoll — — iſt das proklamiret wor-<lb/> den?</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Longaville</hi>.</speaker> <p>Seit vier Tagen ſchon.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Biron</hi>.</speaker> <p>Und bei Strafe? — „ihre<lb/> Zunge zu verlieren? Wer gab die Strafe an.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Longaville</hi>.</speaker> <p>Jch.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Biron</hi>.</speaker> <p>Warum?</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Longaville</hi>.</speaker> <p>Weil es die aͤrgſte iſt, die<lb/> man ihnen drohen kann.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Biron</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#fr">weiterleſend</hi>)</stage> <p>„Wenn eine Manns-<lb/> perſon innerhalb dieſer drey Jahre mit ei-<lb/> nem Weibe ſpricht, ſoll er eine ſo ſtrenge<lb/> oͤffentliche Beſchimpfung, als der Hof ohne<lb/> Stoͤhrung der allgemeinen Ruhe —‟</p><lb/> <p>Dieſen Punkt, mein Fuͤrſt! ſeyd ihr ſelbſt<lb/> gezwungen zu brechen, denn ihr wißt, daß<lb/> die Prinzeſſin des Koͤnigs von Frankreich<lb/> unterwegens iſt, mit euch wegen der Ue-<lb/> bergabe von Aquitanien an ihren alten<lb/> Vater zu akkordiren. Dieſer Punkt waͤre<lb/> alſo null und nichtig, oder die ganze Reiſe<lb/> und der Auftrag der ſchoͤnſten aller Prin-<lb/> zeſſinnen — —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Was ſagt ihr dazu, Ritter?<lb/> Wahrhaftig, ich hatte es ganz und gar<lb/> vergeſſen?</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">Biron</hi>.</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0070]
Koͤnig. Du erſpahrſt dir einen großen
Schimpf.
Biron. (lieſt) „Daß eine ganze Meile im
Umkreiſe keine Weibsperſon meinem Hofe
nahen ſoll — — iſt das proklamiret wor-
den?
Longaville. Seit vier Tagen ſchon.
Biron. Und bei Strafe? — „ihre
Zunge zu verlieren? Wer gab die Strafe an.
Longaville. Jch.
Biron. Warum?
Longaville. Weil es die aͤrgſte iſt, die
man ihnen drohen kann.
Biron. (weiterleſend) „Wenn eine Manns-
perſon innerhalb dieſer drey Jahre mit ei-
nem Weibe ſpricht, ſoll er eine ſo ſtrenge
oͤffentliche Beſchimpfung, als der Hof ohne
Stoͤhrung der allgemeinen Ruhe —‟
Dieſen Punkt, mein Fuͤrſt! ſeyd ihr ſelbſt
gezwungen zu brechen, denn ihr wißt, daß
die Prinzeſſin des Koͤnigs von Frankreich
unterwegens iſt, mit euch wegen der Ue-
bergabe von Aquitanien an ihren alten
Vater zu akkordiren. Dieſer Punkt waͤre
alſo null und nichtig, oder die ganze Reiſe
und der Auftrag der ſchoͤnſten aller Prin-
zeſſinnen — —
Koͤnig. Was ſagt ihr dazu, Ritter?
Wahrhaftig, ich hatte es ganz und gar
vergeſſen?
Biron.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |