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Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.

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Aber weh! ein Schwur hält mich zu-
rücke,
Daß ich, Göttin, dich aus Dornen
pflücke:
Welch ein Schwur für heißes Blut
Von der allerreinsten Glut!
Nenn es, Schönste! kein Verbrechen
Den Tyranneneid zu brechen.
Ach um deinetwillen schwür
Jupiter sein Weib zum Mohren,
Seine Tochter ungebohren.
Und sich selbst zu einem Stier.
Jch muß ihr dann noch eins schicken, das
minder gelehrt ist und meine Sehnsucht
mit wenigerm Umschweife ausdrückt. Wäre
doch der König und seine zwey Magister Zu-
gaben zu meinem bösen Exempel, daß ich
nicht allein gebrandmarkt da stünde. Jm
Lande der Hinkenden ist Hinken keine Sünde.
Long. Deine Liebe hat wenig von der
Christlichen an sich. (geht hervor.) Jhr er-
blaßt, Ritter! ich würde erröthen wenn man
mich so ertappt hätte.
König. (geht hervor.) Wohlan, so er-
röthe dann! du hasts eben so viel Ursache
ja vielmehr du bist doppelt so strafbar, da
du den Schein der Gerechtigkeit vor dir
trägst. Nein, Longaville machte kein Son-
net auf Marien, er legte seine Arme nicht
kreuzweis über den Busen, um sein Herz
hin-


Aber weh! ein Schwur haͤlt mich zu-
ruͤcke,
Daß ich, Goͤttin, dich aus Dornen
pfluͤcke:
Welch ein Schwur fuͤr heißes Blut
Von der allerreinſten Glut!
Nenn es, Schoͤnſte! kein Verbrechen
Den Tyranneneid zu brechen.
Ach um deinetwillen ſchwuͤr
Jupiter ſein Weib zum Mohren,
Seine Tochter ungebohren.
Und ſich ſelbſt zu einem Stier.
Jch muß ihr dann noch eins ſchicken, das
minder gelehrt iſt und meine Sehnſucht
mit wenigerm Umſchweife ausdruͤckt. Waͤre
doch der Koͤnig und ſeine zwey Magiſter Zu-
gaben zu meinem boͤſen Exempel, daß ich
nicht allein gebrandmarkt da ſtuͤnde. Jm
Lande der Hinkenden iſt Hinken keine Suͤnde.
Long. Deine Liebe hat wenig von der
Chriſtlichen an ſich. (geht hervor.) Jhr er-
blaßt, Ritter! ich wuͤrde erroͤthen wenn man
mich ſo ertappt haͤtte.
Koͤnig. (geht hervor.) Wohlan, ſo er-
roͤthe dann! du haſts eben ſo viel Urſache
ja vielmehr du biſt doppelt ſo ſtrafbar, da
du den Schein der Gerechtigkeit vor dir
traͤgſt. Nein, Longaville machte kein Son-
net auf Marien, er legte ſeine Arme nicht
kreuzweis uͤber den Buſen, um ſein Herz
hin-
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[110/0116] Aber weh! ein Schwur haͤlt mich zu- ruͤcke, Daß ich, Goͤttin, dich aus Dornen pfluͤcke: Welch ein Schwur fuͤr heißes Blut Von der allerreinſten Glut! Nenn es, Schoͤnſte! kein Verbrechen Den Tyranneneid zu brechen. Ach um deinetwillen ſchwuͤr Jupiter ſein Weib zum Mohren, Seine Tochter ungebohren. Und ſich ſelbſt zu einem Stier. Jch muß ihr dann noch eins ſchicken, das minder gelehrt iſt und meine Sehnſucht mit wenigerm Umſchweife ausdruͤckt. Waͤre doch der Koͤnig und ſeine zwey Magiſter Zu- gaben zu meinem boͤſen Exempel, daß ich nicht allein gebrandmarkt da ſtuͤnde. Jm Lande der Hinkenden iſt Hinken keine Suͤnde. Long. Deine Liebe hat wenig von der Chriſtlichen an ſich. (geht hervor.) Jhr er- blaßt, Ritter! ich wuͤrde erroͤthen wenn man mich ſo ertappt haͤtte. Koͤnig. (geht hervor.) Wohlan, ſo er- roͤthe dann! du haſts eben ſo viel Urſache ja vielmehr du biſt doppelt ſo ſtrafbar, da du den Schein der Gerechtigkeit vor dir traͤgſt. Nein, Longaville machte kein Son- net auf Marien, er legte ſeine Arme nicht kreuzweis uͤber den Buſen, um ſein Herz hin-

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Zitationshilfe: Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_anmerkungen_1774/116>, abgerufen am 21.11.2024.