Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Schon sah mein Blick, der in die Zukunft spähte, In langen Reihen Wonnetage zieh'n; Schon baut' ich kühn mit leichtem Traumgeräthe Mein früh zerfallnes Glück an deines hin. -- Sanft senkten sich in feierliches Schweigen Die Züge der Natur, kein Lüftchen sprach, Sie schien ihr göttlich Angesicht zu neigen, Als sänne still sie einer Freude nach. Die Sterne tauchten aus dem Aethermeere, Der Weste Hauch erwachte nun im Hain, Die Blume trank des Himmels leise Zähre, Und selig irrten wir im Mondenschein. -- -- Doch kommt ein Sturm jezt über meine Saiten, Reißt wild mir von der Leier jenen Tag, Den schönen Tag mit allen Seligkeiten, -- Pocht mir an's Herz mit rauhem Flügelschlag. Herein! herein! du finsterer Geselle!
Du bist in meiner Brust kein neuer Gast; Ich öffne dir die trümmervolle Zelle, In welcher dein Geschlecht schon oft gerast! Schon ſah mein Blick, der in die Zukunft ſpaͤhte, In langen Reihen Wonnetage zieh'n; Schon baut' ich kuͤhn mit leichtem Traumgeraͤthe Mein fruͤh zerfallnes Gluͤck an deines hin. — Sanft ſenkten ſich in feierliches Schweigen Die Zuͤge der Natur, kein Luͤftchen ſprach, Sie ſchien ihr goͤttlich Angeſicht zu neigen, Als ſaͤnne ſtill ſie einer Freude nach. Die Sterne tauchten aus dem Aethermeere, Der Weſte Hauch erwachte nun im Hain, Die Blume trank des Himmels leiſe Zaͤhre, Und ſelig irrten wir im Mondenſchein. — — Doch kommt ein Sturm jezt uͤber meine Saiten, Reißt wild mir von der Leier jenen Tag, Den ſchoͤnen Tag mit allen Seligkeiten, — Pocht mir an's Herz mit rauhem Fluͤgelſchlag. Herein! herein! du finſterer Geſelle!
Du biſt in meiner Bruſt kein neuer Gaſt; Ich oͤffne dir die truͤmmervolle Zelle, In welcher dein Geſchlecht ſchon oft gerast! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0098" n="84"/> <lg n="5"> <l>Schon ſah mein Blick, der in die Zukunft ſpaͤhte,</l><lb/> <l>In langen Reihen Wonnetage zieh'n;</l><lb/> <l>Schon baut' ich kuͤhn mit leichtem Traumgeraͤthe</l><lb/> <l>Mein fruͤh zerfallnes Gluͤck an deines hin. —</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Sanft ſenkten ſich in feierliches Schweigen</l><lb/> <l>Die Zuͤge der Natur, kein Luͤftchen ſprach,</l><lb/> <l>Sie ſchien ihr goͤttlich Angeſicht zu neigen,</l><lb/> <l>Als ſaͤnne ſtill ſie einer Freude nach.</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>Die Sterne tauchten aus dem Aethermeere,</l><lb/> <l>Der Weſte Hauch erwachte nun im Hain,</l><lb/> <l>Die Blume trank des Himmels leiſe Zaͤhre,</l><lb/> <l>Und ſelig irrten wir im Mondenſchein. — —</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>Doch kommt ein Sturm jezt uͤber meine Saiten,</l><lb/> <l>Reißt wild mir von der Leier jenen Tag,</l><lb/> <l>Den ſchoͤnen Tag mit allen Seligkeiten, —</l><lb/> <l>Pocht mir an's Herz mit rauhem Fluͤgelſchlag.</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Herein! herein! du finſterer Geſelle!</l><lb/> <l>Du biſt in meiner Bruſt kein neuer Gaſt;</l><lb/> <l>Ich oͤffne dir die truͤmmervolle Zelle,</l><lb/> <l>In welcher dein Geſchlecht ſchon oft gerast!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0098]
Schon ſah mein Blick, der in die Zukunft ſpaͤhte,
In langen Reihen Wonnetage zieh'n;
Schon baut' ich kuͤhn mit leichtem Traumgeraͤthe
Mein fruͤh zerfallnes Gluͤck an deines hin. —
Sanft ſenkten ſich in feierliches Schweigen
Die Zuͤge der Natur, kein Luͤftchen ſprach,
Sie ſchien ihr goͤttlich Angeſicht zu neigen,
Als ſaͤnne ſtill ſie einer Freude nach.
Die Sterne tauchten aus dem Aethermeere,
Der Weſte Hauch erwachte nun im Hain,
Die Blume trank des Himmels leiſe Zaͤhre,
Und ſelig irrten wir im Mondenſchein. — —
Doch kommt ein Sturm jezt uͤber meine Saiten,
Reißt wild mir von der Leier jenen Tag,
Den ſchoͤnen Tag mit allen Seligkeiten, —
Pocht mir an's Herz mit rauhem Fluͤgelſchlag.
Herein! herein! du finſterer Geſelle!
Du biſt in meiner Bruſt kein neuer Gaſt;
Ich oͤffne dir die truͤmmervolle Zelle,
In welcher dein Geſchlecht ſchon oft gerast!
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